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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 RVs 18/16 OLG Hamm

Leitsatz: Das Herstellen und Gebrauchen einer gefälschten einfachen Urteilsabschrift ist im Regelfall keine strafbare Urkundenfälschung.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Urteilsabschrift, Herstellen, Urkundenfälschung

Normen: StGB 267

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 12.05.2016 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe
I.
1.Das Amtsgericht I hat den Angeklagten mit Urteil vom 01.10.2014 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt. Die dagegen gerichteten Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Dortmund mit der Maßgabe verworfen, dass die verhängte Geldstrafe auf eine solche von 130 Tagessätzen zu je 30,00 Euro ermäßigt und dem Angeklagten nachgelassen worden ist, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 150,00 Euro zu zahlen.

2. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil beauftragte der Zeuge C den in Hamm als Rechtsanwalt niedergelassenen Angeklagten damit, einen Restlohnanspruch gegenüber seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der S & T Edelstahl und Technik GmbH in I geltend zu machen und etwaige Regressforderungen abzuwehren.

Abgesehen von einem diesbezüglich - erfolglos - an die frühere Arbeitgeberin gerichteten anwaltlichen Schreiben vom 24.02.2011 entfaltete der Angeklagte in dieser Angelegenheit keine anwaltliche Tätigkeit, obwohl ihm der Zeuge C am 28.02.2011 einen Kostenvorschuss in Höhe von 46,41 € überwies (weitere Zahlungen leistete der Zeuge C nicht und wurden von dem Angeklagten auch nicht verlangt).

Auf die mehrfachen Erkundigungen des Zeugen C nach dem Stand der Sache teilte der Angeklagte dem Zeugen in der Folgezeit bei verschiedenen Gelegenheiten bewusst wahrheitswidrig mit, dass er gegen das Unternehmen S & T Edelstahl und Technik GmbH Klage beim Arbeitsgericht eingereicht und der Zeuge - rechtskräftig - gewonnen habe, sich jedoch die Zwangsvollstreckung verzögere bzw. bislang erfolglos geblieben sei.

Schließlich begab sich der Zeuge C am 17.01.2013 selbst zum Arbeitsgericht Hamm, wo er erfuhr, dass sich das fragliche - vermeintliche - Gerichtsverfahren nicht "im Computer finde". Deshalb misstrauisch geworden, suchte der Zeuge C am 21.01.2013 die Kanzleiräume des Angeklagten auf, um sich unter dem wahrheitswidrigen Vorwand, dass er das Urteil beim Finanzamt vorlegen müsse, eine Kopie der Gerichtsentscheidung aushändigen zu lassen. Nach einer telefonischen Rücksprache mit dem Angeklagten sagte eine seiner Mitarbeiterinnen dem Zeugen zu, dass er das Urteil am folgenden Tag abholen könne.

Der Angeklagte erkannte nun - so die weiteren Feststellungen des Landgerichts -, dass seine Notlüge aufzufliegen drohte, und wusste nicht, wie er ohne Gesichtsverlust aus dieser Geschichte wieder herauskommen sollte. Außerdem wollte er den Zeugen erneut ruhigstellen. Deshalb entschloss er sich, mithilfe eines Computers ein Schriftstück zu erstellen, das wie die Abschrift eines gerichtlichen Urteils des Arbeitsgerichts Hamm aussehen sollte. Er verwandte hierzu das fiktive Aktenzeichen 3 Ca 1431/11 und erstellte unter Verwendung des Wappens und der gerichtstypischen Schriftart ein angebliches "Anerkenntnisurteil" des Arbeitsgerichts Hamm vom 05.12.2011. Nach dem Rubrum, in dem der Zeuge C als Kläger, der Angeklagte als Prozessbevollmächtigter und die S & T Edelstahl und Technik GmbH, vertr. d.d. Geschäftsführer S2 und T2 als Beklagte aufgeführt ist, heißt es weiter:

"hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Hamm ohne mündliche Verhandlung am 05.12.2011
durch die Richterin am Arbeitsgericht I 2 als Vorsitzende
für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als weiteren Lohn für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis zum 04.03.2011 einen Betrag in Höhe von 2.040,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 2.040,00 € festgesetzt.

Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe gern. §§ 313 b Abs. 1, 307 ZPO , 46 Abs. 2 , 55 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. "

Es folgt dann der Text einer
"RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Anerkenntnisurteil kann von der beklagten Partei Berufung ...."
und anschließend mittig unten auf der Seite 2 des Urteils - ohne Unterschrift - der Namenszug :
"I 2".

Dieses Schreiben druckte der Angeklagte aus und versah es anschließend oben auf der ersten Seite mittig mit einem Stempelaufdruck "Abschrift". Einen Beglaubigungsvermerk, das Wort "Ausfertigung" oder einen weiteren Stempelaufdruck mit der Bezeichnung des Gerichts brachte er nicht an.

Dann legte der Angeklagte die "Urteilsabschrift" entweder im "Original" in einen Briefumschlag, oder er kopierte es noch einmal und legte nur die Kopie der "Abschrift" in den Umschlag, der dem Zeugen C dann am 22.01.2013 durch eine Kanzleimitarbeiterin zusammen mit der "Urteilsabschrift" oder der Kopie derselben überreicht wurde.

Der Zeuge C wunderte sich zwar, dass das Urteil bzw. die Kopie keinen förmlichen Stempelaufdruck aufwies, hatte letztlich aber keine Vorstellung davon, wie ein solches Urteil auszusehen hat. Er begab sich daher am 22.01.2013 mit dieser "Urteilsabschrift" erneut zum Arbeitsgericht in Hamm, wo er vergeblich die Erteilung einer beglaubigten Abschrift beantragte.

Später wurde der Zeuge C im Zusammenhang mit der von ihm vorgelegten "Urteilsabschrift" selbst wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung und des versuchten Betruges angeklagt und mit Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 31.10.2014 - rechtskräftig - freigesprochen. Obwohl der damalige Verteidiger des Zeugen C anschließend von einer arbeitsrechtlich versierten Kollegin die Einschätzung erhalten hatte, dass eine gerichtliche Geltendmachung des ursprünglich streitigen Arbeitslohns des Zeugen C auch im Dezember 2014 noch möglich sei, wollte der Zeuge C hiervon nach all der Aufregung aber nichts mehr wissen. Auf entsprechende anwaltliche Aufforderung zahlte die S&t Edelstahl und Technik GmbH jedoch an den Zeugen Ende Dezember 2014 noch einen Teilbetrag von 553,88 Euro, den sie nämlich in einem früheren Schreiben selbst als unstreitig bezeichnet hatte. Zudem hatte der Angeklagte aus seinem eigenen Vermögen dem Zeugen C bereits in einem Gesprächstermin vom 15.02.2013 weitere 360,00 Euro übergeben und hierzu wahrheitswidrig angegeben, dass eine Teilvollstreckung gegen die frühere Arbeitgeberin des Zeugen erfolgreich gewesen sei.

3. Das Landgericht bewertet das geschilderte Verhalten des Angeklagten als Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB, da er mit dem Erstellen der vermeintlichen Urteilsabschrift eine falsche Urkunde im Sinne dieser Norm hergestellt und hiervon durch die von ihm veranlasste Übergabe - zumindest - einer Kopie an den Zeugen C auch Gebrauch gemacht habe. Zwar seien einfache Abschriften regelmäßig nicht als Urkunden anzusehen, weil sie nicht die Erklärung des Ausstellers des Originals verkörpern, sondern lediglich wiedergeben, was in einem anderen Schriftstück verkörpert sei. Vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 317 Abs. 2 ZPO in der bis zum 30.06.2014 geltenden und daher vorliegend maßgeblichen Fassung Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften von Urteilen nicht erteilt werden durften, solange das Urteil nicht verkündet und nicht unterschrieben war. Dies bedeute im Umkehrschluss - so das Landgericht weiter -, dass ·das Vorliegen einer Urteils-Abschrift die vermeintliche Erklärung der Behörde beinhalte, dass tatsächlich ein Urteil in der Sache in der Welt sei. Die Abschrift eines Urteils sei daher im Rechtsverkehr zumindest in dem Verhältnis eines Anwalts zu seinem Mandanten zum Beweise geeignet und bestimmt, wenn ersterer letzterem - wie hier - damit gerade das Vorliegen eines tatsächlich ergangen Urteils und mithin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 317 Abs. 2 ZPO vortäuschen möchte. Denn Urteilsabschriften dienten gerade der

Unterrichtung der Parteien vom Verfahrensstand.

