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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 254/15 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Im Fall der Ablehnung aller Behandlungsangebote der Vollzugsanstalt durch den Betroffenen unabhängig von der Art der Angebote (etwa wegen der angeblicher Verurteilung als Unschuldiger) reduzieren sich die Begründungsanforderungen im Rahmen der Beschlussfassung gemäß § 119 a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG.
2. Verweigert ein Betroffener jegliche Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen und Behandlungsangeboten der Vollzugsanstalt unabhängig von etwaigen Erwägungen zur Qualität bzw. Geeignetheit der Angebote, so sind für diesen Zeitraum die gesetzlich vorgesehenen Versuche, eine grundsätzliche Behandlungsmotivation überhaupt herzustellen, in der Regel als ein dem § 66 c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechendes Angebot anzusehen, ohne dass es einer näheren Darlegung der spezifischen Behandlungskonzepte der Vollzugsanstalt und deren sachverständiger Überprüfung im Verfahren gemäß § 119 a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG bedarf.

Senat: 1

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Behandlungsangebote, Ablehnung

Normen: StGB 66c; StVollzG 119A

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 01.12.2015 beschlossen:
Die Beschwerde wird aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO).

Gründe

Zusatz:
Die Dauer des vom Gericht zu überprüfenden Zeitraums ist in § 119a Abs. 3 S. 1 StVollzG grundsätzlich zwingend mit zwei Jahren festgesetzt und kann, wie sich aus § 119a Abs. 3 S. 2 StVollzG ergibt, allenfalls verlängert, aber nicht abgekürzt werden. Da das Verfahren nach § 119a Abs. 1, Abs. 3 StVollzG nicht unmittelbar eine Entlassung des Untergebrachten, bzw. eine Entscheidung hierüber, zum Ziel hat, sondern es nur um die (verbindliche - § 119a Abs. 7 StVollzG -) Feststellung einer ausreichenden Betreuung in einem bestimmten Vollzugszeitraum bzw. um die Feststellung einer nicht ausreichenden Betreuung in Verbindung mit der Festsetzung erforderlicher Betreuungsmaßnahmen geht, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung tatsächlich erst gegen Ende des jeweiligen Überprüfungszeitraums trifft (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 25.08.2015, III - 1 Vollz (Ws) 175/15). Soweit der angefochtene Beschluss wesentliche Teile des ersten Zweijahreszeitraums, der gem. §§ 119a Abs. 3 StVollzG, 316f Abs. 3 EGStGB erst am 01.06.2015 endete, nicht abgedeckt hat, hat der Senat insoweit die erforderliche Aufklärung selbst vornehmen können und vorgenommen, da er als Beschwerdegericht umfassend in der Sache selbst entscheidet (§§ 120 Abs. 1 StVollzG, 309, 308 StPO). Hieraus ergibt sich auch, dass der Betroffene durch eine wie vorliegend vor Ablauf des gesetzlich vorgesehenen Prüfungszeitraums erfolgte Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nicht beschwert ist.

Der Senat hat zudem das Konzept "eines behandlungsorientierten Strafvollzuges für Strafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt X" (Stand November 2014) zur Kenntnis genommen. Ferner hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme der Vollzugseinrichtung zum bisherigen Behandlungsverlauf eingeholt.

Nach den weiteren Erkenntnissen, die der Senat aus der Stellungnahme der Leiterin der JVA X vom 01.10.2015 gewonnen hat, sind mit dem Betroffenen in dem Überprüfungszeitraum bis zum 31.05.2015 weiterhin regelmäßig Motivationsgespräche geführt worden. Am 12.03.2015 kam es zu einer Vollzugsplanfortschreibung, bei der die folgenden, inhaltlich mit dem letzten Vollzugsplan aus Juli 2014 übereinstimmenden, Behandlungsziele und -maßnahmen festgelegt wurden:

"Behandlungsziele:
1. Entwicklung von angemessenen Beziehungen zum Behandlungsteam
2. Erhöhung der selbstkritischen Distanz
3. Motivation zur Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen
4. Verringerung der Diskrepanz von Selbst- und Fremdbild
5. Erhöhung der Frustrationstoleranz
6. Einbindung in das Abteilungsgeschehen
7. Stützung und Erhalt des sozialen Empfangsraumes

Maßnahmen zur Umsetzung:
1. - 4. und 6. monatliche Motivationsgespräche
5. Verhalten positiv bzw. negativ verstärken, Teilnahme Skills- oder R&R-Gruppe (wenn Motivation vorhanden)
7. Teilnahme Regelbesuch, jährliche Ausführungen (wenn die weitere Eignung festgestellt werden kann)".
Eine psychotherapeutische Behandlung, mithilfe derer individuelle Risikofaktoren erarbeitet werden, die zur Anlasstat geführt haben, und die Bearbeitung der Anlasstat wurden (erneut) als entbehrlich angesehen, da der Betroffene die Anlasstat leugnet. Inwieweit eine psychotherapeutische Behandlung zur Schaffung einer Behandlungsmotivation sinnvoll ist, soll nach dem Vollzugsplan mit dem Insassen im Fortschreibungszeitraum reflektiert werden. Hinweise auf psychopathologische Auffälligkeiten hätten sich nicht ergeben, so dass eine psychiatrische Behandlung weiterhin entbehrlich erschien.

