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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ausl. 168/15 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulässigkeit der Auslieferung zur Strafvollstreckung nach Italien trotz drohender lebenslangen Freiheitsstrafe und trotz vorausgegangener Verurteilung und Strafvollstreckung in Bosnien Herzegowina wegen derselben Tat.

Senat: 2

Gegenstand: Auslieferungssache

Stichworte: Auslieferung, Zulässigkeit, Strafvollstreckung, lebenslange Freiheitsstrafe

Normen: IRG 73; IRG 81; IRG 83

Beschluss:

In pp.
hat der 2. Strafsenat des OLG Hamm am 19.02.106 beschlossen:
1. Die Auslieferung des Verfolgten nach Italien zur Strafverfolgung wegen der ihm in dem Europäischen Haftbefehl des Gerichts in Brescia vom 05. August 2015 (Nr. 2845/93 R.G.N.R. – Nr. 1183/96 R. G.G.I.P.) zur Last gelegten Taten ist zulässig.
2. Die Einwendungen des Verfolgten gegen die Anordnung und den Vollzug der Auslieferungshaft werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Die italienischen Behörden ersuchen auf der Grundlage des Europäischen Haft-befehls des Gerichts in Brescia vom 05. August 2015 (Nr. 2845/93 R.G.N.R. – Nr. 1183/96 R. G.G.I.P.) um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafver-folgung wegen Mordes u.a..

Dem Verfolgten wird zur Last gelegt, am ##. ## 1993 in H W (Bosnien) im Zusammenwirken mit mindestens vier weiteren Tätern, und zwar als sog. Anführer, einen aus Italien kommenden Hilfskonvoi mit Hilfsgütern für die vom Krieg betroffene Zivilbevölkerung überfallen und dabei einen Geländewagen sowie einen Lastkraft-wagen mit Essensgütern, Geld, 10 Millionen Marken und Reinigungsmitteln sowie Arzneimitteln erbeutet zu haben. Die mit dem Hilfstransport befassten Personen (die italienischen Staatsangehörigen M T; N G; A B; Q D sowie Q1 H) seien gegen ihren Willen im Zustand der Widerstandsunfähigkeit sowie unter Waffengewalt zu einem abgelegenen Ort verbracht worden. Auf Veranlassung und unter Mitwirkung des Verfolgten seien dann M T; NG; A B; Q D erschossen worden. A B und Q1 D hätten fliehen können.

Wegen dieser Taten ist der Verfolgte durch das Kantonalgericht Travnik vom 28. Juni 2001 (Nr. K – 1/01) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden. Durch Urteil des Obersten Gerichts der Föderation Bosnien und Herzegowina vom 3. April 2002 ( Kz- 387/01) ist die Strafe auf eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren herabgesetzt worden. Der Verfolgte hat auf der Grundlage dieser Verurteilung in Bosnien-Herzegowina insgesamt 13 Jahre und 4 Monate Haft verbüßt.

Der Verfolgte ist am 26. Oktober 2015 bei seiner Einreise auf dem Flughafen E vorläufig festgenommen worden. Bei seiner Anhörung vor dem zuständigen Gs-Richter des Amtsgerichts Dortmund am 26. Oktober 2015 hat der Verfolgte sich mit seiner vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt. Er hat angegeben, wegen der Taten bereits von einem bosnischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden zu sein. Nach Einlegung von Rechtsmitteln sei die Strafe auf 13 Jahre reduziert worden. Er sei zu Unrecht verurteilt worden und während der Haft in Bosnien hätten die italienischen Strafverfolgungsbehörden schon einmal seine Auslieferung beantragt. Dieses Ersuchen sei von den bosnischen Behörden zurückgewiesen worden. Insgesamt habe er 13 Jahre und 4 Monate in Bosnien in Haft gesessen. Im Februar 2014 sei er entlassen worden. Nach Deutschland sei er gekommen, um seine hier lebende Schwester zu besuchen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 03. November 2015 gegen den Verfolgten die förmliche Auslieferungshaft angeordnet, auf dessen Ausführungen bezüglich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

