Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX - 79/06 OLG Hamm |
Leitsatz: Zu Zuerkennung einer Pauschgebühr für den Verfahrensabschnitt vorbereitendes Verfahren und gerichtliches Verfahren. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Pauschgebühr |
Stichworte: Pauschgebühr; besonderer Umfang; Verfahrensabschnitt; Zumutbarkeit; |
Normen: RVG 51 |
Beschluss: Strafsache gegen N.W. u.a. wegen schweren Bandendiebstahls, (hier: Pauschgebühr für die bestellte Verteidigerin gem. § 51 RVG). Auf den Antrag der Rechtsanwältin R. aus G. vom 13. Oktober 2005 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Pflichtverteidigung des früheren Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. August 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht - als Einzelrichterin gemäß §§ 51, 42 Abs. 3 Satz 1 RVG - nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Ober¬landesgerichts beschlossen: Der Antragstellerin wird für ihre Tätigkeit als gerichtlich bestellte Verteidigerin des ehemaligen Angeklagten für das vorbereitende Verfahren anstelle ihrer gesetzlichen Gebühr Verfahrensgebühr mit Zuschlag VV-Nr. 4105" in Höhe von 137,00 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 312,50 EURO (in Worten: dreihundertundzwölf,fünfzig EURO) und anstelle der gesetzlichen Gebühr Verfahrensgebühr Nr. 4113 RVG" in Höhe von 151,00 EURO eine Pauschge¬bühr in Höhe von 250,00 (in Worten: zweihundertundfünfzig EURO) bewilligt. Gründe: I. Die Antragstellerin begehrt als gerichtlich bestellte Verteidigerin des ehemaligen An¬geklagten für ihre Tätigkeit die Gewährung einer angemessenen Pauschgebühr. Ihrem Antrag ist zu entnehmen, dass sie sich insoweit auf eine Pauschgebühr für das vorgerichtliche und das gerichtliche Verfahren erster Instanz außerhalb der Haupt¬verhandlung beschränkt. Sie ist dem ehemaligen Angeklagten durch Beschluss vom 10. Mai 2005 als Pflicht¬verteidigerin beigeordnet worden, mithin vor der am 03. Juni 2005 erfolgten Anklage¬erhebung. Erstmals tätig geworden ist sie am 18. Januar 2005. Hinsichtlich ihrer Tätigkeiten im Einzelnen wird auf die Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 07. Juli 2006 Bezug genommen, die der Antragstellerin be¬kannt ist und in der deren Tätigkeitsumfang zutreffend dargestellt ist. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG liegen für das vorgerichtliche und das gerichtliche Verfahren erster Instanz außerhalb der Hauptverhandlung vor, da das Verfahren für die Antragstellerin insoweit sowohl be¬sonders schwierig als auch besonders umfangreich war. Das am 1. Juli 2004 in Kraft getretene RVG sieht bei den Gebühren des Strafvertei¬digers in Teil 4 VV RVG in erster Linie eine verfahrensabschnittsweise Vergütung vor, die - so der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 220) - eine bessere Honorierung der Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Strafver¬fahren ermöglichen soll. Dem hat er bei der Neufassung des § 51 RVG dadurch Rechnung getragen, dass nunmehr ausdrücklich in § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG die Be¬willigung einer Pauschgebühr für einen Verfahrensabschnitt möglich ist (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 201). Danach ist eine Pauschvergütung für das gesamte Verfah¬ren oder - wie im vorliegenden Fall beantragt - für einzelne Verfahrensabschnitte zu gewähren, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs und/oder der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit des Pflichtverteidigers nicht zumutbar sind. Nach der Intention des Gesetzgebers ist der praktische Anwen¬dungsbereich in § 51 RVG gegenüber der alten Regelung in § 99 BRAGO einge¬schränkt, da in das Vergütungsverzeichnis neue Gebührentatbestände aufgenom¬men worden sind, deren Vorliegen nach altem Recht dazu führte, dass eine Pausch¬vergütung bewilligt wurde (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 