Nach der ergänzenden Stellungnahme habe der Betroffene das Einweisungsverfahren in der Justizvollzugsanstalt I regelhaft durchlaufen und sei bei Einweisung in die JVA X einer den Richtlinien für das Einweisungsverfahren entsprechenden Behandlungsuntersuchung unterzogen worden. Sowohl im ersten Vollzugsplan als auch bei den jährlichen Vollzugsplanfortschreibungen seien die Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung einer Prüfung und gegebenenfalls einer Modifizierung unterzogen worden. Diese regelmäßige Erhebung des psychodiagnostischen Ist-Zustandes und der Abgleich mit vorherigen Einschätzungen sei auf der Motivations- und Behandlungsabteilung für Strafgefangene mit anschließender oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung (MoBASS) - auf der sich auch der Betroffene befindet - in halbjährlichem Abstand seit Januar 2014 erfolgt. Bei dem Betroffenen habe zu keinem Zeitpunkt der Behandlungsuntersuchungen Anlass bestanden, von der ursprünglichen Diagnostik einer schweren Dissozialität, die sich bereits früh aus einer deutlichen Störung des Sozialverhaltens entwickelt hatte, abzuweichen. Auch das Haft- und Vollzugsverhalten des Betroffenen habe stets die impulsive, wenig frustrationstolerante, zeitweilig aggressive und grenzüberschreitende dissoziale psychische Disposition widergespiegelt. Zu keiner Zeit hätten Hinweise darauf bestanden, dass der Betroffene einer konsiliarpsychiatrischen Behandlung bedürfen könnte. Psycho- und sozialtherapeutische Angebote hätten lange Zeit auf massiven Widerstand des Betroffenen, der das Anlassdelikt lange Zeit geleugnet habe und immer noch leugne, gestoßen. Dieser habe bei sich keinerlei Interventions- und Veränderungsbedarf gesehen.

Auf der Abteilung MoBASS habe der Betroffene regelmäßige Gespräche mit seinem Mentor geführt, in denen er sich um Verhaltensreflexion bemüht habe. Ab März 2015 habe er auf eigenen Wunsch Gespräche mit dem psychologischen Dienst geführt. Diese Gespräche hätten erste Hinweise auf eine potentielle emotionale Erreichbarkeit erkennen lassen, was aber ebenfalls keinen Anlass zur Veränderung der psychodiagnostischen Einschätzung gegeben habe. Allerdings habe der Betroffene eine Behandlungsmotivation entwickelt, weshalb trotz anderslautender Empfehlung der Sachverständigen Dr. Y eine Vermittlung in eine Einzelpsychotherapie versucht worden sei. Bevor der Betroffene jedoch habe vermittelt werden können, habe der Betroffene aus Sicherheitsgründen verlegt werden müssen, da es aufgrund des weiblichen Gegenübers bei den Gesprächen Hinweise darauf gegeben habe, dass die psychologischen Einzelgespräche seine intramurale Gefährlichkeit deutlich gesteigert hatten. Seit dem 07.07.2015 befindet sich der Betroffene daher in der JVA B.

Zur Umsetzung des "Konzeptes eines behandlungsorientierten Strafvollzuges für Strafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt X" teilte die Leiterin der JVA X mit, dass den auf der Abteilung MoBASS Inhaftierten ein festes Behandlungsteam bestehend aus jeweils einer Kraft des psychologischen Dienstes, einer Kraft des Sozialdienstes und einer Mentorin bzw. eines Mentors aus dem allgemeinen Vollzugsdienst zugeordnet sind. Bei der Auswahl der Bediensteten, die auf der Behandlungsabteilung eingesetzt werden, werde verstärkt drauf geachtet, erfahrene und für diese Aufgabe besonders motivierte Bedienstete zu gewinnen. Die Expertise dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden durch Schulungen vertieft. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Dienste auf der Abteilung MoBASS seien vermehrt in verschiedenen standardisierten Behandlungsprogrammen und Gesprächstechniken geschult. Anstellungsvoraussetzung im psychologischen Dienst und Sozialdienst sei ein Studium der jeweiligen Fachrichtung, im Sozialdienst sei zusätzlich eine staatliche Anerkennung erforderlich. Die auf der Abteilung eingesetzten Kräfte verfügten alle über eine Erfahrung von mindestens zehn Jahren im Strafvollzug bzw. im klinischen Bereich. Zudem bestehe eine externe Supervision. Eine gegebenenfalls notwendige psychiatrische Behandlung der Inhaftierten werde durch externe Psychiater gewährleistet.