Dieser förmliche Auslieferungshaftbefehl ist dem Verfolgten am 19. Dezember 2015 durch den Ermittlungsrichter bei dem Amtsgericht Dortmund verkündet worden. Der Verfolgte hat sich bei dieser Anhörung weiterhin mit seiner Auslieferung nicht einver-standen erklärt und auf seine Äußerungen bei der Anhörung am 26. Oktober 2015 verwiesen. Der Beistand des Verfolgten hat auf diese Einwendungen mit Schrift-sätzen vom 2. Dezember und 04. Dezember 2015 Bezug genommen und ergänzende Ausführungen gemacht.

Mit Schriftsatz seines Beistandes vom 02. Dezember 2015 hat der Verfolgte die sofortige Haftentlassung beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er in Bosnien-Herzegowina bereits rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei und diese auch vollständig verbüßt habe. Vor seiner Verurteilung hätten die italienischen Behörden bereits seine Auslieferung begehrt. Das Kantonalgericht in Travnik habe das Ersuchen der Republik Italien jedoch abgelehnt und zur Begrün-dung darauf verwiesen, dass die gegenständlichen Akten dem Staatsanwalt des Haager Gerichtshofs zur Beurteilung zugeleitet worden seien und dieser sie dem bosnischen Gericht zurückgegeben habe.

Mit weiterem Schriftsatz seines Beistandes vom 04. Dezember 2015 hat der Verfolgte ausgeführt, dass der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien Kenntnis von dem Verfahren gegen den Verfolgten gehabt und keine Einwände gegen die Zuständigkeit des bosnischen Gerichts erhoben habe.

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Dezember 2015 die Einwendungen des Ver-folgten gegen die Anordnung und den Vollzug der Auslieferungshaft zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat – wie bereits in dem Beschluss vom 03. November 2015 - darauf verwiesen, dass die Verurteilung des Verfolgten in Bosnien-Herzegowina wegen der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Tat der Zulässigkeit der Auslieferung nach Italien nicht entgegenstehe. Auch der Umstand, dass die Akten vor einer Verurteilung in Bosnien- Herzegowina zunächst dem Anklagevertreter bei dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zugeleitet worden seien und dieser die Sache an die bosnisch-herzegowinischen Behörden zurückgegeben habe, ändere an der Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nach Italien nichts. Der Grundsatz ne bis in idem stehe einer erneuten Verfolgung und Verurteilung des Verfolgten in Italien nicht entgegen. Durch die Vorlage der Akten an den Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichts-hofs in Den Haag sei eine ausschließliche Zuständigkeit der bosnisch – herzegowini-schen Gerichte zur Verurteilung des Verfolgten wegen der diesem Verfahren zu Grunde liegenden Taten nicht begründet worden.

Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien den Verfolgten verurteilt hätte, § 10 JStGHG.

Auf die in verschiedenen Auskunftsersuchen von der Generalstaatsanwaltschaft formulierten Fragen zu der Straferwartung, der Möglichkeit einer vorzeitigen Haft-entlassung und einer Anrechnung der in Bosnien-Herzegowina verbüßten Haft haben die italienischen Behörden (Strafgericht Brescia, Generalstaatsanwaltschaft Brescia, Staatsanwaltschaft des ordentlichen Gerichts zu Brescia) mit mehreren Schreiben geantwortet.

Aus diesen Schreiben ergibt sich, dass der Verfolgte zu einer zeitigen Freiheitsstrafe von höchstens 30 Jahren gemäß Art. 78 des italienischen Strafgesetzbuches oder zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden kann.

Einen Antrag auf bedingte Entlassung – auch bei einer Verurteilung zu einer lebens-langen Freiheitsstrafe – kann der Verfolgte jederzeit stellen.

