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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 435 und 465/15 OLG Hamm

Leitsatz: 1.Zuständig für die zum Entlassungszeitpunkt gemäß § 68f Abs. 2 StGB von Amts wegen zu treffende Entscheidung, ob die nach § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht ausnahmsweise entfällt sowie für die nach §§ 68 a-c StGB zu treffenden Entscheidungen ist gemäß §§ 463 Abs. 7, 462a Abs. 1 StPO i.V.m. § 54a Abs. 2 StVollstrO die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der Verurteilte drei Monate vor Vollzugsende einsitzt und zwar unabhängig davon, ob ihr die Akten vorgelegt wurden oder nicht.
2. Bei Nacheinandervollstreckung von mehreren Freiheitsstrafen ist dabei maßgeblich auf die tatsächliche Entlassung aus der letzten Strafe abzustellen.

Senat: 3

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Entfallen, Führungsaufsicht, örtliche Zuständigkeit, Strafvollstreckungskammer

Normen: StGB 68f StGB; StPO 463; StPO 462a

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.12.2015 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Höxter hat den Beschwerdeführer am 20. November 2007 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 4 Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung vom 19. Juni 2007 (Az.: 8 Ls 221 Js 295/07 – 56/07 jug.) zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Nach Verbüßung eines Teils dieser Strafe hat das Amtsgericht Herford den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 22. Januar 2009 mit Wirkung zum 24. Februar 2009 bedingt aus der Haft entlassen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 17. Dezember 2013 hat das Amtsgericht Brakel die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Höxter (gemeint: aus dem Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 22. Januar 2009) wegen erneuter Strafffälligkeit widerrufen.

Mit Beschluss vom 28. Juli 2014 hat das Amtsgericht Herford angeordnet, dass die Restjugendstrafe aus der o.g. Verurteilung nach den Vorschriften über den Strafvollzug für Erwachsene zu vollziehen ist und die weitere Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft Paderborn abgegeben.

Die Reststrafe in dieser Sache verbüßte der Verurteilte ab dem 3. Juli 2014 zunächst in der Justizvollzugsanstalt C und ab dem 19. September 2014 in der Justizvollzugsanstalt X. Nach Vollverbüßung ist der Beschwerdeführer am 3. April 2015 in dieser Sache entlassen worden. Er verblieb jedoch in anderer Sache, bei der das Strafzeitende auf den 3. September 2015 notiert war, in Haft. Nach der am 22. Juni 2015 erfolgten Rückverlegung in die Justizvollzugsanstalt C ist der Beschwerdeführer am 28. August 2015 auch in der anderen Sache aus der Haft entlassen worden.

Mit Verfügung vom 4. Mai 2015 forderte die Staatsanwaltschaft Paderborn eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt X im Hinblick auf die Entscheidung nach § 68f Abs. 2 StGB an. Nach Eingang der entsprechenden Stellungnahme übersandte die Staatsanwaltschaft Paderborn das Vollstreckungsheft mit Verfügung vom 26. Juni 2015 an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Arnsberg, wo es am 3. Juli 2015 einging. Am 2. September 2015, dem Tag der beabsichtigten Anhörung des Beschwerdeführers in der Justizvollzugsanstalt X, erfuhr die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg von Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalt, dass der Verurteilte bereits am 22. Juni 2015 in die Justizvollzugsanstalt C verlegt worden war. Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Eingangs des Vollstreckungsheftes beim Landgericht Arnsberg vertrat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg die Auffassung, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld für die Entscheidung zuständig sei und übersandte das Vollstreckungsheft zurück an die Staatsanwaltschaft Paderborn. Diese übersandte das Vollstreckungsheft anschließend mit Verfügung vom 4. September 2015 an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Bielefeld.

Mit der angefochtenen Entscheidung vom 16. Oktober 2015 hat die 19. Strafvoll-streckungskammer des Landgerichts Bielefeld beschlossen, dass die kraft Gesetzes eingetretene Führungsaufsicht nicht entfällt, die Höchstdauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre abgekürzt und dem Beschwerdeführer Weisungen erteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen ihm am 21. Oktober 2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner per Telefax seines Verteidigers eingelegten sofortigen Beschwerde vom 27. Oktober 2015.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet, weil die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld für die Entscheidung, ob die nach § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht ausnahmsweise entfällt, örtlich nicht zuständig war. Zuständig für die Entscheidung über das Entfallen bzw. Nichtentfallen der Führungsaufsicht gem. § 68f Abs. 2 StGB ist die für die Justizvollzugsanstalt X zuständige Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Arnsberg.

Zuständig für die zum Entlassungszeitpunkt gemäß § 68f Abs. 2 StGB von Amts wegen zu treffende Entscheidung, ob die nach § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht ausnahmsweise entfällt sowie für die nach §§ 68 a-c StGB zu treffenden Entscheidungen ist aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Amtsgerichts Herford vom 28. Juli 2014, in dem angeordnet wurde, dass die Restjugendstrafe nach den Vorschriften über den Strafvollzug für Erwachsene zu vollziehen ist und die weitere Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft Paderborn abgegeben worden war, gemäß §§ 463 Abs. 7, 462a Abs. 1 StPO i.V.m. § 54a Abs. 2 StVollstrO die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der Verurteilte drei Monate vor Vollzugsende einsitzt und zwar unabhängig davon, ob ihr die Akten vorgelegt wurden oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 2 ARs 167/12 –, NStZ-RR 2013, 59, 60; Fischer, StGB, 62. Auflage, § 68f, Rdnr. 10). Bei Nacheinandervoll-streckung von mehreren Freiheitsstrafen ist dabei maßgeblich auf die tatsächliche Entlassung aus der letzten Strafe abzustellen (vgl. Fischer a.a.O.).

Nach der im Vollstreckungsheft enthaltenen Vollstreckungsübersicht war das berechnete Strafzeitende und damit die tatsächliche Entlassung aus der letzten zu verbüßenden Strafe auf den 3. September 2015 notiert. Mit der Entscheidung über das Entfallen der Führungsaufsicht war die Strafvollzugskammer aus den o.g. Gründen im Hinblick auf § 54a Abs. 2 StVollstrO 3 Monate vor Vollzugsende, hier also am 3. Juni 2015 im Sinne von § 462a Abs. 1 StPO mit der Sache befasst. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Strafe noch in der Justizvollzugsanstalt X vollstreckt, so dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg für die Entscheidung zuständig ist.

Eine eigene Sachentscheidung nach § 309 Abs. 2 StPO an Stelle des unzuständigen Gerichts ist dem Senat verwehrt, da er nicht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Landgerichts Arnsberg zu befinden hat (vgl. Zabeck in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 309 Rdnr. 10). Die Akten sind über die Staatsanwaltschaft der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vorzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.



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