Hingegen sei kein (versuchter) Betrug im Sinne des § 263 StGB verwirklicht worden. Für einen - von der Anklageschrift nach Auffassung des Landgerichts ohnehin nicht umfassten - Eingehungsbetrug bezüglich des von dem Zeugen C gezahlten Honorars hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Soweit der Angeklagte auch aus der Befürchtung heraus gehandelt haben könnte, dass er durch die schleppende Betreibung des Mandats Schadensersatzansprüche des Zeugen C wegen nun nicht mehr durchsetzbarer Lohnforderungen ausgelöst haben könnte, lasse sich zumindest ein dahingehender Vorsatz des Angeklagten nicht feststellen. Denn es sei nicht auszuschließen, dass auch der Angeklagte - ebenso wie die von dem Verteidiger des Zeugen C hinzugezogene, arbeitsrechtlich spezialisierte Kollegin - zu der Rechtsauffassung gelangt sei, dass die Lohnansprüche des Zeugen C trotz seiner eigenen Untätigkeit noch durchsetzbar sein würden, und er deshalb Schadensersatzansprüche nicht befürchtete.

4. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.
Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einem Freispruch des Angeklagten aus Rechtsgründen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO), da der - soweit dies auf die vom Angeklagten einzig erhobene Sachrüge zu überprüfen war - rechtsfehlerfrei festgestellte Sachverhalt ein strafbares Verhalten des Angeklagten nicht ergibt.

1. Insbesondere tragen die Feststellungen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB, da es sich bei der vom Angeklagten erstellten vermeintlichen Urteilsabschrift schon nicht um eine unechte Urkunde im Sinne dieser Norm handelt.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat bereits das Landgericht ausgeführt, dass nach allgemeiner Auffassung eine einfache Abschrift im Unterschied insbesondere zu Ausfertigungen oder - als zusammengesetzte Urkunden zu bewertenden - beglaubigten Abschriften regelmäßig keine Urkunde darstellt, weil sie nicht die Erklärung des Ausstellers des Originals verkörpert, sondern lediglich wiedergibt, was (vermeintlich) in einem anderen Schriftstück verkörpert ist (vgl. BGHSt 1, 117, 120; BGH Urt. v. 11.12.1951 - 1 StR 567/51 -, BeckRS 9998, 124600 = BGHSt 2, 50; RGSt 35, 145, 146; RGSt 49, 336, 337; RGSt 59, 13, 16; OLG Oldenburg MDR 1948, 30 [OLG Oldenburg 09.08.1947 - Ss 64/47]; OLG Hamburg JR 1951, 89 f.; Erb in: MK-StGB, 2. Aufl., § 267 Rn. 93; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 267 Rn. 17; Heine/Schuster in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 267 Rn. 40; Hoyer in: SK-StGB, § 267 Rn. 23 f.; Kühl/Heger, StGB 28. Aufl., § 267 Rn. 16; Puppe in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 267 Rn. 47; Weidemann in: Heintschel-Heinegg, StGB, 2. Aufl., § 267 Rn. 14; Wittig in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Auf., § 267 Rn. 45; Zieschang in: LK-StGB, 12. Aufl., § 267 Rn. 105, jew. m.w.N.; zur älteren Rspr. vgl. auch Kienapfel, Urkunden im Strafrecht, 1967, S. 288, 359 ff.; Merkel, Die Urkunde im deutschen Strafrecht, 1902, S. 255 ff.; Siepmann, Die Bedeutung der Abschrift einer Urkunde im Strafrecht, 1937, S. 24 f., jew. m.w.N.).

Zwar werden in der Rechtsprechung gewisse einfache Abschriften als Urkunden im Sinne des § 267 StGB angesehen, wenn sie kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der Urschrift treten oder sie als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift ausgegeben oder unter Umständen verwendet werden, die den Anschein erwecken können und sollen, als sei die Abschrift von dem Aussteller der Urschrift oder doch wenigstens mit seiner Zustimmung zu dem Zweck hergestellt worden, im Rechtsleben als Ersatz der Urschrift zu dienen (vgl. BGHSt 1, 117, 120; BGH Urt. v. 06.11.1951, 2 StR 178/51 = BGHSt 2, 35; BGH Urt. v. 11.12.1951 - 1 StR 567/51 -, BeckRS 9998, 124600 = BGHSt 2, 50; RGSt 26, 270, 271 f.; RGSt 35, 145, 146 f.; RGSt 59, 13, 16; OLG Oldenburg a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; s.a. - teils krit. hinsichtlich der Einordnung als einfacher Abschrift - Fischer, a.a.O.; Heine/Schuster in Schönke/Schröder, a.a.O. Rn. 40a; Zieschang in: LK-StGB, a.a.O. Rn. 106; Kienapfel, a.a.O., S. 360 f., jew. m.w.N.). Vorliegend ist jedoch nach Auffassung des Senats keine dieser Voraussetzungen erfüllt:

Das von dem Angeklagten erstellte Schriftstück wurde vom Angeklagten nicht als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift, sondern lediglich als - zumal mit einem Stempelausdruck ausdrücklich so bezeichnete - Abschrift eines arbeitsgerichtlichen Urteils ausgegeben, die nicht einmal ihren vermeintlichen Aussteller erkennen lässt.

Auch hat das Landgericht richtig ausgeführt, dass zur Durchführung weiterer Rechte aus dem vermeintlichen Urteil eine beglaubigte Abschrift oder eine Urteilsausfertigung erforderlich gewesen wären. Einfache Urteilsabschriften treten insofern gerade nicht wie Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der bei den Gerichtsakten verbleibenden Urschrift eines gerichtlichen Urteils.

Der Erwägung des Landgerichts, dass aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 317 Abs. 2 S. 1 ZPO a.F. (nunmehr: § 317 Abs. 2 S. 2 ZPO), wonach Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften von noch nicht verkündeten und unterschriebenen Urteilen nicht erteilt werden dürfen, folge, dass das Vorliegen einer Urteilsabschrift die vermeintliche Erklärung beinhalte, dass tatsächlich ein Urteil in der Sache in der Welt sei, und daher die der Unterrichtung der Parteien vom Verfahrensstand dienende einfache Urteilsabschrift in dem Verhältnis eines Anwalts zu seinem Mandanten zum Beweise geeignet und bestimmt sei, wenn das Vorliegen eines Urteils vorgetäuscht werden solle, vermag der Senat indes nicht beizutreten.

Denn schon in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung war geklärt, dass allein die mit einer einfachen Abschrift bzw. deren Vorlage verbundene Behauptung des Vorlegenden, dass eine Urkunde des aus der Abschrift ersichtlichen Inhalts existiere, nicht genügt, um diese einfache Abschrift selbst als Urkunde im strafrechtlichen Sinne anzusehen (so bereits RG, Urt. v. 19.02.1883, Ann. 7, 322, 324, zit. n. Kienapfel, a.a.O., S. 288; Siepmann, a.a.O., S. 27, 32). Gerade in einer dem vorliegenden Sachverhalt weitgehend vergleichbaren Konstellation, in der durch die Vorlage einer einfachen Abschrift der Glaube hervorgerufen werden soll, man habe das Original in seiner Verwahrung und wolle den Adressaten vorläufig über dessen Inhalt unterrichten - und nach dem Verständnis des Senats stellt das Landgericht in der Sache maßgeblich gerade auf diesen Aspekt ab -, scheidet danach die Annahme einer Urkundenfälschung aus, selbst wenn dieser einfachen Abschrift im konkreten Fall eine Beweiserheblichkeit zukommen kann (vgl. RGSt 26, 270, 272; Siepmann, a.a.O., S. 24). Dem steht vorliegend auch nicht der von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hervorgehobene Aspekt entgegen, dass der Angeklagte hier zu einer entsprechenden Unterrichtung bzw. Information des Zeugen C sowohl vertraglich als auch berufsrechtlich verpflichtet gewesen sein dürfte; denn auch wenn der Angeklagte sich der wahrheitsgemäßen Erfüllung dieser Verpflichtungen durch eine Täuschung entzogen hat, lässt allein dies noch nicht darauf schließen, dass es sich bei dem hierfür erstellten und verwandten Schriftstück auch um eine Urkunde im Sinne des § 267 StGB handelt.

Der Senat sieht auch im Übrigen kein überzeugendes Argument, vorliegend von den vorgenannten Grundsätzen abzuweichen.

