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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 RVs 11/16 OLG Hamm

Leitsatz: Im Rahmen einer Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte müssen die Urteilsgründe die Diensthandlung, gegen die der Angeklagte Widerstand geleistet hat, nicht nur ihrer Art nach angeben, sondern auch Feststellungen zum Zweck, zur Ausführung und zu den Begleitumständen treffen.


Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Widerstand, Vollstreckungsbeamte, Diensthandlung, Urteilsfeststellungen

Normen: StGB 113; StPO 267

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.02.2016 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Lemgo hat den Angeklagten am 30. Juli 2015 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen in Höhe von je 15 € verurteilt. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte unbeschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Detmold mit Urteil 24. November 2015 das Urteil des Amtsgerichts unter Verwerfung der Berufung des Angeklagten im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der einzelne Tagessatz auf 10 € herabgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch Fax seines Verteidigers vom 26. November 2015, beim Landgericht eingegangen am selben Tag, Revision eingelegt. Mit rechtzeitigem Schreiben seines Verteidigers vom 4. Januar 2016 hat er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer zurückzuverweisen und zur Begründung unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, dass der Angeklagte tateinheitlich der versuchten Körperverletzung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig ist.

II.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (zumindest vorläufig) Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts sprach der Angeklagte im Verlaufe des 19. November 2014 vermehrt dem Alkohol zu. Nachdem seine Freundin die Beziehung zu ihm fernmündlich beendete, trank der Angeklagte weiter Alkohol. In Gegenwart seiner Geschwister verließ er schließlich gegen 23 Uhr bei einer Außentemperatur von ca. 5 Grad nur mit einer Hose und einem Unterhemd bekleidet die Wohnung. Die Geschwister hegten die Befürchtung, der Angeklagte könne sich etwas antun und verständigten die Polizei. Die eingesetzten Polizeibeamten fanden den Angeklagten dicht am Ufer der Werre liegend nahe der dortigen Uferböschung, er schlief. Zum Schutze der Gesundheit des Angeklagten versuchten sie, diesen vergeblich durch Ansprache zu wecken. Durch ein Rütteln an Arm und Schulter erwachte der Angeklagte schließlich und begann unvermittelt um sich zu schlagen und zu treten. Um sich diesen (erfolglosen) Angriffen zu erwehren, kam es zum Einsatz von Pfefferspray. Im Anschluss hieran wurde der Angeklagte mit den Händen auf dem Rücken gefesselt und zum Streifenwagen verbracht. Zwei Beamte hielten ihn dabei in einem sogenannten Transportgriff fest. Als sie diesen Griff etwas lockerten, versuchte der Angeklagte gegen den an seiner linken Seite befindlichen Polizisten einen Kopfstoß auszuführen. Beim Ausweichen schlug der linke Arm des Beamten zurück, was zu einem Ausrenken und Auskugeln der Schulter führte. Der Angeklagte wurde der Polizeiwache zugeführt, eine ihm um 0:29 Uhr abgenommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,38 Promille.

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Vergehens gem. § 113 Abs. 1 StGB nicht.

Polizeibeamte gehören zu dem von § 113 StGB geschützten Personenkreis.

Geschützt sind sie jedoch nur insoweit als sie sich bei der Vornahme einer Diensthandlung befunden haben. Um die rechtliche Einordnung nachvollziehbar zu machen, ist es erforderlich, dass die Urteilsfeststellungen die Diensthandlung, gegen die sich der Angeklagte zur Wehr gesetzt hat, genau erkennen lassen. Hierzu ist es nötig, die Diensthandlung nicht nur ihrer Art nach zu benennen, sondern auch Feststellungen zum Zweck, zur Ausführung und den Begleitumständen zu treffen (OLG Celle, Beschluss vom 8. Juli 2011 - 31 Ss 28/11, StV 2011, 678; OLG München, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - 5St RR 233/08, juris; KG Berlin, Beschluss vom 30. November 2005 - 1 Ss 321/05, juris).