201, 202). Der Senat schließt sich bei der Beurteilung der besonderen Schwierigkeit" des Ver¬fahrens der Stellungnahme der Vorsitzenden der Strafkammer an, wonach die Straf¬sache für die Pflichtverteidigerin besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht geboten hat. Es ist kein Grund ersichtlich, sich der sachnahen Einschätzung der Vor¬sitzenden des Gerichts nicht anzuschließen (vgl. zu deren grundsätzlicher Maßgeblichkeit grundlegend Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56; zur Wei¬tergeltung dieser Rechtsprechung nach Inkrafttreten des RVG Senat in StraFo 2005, 130 = RVGreport 2005, 68 = NStZ-RR 2005, 127 (Ls.) = Rpfleger 2005, 214 = AGS 2005, 117). Das Verfahren war auch besonders umfangreich; die Antragstellerin ist sowohl im Ermittlungsverfahren, dem vorbereitenden Verfahren im Sinne des Teils 4 Unterab¬schnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses als auch im gerichtlichen Verfahren im Sinne des Teils 4 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses in weit überdurchschnitt¬lichem Maße tätig gewesen. Bis zur Anklageerhebung waren insgesamt fünf Besuche der Verteidigerin in der JVA veranlasst, wobei die reine Besuchsdauer zwischen 30 Minuten und zwei Stun¬den 25 Minuten betrug. Diese Anzahl der Haftbesuche geht über das Normalmaß weit hinaus (zur Gewährung einer Pauschgebühr für das Vorverfahren, wenn meh¬rere Haftbesuche angezeigt waren vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. August 2005, 1 AR 36/05), so dass die gesetzlichen Gebühren unzumutbar" im Sinne des § 51 RVG sind. Aber auch die Tätigkeit der Verteidigerin im gerichtlichen Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung war bei weitem überdurchschnittlich. Zwischen den Hauptver¬handlungsterminen waren wiederum mehrere Gespräche mit dem ehemaligen Ange¬klagten in der JVA angezeigt, um seine Einlassungen sowie das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zu besprechen. Diese Tätigkeiten der Verteidigerin sind mit den gesetzlichen Gebühren nicht ausreichend abgegolten und unzumutbar" im Sinne des § 51 RVG. Die Bemessung der Höhe der Pauschgebühr orientiert sich grundsätzlich an den ge¬setzlichen Gebühren eines Wahlverteidigers. Zwar ist die Pauschgebühr der Höhe nach nicht beschränkt und darf grundsätzlich auch die gesetzlichen Rahmenhöchst¬gebühren des Vergütungsverzeichnisses überschreiten, allerdings hat die Höchstge¬bühr eines Wahlverteidigers in der Vergangenheit in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in der Regel die obere Grenze gebildet. Überschritten wurde diese Grenze nur in Sonderfällen und zwar dann, wenn auch die Wahlverteidigerhöchstge¬bühr in einem grob unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme des Pflicht¬verteidigers gestanden hätte oder wenn die Strafsache über einen längeren Zeitraum die Arbeitskraft des Verteidigers ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat, was zum Beispiel bei außergewöhnlich umfangreichen und schwie¬rigen Strafsachen angenommen wurde ( vgl. OLG Hamm, StraFo 1998, 215 = JurBüro 1998, 415 für ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren). Um einen sol¬chen Sonderfall handelt es sich hier jedenfalls nicht. Die Wahlverteidigerhöchstgebühr beträgt für das vorbereitende Verfahren (Verfah¬rensgebühr mit Zuschlag Nr. 4105) 312,50 EURO. Der Senat hält diese Gebühr im vorliegenden Fall nach Abwägung aller Umstände für angemessen und ausreichend. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr Nr. 4113 W RVG hält der Senat einen Betrag in Höhe von 250,00 EURO für angemessen und ausreichend. Die Festsetzung der auf die bewilligte Pauschgebühr entfallenden gesetzlichen Mehrwertsteuer obliegt, wie die Festsetzung der Gebühren insgesamt, auch nach der gesetzlichen Neuregelung durch das RVG, dem Kostenbeamten des erstinstanzli¬chen Gerichts. |
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