Gemäß Art. 54 des Gesetzes der Haftanordnung Nr. 354 aus dem Jahr 1975 kann ein Abzug von 45 Tagen pro verbüßter Haftzeit von 6 Monaten gewährt werden, wenn der Verurteilte bewiesen hat, an einer Rehabilitation teilgenommen zu haben. Danach kann z.B. ein Verurteilter, der zu einer Freiheitsstrafe von 24 Jahren verurteilt worden ist, vorzeitig nach Verbüßung von 18 Jahren Freiheitsstrafe entlassen werden. Dieser Abzug ist bei auch einer Verurteilung zu einer lebenslänglichen Frei-heitsstrafe möglich. Der für die Überwachung der Strafvollstreckung zuständige Richter entscheidet über den Antrag auf bedingte Entlassung innerhalb von 15 Tagen.

Dem zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilten können haftersetzende Maß-nahmen des Vollzugs mit Freigangsberechtigung nach Verbüßung von 20 Jahren Freiheitsstrafe (Art. 50 Abs. 5 des Gesetzes vom 26.07.1970 Nr. 354) sowie eine be-dingte Entlassung nach der Verbüßung von mindestens 26 Jahren gewährt werden, wenn der Verurteilte ein Verhalten gezeigt hat, aus dem seine Reue mit Sicherheit geschlossen werden kann und er den Schaden aus den begangenen Straftaten ersetzt hat (oder es ist ihm unmöglich ist, dies zu tun).

Bei der Verurteilung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe hängen die Fristen für haft-ersetzenden Maßnahmen und eine bedingte Strafentlassung von der Art der Straftat und der verbüßten Strafzeit ab (z.B. ist bei vorsätzlicher Tötung und schwerem Raub ein offener Strafvollzug nach Verbüßung von 2/3 der Strafe möglich).

Soweit die in Bosnien-Herzegowina zur Verurteilung gelangten Taten mit denen identisch sind, deretwegen der Verfolgte in Italien angeklagt wird, kann das Gericht bei einer Verurteilung gemäß Art. 62 des italienischen Strafgesetzbuches im Rahmen der Strafzumessung die in Bosnien-Herzegowina verbüßte Haft berücksichtigen.

Im Rahmen der Strafvollstreckung wird gemäß Art. 138 des italienischen Strafge-setzbuches die im Ausland wegen derselben Taten verbüßte Strafhaft einschließlich der Untersuchungshaft von der durch ein italienisches Gericht festgesetzten Strafe zwingend abgezogen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 18. Dezember 2015 beantragt, die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nach Italien festzustellen.

Das Generalkonsulat von Bosnien und Herzegowina hat mit Schreiben vom 30. Dezember 2015 Einwendungen gegen die Auslieferung des Verfolgten erhoben und beantragt, den Verfolgten freizulassen.

Zur Begründung hat das Generalkonsulat nochmals darauf hingewiesen, dass die Akten zunächst dem Anklagevertreter bei dem internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zugeleitet worden seien, welcher angeordnet habe, das Verfahren in Bosnien-Herzegowina durchzuführen. Die gegen den Verfolgten ver-hängte und von ihm vollständig verbüßte Strafe von 13 Jahren liege an der Höchst-grenze des Verurteilungsstandards für „Befehlsverantwortung“ in allen beim Haager Gericht vorgenommenen Verurteilungen. Die „italienische Seite“ sei seinerzeit auch mit dem Urteil zufrieden gewesen.

Zudem sei die Behauptung in dem Auslieferungsersuchen, dass der Verfolgte auch für den Raub von 10 Millionen Mark verantwortlich sei, unzutreffend.

Letztlich sei auch die Entscheidung Bosnien-Herzegowinas vom 28. Oktober 2015 über die Ratifikation des Bilateralen Vertrags vom 19. Juni 2015 zwischen Bosnien-Herzegowina und der Republik Italien zum Europäischen Auslieferungsüberein-kommen vom 13. Dezember 1957 zwecks Erweiterung und Erleichterung seiner Anwendung zu berücksichtigen. Hieraus ergebe sich, dass die eigenen Staatsbürger, welche der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beschuldigt würden, nicht ausgeliefert werden. Auch wenn dieser bilaterale Vertrag für die Bundesrepublik Deutschland nicht bindend sei, so sollten doch die darin zum Ausdruck gekommenen Absichten der Vertragsparteien berücksichtigt werden.

