Aktenzeichen: 4 RBs 292/15 OLG Hamm |
Leitsatz: 1. Der Begriff der (unerlaubten) "Erfassung" i.S.v. §§ 9 Abs. 1 und 9, 23 Abs. 1 Nr. 7a ElektroG a.F. beinhaltet jedenfalls die gewerbliche oder in gewerblichem Umfang stattfindende Sammlung von Altgeräten durch Nichtberechtigte. 2. § 3 Nr. 22 ElektroG i.d.F. v. 20.10.2015 definiert nunmehr ausdrücklich den Begriff der "Erfassung" dahingehend, dass er die Sammlung und die Rücknahme von Altgeräten umfasst. |
Senat: 4 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Sammlung, Altgeräte, Elektroschrott |
Normen: ElektroG 9; ElektroG 23 |
Beschluss: Bußgeldsache In pp. hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 08.12.2015 beschlossen: Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters). Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen mit Ausnahme der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die aufrechterhalten bleiben - aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels an das Amtsgericht Coesfeld zurückverwiesen. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen. Gründe I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 400 Euro wegen unzulässiger Sammlung von Elektroschrott festgesetzt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 21.05.2014 gegen 10:55 Uhr mit seinem Lieferwagen mit dem amtlichen Kennzeichen #-## ### in Schrittgeschwindigkeit die Straße C-Straße in M. Dabei spielte der Betroffene eine typische Schrottsammlermelodie ab. Der Betroffene wurde von Beamten der Kreispolizeibehörde D angehalten und überprüft. In seinem Fahrzeug befanden sich neben anderen Schrottteilen auch Elektrogeräte in Form einer Waschmaschine und eines Vertikutierers. Der Betroffene konnte kein Schriftstück vorweisen, welches ihm als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, Vertreiber oder Hersteller von Elektrogeräten auswies. Das Amtsgericht hat darin einen bußgeldbewehrten Verstoß nach §§ 9 Abs. 1 und 9, 23 Abs. 1 Nr. 7a ElektroG gesehen. Von dem weiteren Vorwurf des gewerblichen Sammelns von Altmetallen ohne vorherige Anzeige gem. § 18 KrWG hat es ihn freigesprochen. Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde soweit er verurteilt wurde und beantragt die Aufhebung der Entscheidung und seinen Freispruch. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Im Einzelnen rügt er, dass das Amtsgericht die Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) nicht angegeben habe. Insbesondere habe das Amtsgericht rechtsfehlerhaft ein Erfassen im Sinne von § 9 ElektroG mit einem Sammeln gleichgesetzt. Erfassen sei aber kein Synonym für Sammeln. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Zur Begründung hat sie lediglich ausgeführt, dass die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen lasse, die Feststellungen den Schuldspruch trügen und die Erwägungen zur Bußgeldbemessung ebenfalls keine den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler aufwiesen. II. Durch Entscheidung des Berichterstatters (Richter am Oberlandesgericht Dr. Q) als Einzelrichter wird die Sache nach § 80a Abs. 3 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Zur Frage der Auslegung des Begriffs Erfassung i.S.v. §§ 23 Abs. 1 Nr. 7a, 9 Abs. 9 ElektroG a.F. (d.h. vor Inkrafttreten der Neufassung vom 22.10.2015) existiert soweit ersichtlich noch keine obergerichtliche Rechtsprechung. III. Die zulässige Rechtsbeschwerde führt (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG). 