Diesen Anforderungen werden die landgerichtlichen Feststellungen nicht gerecht, sie lassen nicht hinreichend klar die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung erkennen. Das beruht wesentlich darauf, dass sich bereits kein eindeutiger Bezug zu einer bestimmten Rechtsgrundlage herstellen lässt. Es liegt insoweit nahe, bei dem Vorfall mit Blick auf das Einschreiten der Polizeibeamten zum einen bis zum Erwachen des Angeklagten am Flussufer und zum anderen bei dessen Gewaltanwendungen rechtlich hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen zu differenzieren. Es kommen insbesondere folgende Rechtsgrundlagen in Betracht: §§ 8 Abs. 1, 12 Abs. 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1 o. Nr. 3, 55 Abs. 1 ff. PolG NRW; §§ 127, 163b Abs. 1, 163c Abs. 1, 164 StPO. Welche Vorschriften das Landgericht dem Handeln der Polizeibeamte zugrunde gelegt hat, bleibt offen.

Zwar dürften die Polizeibeamten nach allen in Betracht kommenden Normen grundsätzlich sachlich und örtlich zuständig gewesen sein. Ob sie jedoch die wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten haben, hängt je nach Rechtsgrundlage von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Entsprechend ist bei Identifizierungsmaßnahmen grundsätzlich der dafür maßgebliche Grund mitzuteilen (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2012 - 3 RVs 33/12, NStZ 2012, 62 m.w.N.), bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang ist in der Regel dessen vorherige Androhung erforderlich (OLG Dresden, Beschluss vom 1. August 2001 - 3 Ss 25/01, NJW 2001, 3643). Eine entsprechende Überprüfung ist dem Senat anhand der insoweit lückenhaften Urteilsgründe verwehrt.

Ferner ist nicht erkennbar, ob die Beamten ihr Ermessen – auch hinsichtlich der Beurteilung der Sachlage – pflichtgemäß ausgeübt haben, weil sich die Eingriffsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen deutlich unterscheiden.

Die Aufhebung des Schuldspruchs führte zwangsläufig zur Aufhebung der festgesetzten Geldstrafe.

Nach alledem war die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Eingreifen von Polizeibeamten zur Verhinderung eines Selbstmordversuches fällt grundsätzlich in den Schutzbereich des § 113 StGB (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 18. November 1988 - 1 St 186/88, NJW 1989, 1815). Ein Grund zu polizeilichem Einschreiten kann auch bereits beim Anschein einer Gefahr vorliegen, wobei bei Hilfsbedürftigen ein geringer Gefahrengrad ausreichend sein kann (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1983 - 4 StR 467/83, juris). Die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns hängt sodann davon ab, dass die äußeren Voraussetzungen zum Eingreifen des Beamten gegeben sind, er also örtlich und sachlich zuständig ist, die vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten einhält und ein ggfls. eingeräumtes Ermessen pflichtgemäß ausübt (BGH, Urteil vom 9. Juni 2015 - 1 StR 606/14, NJW 2015, 3109).

Zu den Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen zum Unrechtsbewusstsein und zu einer etwaigen Irrtumsproblematik wird auf den Beschluss des OLG Hamm vom 30. Juli 2013 - 5 RVs 67/13, StV 2014, 225 hingewiesen, hinsichtlich der Blutalkoholkonzentration von unter 2 Promille zur Tatzeit und der fehlenden erheblichen Ausfallerscheinungen im Leistungsverhalten wird zum Umfang der erforderlichen Erörterungen auf Fischer, StGB, 63. Auflage, § 20 Rn. 21, 21a, 23 sowie BGH, Beschluss vom 8. August 2007 - 2 StR 296/07, StraFo 2007, 468 hingewiesen.

Mit Blick auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift weist der Senat daraufhin, dass Tateinheit zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung bei einer gegen ein und dieselbe Person durch eine Handlung verübten Tat ausgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 11. Juni 1997 - 2 StR 231/97, NStZ 1997, 493). Bei dem gegenständlichen Geschehen liegt die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit nahe.



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