Der Beistand des Verfolgten hatte Gelegenheit, zu dem Antrag der Generalstaats-anwaltschaft Stellung zu nehmen und erhielt zudem antragsgemäß Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 06. Januar 2016 hat dieser für den Verfolgten ausgeführt, dass er auf das Schreiben des Generalkonsulats vom 30. Dezember 2015 Bezug nehme. Am 11. Januar 2016 sind die Akten wieder beim Oberlandesgericht eingegangen.

II.
Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die Auslieferung des Verfolgten nach Italien zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der ihm in dem Europäischen Haftbefehl des Gerichts in Brescia vom 05. August 2015 zur Last gelegten Taten für zulässig zu klären.

Da sich der Verfolgte mit seiner vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt hat, ist eine Entscheidung des Senats über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 29 IRG veranlasst.

Der Verfolgte ist nach eigenen Angaben und nach dem Akteninhalt bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger.

Der Europäische Haftbefehl entspricht den Voraussetzungen des § 83 a Abs. 1 Nr. 1 – 6 IRG. Die Auslieferungsfähigkeit der dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten ergibt sich aus §§ 79 Abs. 1, 81 Nr. 1 u. 4 IRG. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 03. November 2015 Bezug genommen.

Die Verurteilung des Verfolgten wegen derselben Taten durch das Kantonalgericht Travnik vom 28. Juni 2001(Nr. K – 1/01) in Verbindung mit dem Urteil des Obersten Gerichts der Föderation Bosnien-Herzegowina vom 3. April 2002 (Kz – 387/01) steht der Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nicht entgegen.

Wie der Senat bereits in dem Beschluss vom 3. November 2015 näher ausgeführt hat, sind vorliegend weder Art. 103 Abs. 3 GG, Art. 54 SDÜ, Art. 50 GrCH noch Kapitel II des 1. Zusatzprotokolls vom 15.10.1975 zum EuAlÜbk einschlägig.

Auch ist ein Doppelbestrafungsverbot mit grenzüberschreitender Wirkung keine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 S. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15.12.2011, 2 BvR 148/11,NJW 2012, 1202; vom 4.12.2007, BVerfGK 13,7 und vom 31.03.1987, BVerfGE 75,1).

Die Auslieferung des Verfolgten ist auch nicht wegen der Höhe der im Verurteilungs-fall zu erwartenden Strafe – zeitige Freiheitsstrafe bis zu 30 Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe – und der anschließenden Vollstreckung einer derartigen Strafe unzulässig.

Die Auslieferung bei drohender Verhängung und Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder auch einer zeitigen Freiheitsstrafe von bis zu 30 Jahren verstößt nicht gegen unabdingbare Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung.

Die deutschen Gerichte sind von Verfassung wegen gehalten, im Auslieferungsver-fahren zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zu Grunde liegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik verbindlichen völkerrechtlichen Mindest-standard und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffent-lichen Ordnung vereinbar sind. Zu den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen gehört der Kernbereich des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebots der Verhältnismäßigkeit. Den zuständigen Organen der Bundesrepublik Deutschland ist es danach verwehrt, einen Verfolgten auszuliefern, wenn die Strafe, die ihm im ersuchenden Staat droht, unerträglich hart, mithin unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint. Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl BVerfGE 50, 205; 75,1). Ebenso gehört es wegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zu den unabdingbaren Grund-sätzen der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung, dass eine angedrohte oder verhängte Strafe nicht grausam, unmenschlich oder erniedrigend sein darf. Die zu-ständigen Organe der Bundesrepublik Deutschland sind deshalb gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, wenn dieser eine solche Strafe zu ge-wärtigen oder zu verbüßen hat (vgl BVerfGE, 75,1; 108, 129). Anderes gilt hingegen dann, wenn die zu vollstreckende Strafe lediglich als in hohem Maß hart anzusehen ist und bei einer strengen Beurteilung anhand deutschen Verfassungsrechts nicht mehr als angemessen erachtet werden könnte. Das Grundgesetz geht nämlich von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus. Es gebietet damit zugleich, insbesondere im Rechtshilfe-verkehr, Strukturen und Inhalte fremder Rechtsordnungen und – Anschauungen grundsätzlich zu achten (vgl BVerGE, aaO; Beschluss vom 20.11.14, WM 2015, 65), auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen.