1.Das angefochtene Urteil weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf, da es die Schuldform hinsichtlich der verwirklichten Tat weder im Tenor benennt, noch diese aus den Urteilsgründen erkennbar wird. Die vom Tatrichter zu Grunde gelegte Schuldform muss aber erkennbar sein, wenn wie hier der Bußgeldtatbestand sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verwirklicht werden kann (OLG Hamm, Beschl. v. 14.02.2000 2 Ss OWi 1258/99 juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.11.1989 5 Ss (OWi) 439/89 juris). Da insoweit ergänzende Feststellungen möglich sind, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (die allerdings für eine Verurteilung des Betroffenen ebenfalls noch nicht ausreichend sind, s.u.) konnten demgegenüber aufrechterhalten bleiben. 2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde mit dem Ziel des Freispruchs des Betroffenen durch den Senat hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Begriff der Erfassung i.S.v. §§ 23 Abs. 1 Nr. 7a, 9 Abs. 9 ElektroG a.F. nicht verkannt. und den objektiven Tatbestand der Bußgeldnorm als erfüllt angesehen. Während § 3 Nr. 22 ElektroG i.d.F. v. 20.10.2015 nunmehr den Begriff der Erfassung dahingehend definiert, dass er die Sammlung und die Rücknahme von Altgeräten (§ 3 Abs. 3 ElektroG a.F.) umfasst, enthält das hier zeitlich (§ 4 OWiG, der entsprechende Bußgeldtatbestand findet sich nunmehr in § 45 ElektroG i.V.m. § 12 ElektroG n.F.) anwendbare ElektroG i.d.F. vom 03.05.2013 eine solche Definition nicht. Auch aus den Gesetzesmaterialien zum ElektroG a.F. sowie aus der Richtlinie 2002/96/EG (ABl. EU L 37, 14 vom 13.02.2003) lässt sich eine Definition dieses Begriffs nicht entnehmen. Die Definition in § 3 Nr. 22 ElektroG n.F. lässt sich schon allein aufgrund der zeitlichen Abfolge nicht zur Auslegung des Begriffs der Erfassung zum Tatzeitpunkt heranziehen. Gleichwohl geht das Amtsgericht zu Recht davon aus, dass das bußgeldbewehrte Verhalten einer Erfassung, die entgegen § 9 Abs. 9 S. 1 ElektroG erfolgt, durch eine Sammlung erfüllt wird. Der Wortlaut Erfassung lässt sich in dem vorliegenden Zusammenhang, worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist, im Sinne eines Registrierens verstehen. Er umfasst aber auch die Bedeutung des Ergreifens, welcher der Auslegung, dass auch ein Sammeln darunter gefasst werden kann, nicht entgegensteht, denn um etwas zu sammeln muss man es typischerweise ergreifen. Weiterführender ist jedoch die systematische Auslegung. Bereits § 9 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 1 ElektroG gibt einen starken Hinweis darauf, dass unter Erfassung auch die Sammlung von Altgeräten zu verstehen ist (im Ergebnis auch: Steindorf/Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. EL, § 9 ElektroG Rdn. 2). Diese Vorschrift gebietet nämlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, dass sie private Haushalte (1) über die Pflicht nach Absatz 1, also die Pflicht, Altgeräte einer vom unsortierten Siedlungsabfall getrennten Erfassung zuzuführen, und (2) über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Rückgabe oder Sammlung von Altgeräten. Die Informationspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers soll also, das zeigen auch die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 15/3930 S. 25), dazu dienen, dass private Haushalte als Besitzer von Altgeräten leichter ermessen können, wie sie diese einer Erfassung zuführen können eben durch Rückgabe oder Sammlung (vgl. auch: Steindorf/Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. EL, § 9 ElektroG Rdn. 2). Das korrespondiert mit dem in § 9 Abs. 3 ElektroG a.F. geregelten Entsorgungssystem, wonach die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entweder Sammelstellen einrichten, an denen Altgeräte aus privaten Haushalten von Endnutzern und Vertreibern angeliefert werden können (Bringsystem), oder diese die Altgeräte bei den privaten Haushalten abholen (Holsystem). Ganz wesentlich ist schließlich, dass die Gesetzesüberschrift zu § 9 ElektroG a.F. selbst lautet Getrennte Sammlung. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber hier selbst eine weitgehende Deckungsgleichheit von Erfassung und Sammlung angenommen hat. Dafür, die Sammlung von Altgeräten unter den Begriff der Erfassung zu subsumieren spricht schließlich auch, dass das ElektroG der Umsetzung der o.g. Richtlinie 2002/96/EG diente (BT-Drs. 15/3930 S. 1). Ein wesentlicher Eckpunkt dieser Richtlinie (vgl. deren Art. 5) war aber die getrennte Sammlung von Elektroaltgeräten (BT-Drs. 15/3930 S. 1). Demnach verstößt gegen den Bußgeldtatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 7a ElektroG, wer, (1) ohne öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, Vertreiber oder Hersteller oder von diesen beauftragt zu sein (§§ 9 Abs. 9 S. 2, 20 ElektroG, 22 KrWG) zu sein, Altgeräte sammelt oder sich zurückgeben lässt oder (2) bei einer Sammlung oder Rücknahme zwar eine dieser Eigenschaften aufweist, aber die Sammlung oder Rücknahme nicht so durchführt, dass eine spätere Wiederverwendung, Demontage und Verwertung nicht behindert werden. Sammelt (i.S. eines Zusammentragens, Einsammelns, vgl. § 3 Abs. 15 KrWG) jemand Altgeräte ein, so ist eine solche Sammlung jedenfalls dann verbotswidrig, wenn er hierbei gewerblich bzw. in einem gewerblichen Umfang handelt. Er kann sich auch nicht erfolgreich wie offenbar die Rechtsbeschwerde meint darauf berufen, er habe die eingesammelten Altgeräte zu einer Sammelstelle bringen wollen, habe also nicht selbst erfasst sondern nur den Transport zur Erfassung vorgenommen. Denn eine Entgegennahme von Altgeräten an den Sammelstellen erfolgt nur bei Altgeräten aus privaten Haushalten von Endnutzern und Vertreibern. Die Letztgenannten Eigenschaften wären dann aber in der beschriebenen Konstellation nicht gegeben. Der gewerbliche oder gewerbsähnliche Sammler ist weder der Endnutzer eines Gerätes aus einem Privathaushalt noch der Vertreiber. Ob auch eine nicht gewerbliche Erfassung/Sammlung von Altgeräten verbotswidrig ist, kann der Senat angesichts der Umstände des vorliegenden Falls dahinstehen lassen. Er neigt aber zu der Auffassung, dass jedenfalls private Sammlungen in kleinerem Rahmen aus Gefälligkeit (etwa wenn eine Person aus einer Haugemeinschaft neben eigenen Altgeräten auch solche anderer Mitglieder der Hausgemeinschaft zur Sammelstelle verbringt) nicht bußgeldbewehrt sind. Der Gesetzeszweck wird hier eher erleichtert (indem tatsächlich die gewollte getrennte Erfassung erfolgt) und nicht erschwert (wie dies bei einer Sammlung durch einen nicht zugelassenen Betrieb der Fall sein könnte, etwa weil gewerblicher Sammler aus Gründen der Gewinnmaximierung geneigt sein könnte, nach Ausschlachten des Altgeräts die nicht verwertbaren Teile in verbotener Art und Weise zu entsorgen). Bzgl. der Frage, ob der Betroffene im konkreten Fall eine Sammlung von Altgeräten vorgenommen hat, ist die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil allerdings lückenhaft. Sie verhält sich an keiner Stelle dazu, woraus sich ergibt, dass der Betroffene die auf seinem LKW vorgefundenen Altgeräte gesammelt hat. Den äußerst naheliegenden Schluss von den mitgeteilten Umständen (langsame Fahrt durch ein Wohngebiet mit typischer Schrotthändlermelodie, typische von Privathaushalten abgegebene Altgeräte auf dem LKW, LKW-Aufschrift Schrottabholung) hat das Amtsgericht entweder nicht gezogen oder aber jedenfalls nicht in den Urteilsgründen mitgeteilt. Er kann vom Senat als reiner Rechtsbeschwerdeinstanz auch nicht nachgeholt werden. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es nach dem Bußgeldtatbestand nicht ausreichend ist, wenn der Betroffene lediglich seine Berechtigung zur Erfassung von Altgeräten nicht durch ein Schriftstück nachweisen kann (s.o.). Anmerkung: Der Betroffene hat Anhörungsrüge erhoben und Verfassungsbeschwerde eingelegt. Über beide Rechtsbehelfe ist bislang noch nicht entschieden. |
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