Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 458/15 OLG Hamm |
Leitsatz: Ein Strafgefangener, der nicht körperlich arbeitet und keinen Sport treibt, hat grds. keinen Anspruch auf tägliches Duschen. Die Möglichkeit, zweimal pro Woche zu duschen, ist - bei Vorhandensein einer anderweitigen Waschmöglichkeit in seinem Haftraum - grds. ausreichend. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Duschen, Strafvollzug |
Normen: StVollzG 43 |
Beschluss: Strafvollzugssache In pp. hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 10.11.2015 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG). Gründe I. Die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Düsseldorf hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Betroffenen, die JVA E zu verpflichten, ihm tägliches Duschen, hilfsweise Duschen in zweitägigem Abstand, zu gestatten, als unbegründet zurückgewiesen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss können Strafgefangene in dieser Justizvollzugsanstalt grundsätzlich zweimal in der Woche duschen. Gefangene, die schweißtreibende körperliche Arbeit ausüben, können täglich duschen. Auch unbeschäftigte Gefangene können nach jeder Sportteilnahme duschen. Der Betroffene ist unbeschäftigt und gehört keiner Sportgruppe an. Die Hafträume sind mit modernen Nasszellen ausgestattet. Den Antrag des Betroffenen auf Zulassung täglichen Duschens hat die JVA E abgelehnt. Sie meint, tägliches Duschen sei, sofern keiner körperlichen Arbeit nachgegangen werde, nicht notwendig. Die Strafvollstreckungskammer hat § 56 StVollzG als Prüfungsmaßstab herangezogen und ist der Auffassung gewesen, dass die Ablehnung zu Recht erfolgt sei, weil der Körperhygiene durch die Waschmöglichkeit in der Nasszelle hinreichend Rechnung getragen werden könne. Der Betroffene macht mit seiner Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend, da auch er täglich Sport treibe und deswegen auch täglich duschen müsse. Bei hohen Sommertemperaturen sei es menschenunwürdig, nicht täglich duschen zu dürfen. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hält die Rechtsbeschwerde in Ermangelung eines Zulassungsgrundes für unzulässig. II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 116 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da es jedenfalls zum neuen Landesrecht (StVollzG NRW) noch keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der aufgeworfenen Thematik gibt. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Der Senat hat insoweit auch von Amts wegen geprüft, ob ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung als Verfahrensvoraussetzung vorlag. Zwar lässt sich anhand der vorgelegten Akten nicht genau feststellen, wann dem Betroffenen gegenüber seitens der Justizvollzugsanstalt sein Antrag auf tägliches Duschen abgelehnt worden ist. Insoweit geht der Senat von einer mündlichen Ablehnung aus, da sich in den Akten keinerlei Hinweis auf eine schriftliche Bescheidung findet und diese in einer solchen Angelegenheit auch ungewöhnlich wäre. Damit ist die Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG nicht in Gang gesetzt. Die in diesen Fällen geltende Jahresfrist analog § 113 Abs. 3 StVollzG (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 112 Rdn. 2) kann zum Zeitpunkt der Antragstellung (Eingang des Antrags: 29.06.2015) noch nicht abgelaufen gewesen sei, da der Betroffene der JVA E erst am 10.07.2014 zugeführt worden ist. III. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Betroffene dringt mit der - der Sache nach - allein erhobenen Sachrüge nicht durch. 1. Der Betroffene hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf tägliches Duschen (Hauptantrag). a) Das StVollzG NRW, welches seit dem 27.01.2015 gilt, enthält keine konkrete Regelung zu einem täglichen Duschen. b) Ein Anspruch auf tägliches Duschen ergibt sich auch nicht aus § 43 Abs. 1 S. 1 StVollzG NRW. Danach ist für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Gefangenen zu sorgen. Es ist aber nichts dazu festgestellt und nichts dafür erkennbar, dass das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen ohne tägliches Duschen, unter den gegebenen Umständen (Duschen zweimal in der Woche, daneben Möglichkeit des normalen Waschens in der Nasszelle) leidet. Es kann auch nicht als allgemeinkundig angesehen werden, dass tägliches Duschen für das körperliche Wohlbefinden (bei den geschilderten Alternativmöglichkeiten der Körperpflege) notwendig wäre. So finden sich vielmehr in der Tagespresse immer wieder Warnungen von Dermatologen vor zu viel Duschen. Zwei bis dreimaliges Duschen pro Woche sei ausreichend (vgl. u.a. www.sueddeutsche.de/wissen/2.220/dermatologen-warnen-zuviel-waschen-ist-ungesund-1.603741 - vom 17.05.2010; http://www.merkur.de/leben/gesundheit/duschen-schadet-haut-hautaerzte-warnen-haeufigem-duschen-zr-3685210.html - vom 08.07.2014). Auch dafür, dass das seelische oder geistige Wohlergehen des Betroffenen bei nicht täglichem Duschen leidet, dass sich also sein psychischer Zustand verschlechtert oder eine Verbesserung nicht eintritt, ist nichts festgestellt. Es mag zwar sein, dass dadurch, dass die Körperpflege durch eine normale Waschung umständlicher