Als unerträglich hart oder unmenschlich kann die dem Verfolgten in der Republik Italien drohende lebenslange Freiheitsstrafe oder auch eine zeitige Freiheitsstrafe von bis zu 30 Jahren angesichts der Schwere der ihm zu Last gelegten Straftaten (u.a.Mord) nicht angesehen werden (vgl BVerfG Beschluss vom 6. Juli 2005, BverfGE 113, 154)

Das deutsche Strafrecht sieht in § 211 Abs.1 StGB als Strafe für einen Mord die lebenslange Freiheitsstrafe vor. Die lebenslange Freiheitsstrafe für solche schwersten Rechtsgutverletzungen ist mit dem verfassungsrechtlichen Gebot des sinn- und maßvollen Strafens grundsätzlich vereinbar (vgl BVerfGE, 45, 187; 64, 261). Auch die mögliche Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe verstößt vorliegend nicht gegen unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze.

Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzuges gehört es, dass dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder die Freiheit zu erlangen (vgl BVerfGE 45, 187; 113, 154).

Die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheits-strafe ausgesetzt werden kann und das dabei anzuwendende Verfahren sind ge-setzlich zu regeln (vgl BVerfG, aaO).

Nach den Auskünften der italienischen Behörden kann der Verfolgte – auch bei einer Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe – jederzeit einen Antrag auf be-dingte Entlassung stellen. Den Antrag prüft der „Überwachungsrichter“ nach den gesetzlichen Vorgaben. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist nach 20 Jahren eine haftersetzende Maßnahme mit Freigangsberechtigung und nach 26 Jahren eine bedingte Entlassung möglich, bei einer Verurteilung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe jeweils abhängig von der Art der Straftat schon früher.

Zudem besteht die Möglichkeit, bei der Berechnung dieser Fristen unter bestimmten Voraussetzungen einen Abzug von 45 Tagen pro verbüßter Haftzeit von 6 Monaten gemäߠ Art. 54 des Gesetzes der Haftanordnung Nr. 354 aus dem Jahr 1975 zu erhalten.

Darüber hinaus wird auch die in Bosnien-Herzegowina wegen derselben Taten be-reits verbüßte Haftzeit von 13 Jahren und 4 Monaten gemäß Art. 138 der italieni-schen Strafprozessordnung jedenfalls im Rahmen der Strafvollstreckung zwingend angerechnet.

Insgesamt hat der Verfolgte damit die realistische Chance, deutlich vor dem regu-lären Vollstreckungsende in die Freiheit zurückzukehren, so dass auch bei Verhän-gung einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von bis zu 30 Jahren ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (§ 73 S. 2 IRG) nicht gege-ben ist.

Auch die mit Schreiben vom 30. Dezember 2015 vorgebrachten Einwendungen des Generalkonsulats von Bosnien-Herzegowina, auf welche der Beistand mit seinem Schriftsatz vom 06. Januar 2016 Bezug nimmt, greifen nicht durch.

Die Einwendungen gemäß § 23 IRG gegen die Anordnung und den Vollzug der Aus-lieferung waren daher zurückzuweisen.

Insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsbeschlüssen vom 10. Dezember und 3. November 2015 Bezug genommen. Die nunmehr vorgelegte Entscheidung über die Ratifikation des bilateralen Vertrags zwischen Bosnien und Herzegowina und der Republik Italien zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 zwecks Erweiterung und Erleichterung seiner Anwendung vom 28. Oktober 2015 ist für die Auslieferung des Verfolgten aus der Bundesrepublik Deutschland in die Republik Italien ohne Bedeutung.



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