Der Senat gelangt unter Berücksichtigung dieser ergänzenden Informationen in Übereinstimmung mit der Feststellung der Sachverständigen Dr. Y zu der Bewertung, dass auf der Abteilung MoBASS grundsätzlich - insoweit nunmehr senatsbekannt und mithin bei gleichbleibendem Angebot auch geltend für zukünftige Verfahren - ein plausibles Behandlungskonzept, dass den Vorgaben des § 66c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entspricht, vorgehalten und angeboten wird.

Es ist dementsprechend festzustellen, dass der Betroffene im maßgeblichen Zweijahreszeitraum vom 01.06.2013 bis zum 31.05.2015 eine Betreuung erfahren hat, die vollumfänglich den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Da der Betroffene sowohl das standardisierte Behandlungs- und Betreuungsprogramm auf der Abteilung MoBASS wie auch jegliche Einzeltherapie, die die Aufarbeitung der Tatursachen zum Gegenstand hat, ablehnt, wurde der - auch aus Sicht des Senats - jedenfalls im Moment einzig erfolgversprechende Weg von insoweit unterschwelligen Motivationsgesprächen beschritten. Die Einrichtung hat entsprechend der Begründung des Gesetzentwurfes zum Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung (BT-Drucks. 17/9874 - S.15) eventuell erfolgversprechende Betreuungsangebote gerade nicht mit dem bloßen Hinweis unterlassen, der Betroffene lehne solche Angebote ab. Sie hat gerade den Vorgaben des Bundesverfassungsgericht in seiner dem Gesetz zu Grunde liegenden Entscheidung vom 04.05.2011 (2 BvR 2333/08 u.a.), "fortwährend, also dauerhaft, zu versuchen, den Untergebrachten (doch) zu einer Inanspruchnahme solcher Angebote zu motivieren", entsprechend gehandelt. Angesichts der Tatsache, dass der Verurteilte bislang - zumindest bis März 2015 - jegliche Intervention vehement abgelehnt hat und aufgrund der Tatleugnung auch die Grundvoraussetzung für ein Behandlungskonzept zur Reduzierung der Gefährlichkeit des Betroffenen nicht im Ansatz gegeben ist, bzw. überhaupt auch nur ein Problembewusstsein für die eigene Gefährlichkeit zu erzeugen, verblieb der JVA nur die Möglichkeit, sich auf Motivationsversuche zu beschränken, um überhaupt einen Zugang zu dem Betroffenen zu bekommen.

Der auf Wunsch des Betroffenen durchgeführte Vermittlungsversuch in eine externe Therapie steht dabei nicht in Widerspruch zu der Einschätzung der Sachverständigen Dr. Y, wegen der verfestigten ablehnenden Haltung des Verurteilten sei eine externe Therapie sinnlos. Der gerade auf einer beginnenden Abkehr seiner vehementen Weigerungshaltung gegenüber jeglichem spezifizierten Behandlungsangebot seitens des Vollzugs beruhende "Therapieanbahnungsversuch" ist aufgrund eines konkreten Verdachts auf übergriffiges, Sicherheitsbedenken auslösenden Verhaltens des Verurteilten abgebrochen worden. Dies hat im Grunde die entsprechende Einschätzung der Sachverständigen bestätigt.

Nach alledem bestehen auch keinen Bedenken hinsichtlich der bisherigen Frequenz der monatlichen Mentorengespräche.

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass sich jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in welchem der Gefangene alle spezifizierten Behandlungsangebote im Sinne des § 119a Abs. 1 StVollzG mit der Begründung ablehnt, er benötige diese unabhängig von der Art des Angebotes (hier aufgrund seiner Verurteilung als Unschuldiger) nicht, die Anforderungen, die an den die Feststellung gemäß § 119a StVollzG aussprechenden Beschluss grundsätzlich zu stellen sind, entsprechend reduzieren. Verweigert ein Betroffener kategorisch die Mitwirkung an jeglichen therapeutischen Maßnahmen und Behandlungsangeboten mit außerhalb der angebotenen Betreuung liegenden Gründen, also unabhängig von etwaigen Erwägungen zur Qualität bzw. Geeignetheit der Angebote, so werden für diesen Zeitraum in der Regel die gesetzlich vorgesehenen Versuche, eine grundsätzliche Behandlungsmotivation überhaupt herzustellen, als ein dem § 66 c Abs. 2 i.V.m.

Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechendes Angebot anzusehen sein, ohne dass es einer näheren Darlegung der spezifischen Behandlungskonzepte der Vollzugsanstalt und deren sachverständiger Überprüfung im Verfahren gemäß § 119 a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG bedarf.



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