Allein der Umstand, dass mit der Vorlage einer einfachen Urteilsabschrift unter Berücksichtigung der Regelung des § 317 Abs. 2 ZPO nicht nur eine Täuschung über die bloße Existenz einer diesbezüglichen Urschrift, sondern auch über deren ordnungsgemäße Unterschrift und Verkündung verbunden sein mag, ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, hier eine Urkundenfälschung zu begründen. Denn der vermeintliche Unterschied zur vorgenannten Konstellation der Vorlage von Abschriften sonstiger - vermeintlicher - Urkunden beschränkt sich bei näherer Betrachtung auf die sprachliche Präzisierung, dass auch bei der Vorlage solcher Abschriften regelmäßig darüber getäuscht werden dürfte, dass die vermeintlichen Urschriften jeweils ordnungsgemäß zur Existenz gelangt sind.

Der Senat hat auch die in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 09.03.2016 grundsätzlich zutreffend hervorgehobene erhebliche praktische Bedeutung auch einfacher Abschriften von gerichtlichen Entscheidungen für den Rechtsverkehr bedacht. Der Umstand, dass im alltäglichen Leben mittlerweile verschiedenen Arten von Schriftstücken wie z.B. Fotokopien, Telefaxschreiben oder (ausgedruckten) Emails erhebliche Bedeutung bzw. auch ein erheblicher Beweiswert beigemessen wird, begründet jedoch nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht deren Urkundsqualität (vgl. nur Fischer, a.a.O., § 267 Rn. 19 ff. m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen). In diesem Zusammenhang vermag der Senat letztlich auch nicht das von der Generalsstaatsanwaltschaft angeführte Argument zu teilen, dass der Rechtsverkehr bei gerichtlichen Entscheidungen im Grundsatz auch auf die Vorlage von einfachen Abschriften vertrauen müsse. Denn es besteht für den jeweiligen Teilnehmer am Rechtsverkehr durchaus die Möglichkeit, die Vorlage von beglaubigten Abschriften oder Ausfertigungen zu verlangen; genügt ihm als Nachweis gleichwohl eine einfache Abschrift einer z.B. tatsächlich nicht existenten Urschrift, mag zwar eine gegebenenfalls nach § 263 StGB strafbare Täuschung durch den Vorlegenden anzunehmen sein, bei der aber regelmäßig keine Urkunde im Sinne des § 267 StGB Verwendung gefunden hat (vgl. bereits Binding, zit. n. Kienapfel, a.a.O., S. 360 Fn. 72: "Der Verkehr ist ... ohnmächtig, zur Urkunde zu machen, was keine Urkunde ist, dagegen allmächtig, sich beweisen zu lassen, wie er will").

Schließlich hat der Senat bedacht, dass bestimmte gerichtliche Urteile sogar öffentliche Urkunden im Sinne des § 271 StGB darstellen können (vgl. Fischer, a.a.O., § 271 Rdn. 12) und im Übrigen schon einfachen Abschriften - vermeintlicher - gerichtlicher Entscheidungen im Vergleich zu sonstigen Schriftstücken regelmäßig ein besonderes Vertrauen in deren Echtheit entgegengebracht werden dürfte. Selbst einer unbeglaubigten Abschrift einer vermeintlichen öffentlichen Urkunde mangelt es aber im Allgemeinen - soweit ihr nicht durch besondere Gesetze Beweiskraft beigelegt wird - an der Urkundeneigenschaft überhaupt (vgl. RGSt 24, 281, 283 zur unbeglaubigten Abschrift eines Ehescheidungserkenntnisses; Siepmann, a.a.O., S. 25).

Die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB hält daher einer rechtlichen Überprüfung nicht stand und war aus diesem Grunde aufzuheben.

2. Auch weitere Straftatbestände, welche der Angeklagte mit dem festgestellten Verhalten, soweit es sich auf die von der Anklage umfasste prozessuale Tat bezieht, verwirklicht haben könnte, sind nicht ersichtlich, so dass der Angeklagte insgesamt freizusprechen war. Insbesondere hat bereits das Landgericht - ausgehend von der für den Senat verbindlichen Feststellung, dass der Angeklagte keine Schadensersatzansprüche des Zeugen C befürchtete - zutreffend eine Strafbarkeit wegen (versuchten) Betruges gemäß § 263 StGB verneint.

III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.



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