ist und eventuell ein geringeres Wohlgefühl bereitet, das soziale Wohlergehen des Betroffenen vermindert wird. In der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber aber ausdrücklich ausgeführt, dass der vom ihm zu Grunde gelegte weite Gesundheitsbegriff nicht dahin missverstanden werden dürfe, dass nur der optimale Zustand jedes Einzelelements zu dem Ergebnis "Gesundheit" führe. Das soziale Wohlergehen sei allein schon durch den Umstand der Inhaftierung beeinträchtigt (LT-Drs. 16/5413 S. 122). Der Umstand, an fünf Tagen in der Woche bei der Körperpflege auf eine normale Körperwaschung ausweichen zu müssen, ist aber gegenüber der Inhaftierung als solcher von so geringem zusätzlichen Gewicht, dass allein hierdurch das soziale Wohlergehen nicht wesentlich beeinträchtigt ist. c) Lässt sich ein rechtlich gebundener Anspruch auf ein tägliches Duschen mithin dem Gesetz nicht entnehmen, so kann allenfalls ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bestehen (vgl. § 115 Abs. 5 StVollzG) und nur im Falle einer Ermessensreduktion auf null ein Anspruch auf das Begehrte. Die Entscheidung ist aber nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere hat die Justizvollzugsanstalt nicht etwa die Grenzen ihres Ermessens überschritten, weil diese durch in § 2 Abs. 1 StVollzG NRW normierten Angleichungsgrundsatz bzgl. der Frage des Duschens enger gezogen sein könnten. § 2 Abs. 1 StVollzG NRW bestimmt, dass das Leben im Vollzug der Freiheitsstrafe soweit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden soll. Was die allgemeinen Lebensverhältnisse sind, definiert weder das Gesetz selbst noch lässt sich dies der Gesetzesbegründung entnehmen. Die Wortbedeutung "allgemein" wird als "allen gemeinsam", "von allen", "für alle", "überall verbreitet", "bei allen", "gemeinsam", "alle Bereiche betreffend" umschrieben (Duden, www.duden.de/rechtschreibung/allgemein). Danach können "allgemeine" Lebensverhältnisse also nur solche sein, die von der Gesamtbevölkerung oder jedenfalls dem ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung geteilt werden. "Allgemein" sind danach solche Lebensverhältnisse noch nicht, die lediglich von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt werden. Der Senat versteht darunter im Hinblick auf die oben genannte Wortbedeutung Lebensverhältnisse, die einer gesamtgesellschaftlich anerkannten Norm entsprechen (OLG Hamm, Beschl. v. 14.08.2014 - III - 1 Vollz(Ws) 365/14 - [...]). Die gesellschaftliche Norm, das vermag der Senat auch ohne statistischen Nachweis als allgemeinkundig vorauszusetzen, ist eine mindestens tägliche Körperpflege, die auf unterschiedliche Weise, etwa durch Waschen am Waschbecken, durch Baden oder auch durch Duschen vollzogen werden kann (wobei im Falle der regelmäßigen Körperpflege durch Waschen am Waschbecken ein gelegentliches Duschen oder Baden als Ergänzung hinzutreten dürfte). Ein gesellschaftliche Norm dahin, dass die tägliche Körperpflege jeweils immer durch Duschen vorzunehmen ist, lässt sich hingegen nicht feststellen. Nach allgemein zugänglichen Informationen duschten im Jahr 2006 (http://de.statista.com/statistik/daten/studie/36517/umfrage/anteil-der-befragten-die-mindestens-taeglich-einmal-duschen-in-2001-und-2006/) bzw. im Jahre 2010 (vgl. oben www.sueddeutsche.de) nur etwa zwei Drittel der Bundesbürger täglich. Es gibt auch nicht wenige Menschen in Lebensverhältnissen, in denen ein tägliches Duschen nicht üblich ist, ohne dass dies als Verstoß gegen eine gesellschaftliche Norm angesehen würde, etwa bei pflegebedürftigen Menschen. Die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt ist auch nicht deswegen ermessensfehlerhaft, weil sie Grundrechte verletzt. Soweit der Betroffene meint, dass jedenfalls die Verweigerung täglichen Duschens im Sommer menschenunwürdig sei (Art. 1 Abs. 1 GG), kann der Senat dem angesichts der bestehenden Duschmöglichkeiten und der alternativen Körperreinigungsmöglichkeiten im Hinblick auf die obigen Ausführungen nicht folgen. Die Entscheidung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, etwa weil anderen Gefangenengruppen tägliches Duschen ermöglicht wird. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nur die Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund. Aufgrund der bei körperlicher Arbeit und beim Sport erhöhten Schweißbildung liegt aber ein sachlicher Grund vor, Gefangenen die sich entsprechend betätigen auch entsprechend erweiterte Körperreinigungsmöglichkeiten einzuräumen. Dass der Betroffene, wie er mit der Rechtsbeschwerde vorträgt, selbst Sport treibt, ist im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt. Dessen Feststellungen sind aber für den Senat im Rahmen der Überprüfung auf die Sachrüge hin maßgebend. 2. Der Betroffene hat auch keinen Anspruch auf Duschen in zweitägigem Abstand (Hilfsantrag). Es gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Insbesondere ist den allgemeinen Lebensverhältnissen in dem o.g. Sinne durch die Möglichkeit des täglichen Waschens in der eigenen Nasszelle, ergänzt durch die Möglichkeit des zweimal wöchentlichen Duschens hinreichend genügt. |
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