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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 100, 102 und 104/15 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zum Akteneinsichtsrecht bzw. Auskunftsrecht einer Berufsgenossenschaft im Rahmen eines wegen Untreue bzw. Betruges zu ihrem Nachteil geführten Ermittlungsverfahrens (Fortführung zum Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, 1 VAs 12 und 13/15 - juris).
2. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, anstelle der Erteilung von Auskünften gemäß § 474 Abs. 3 StPO Akteneinsicht zu gewähren, muss die tatsächliche Ausübung des der Staatsanwaltschaft zustehenden Ermessens erkennen lassen.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Auskunft aus Ermittlungsakten, Erteilung von Auskünften durch Akteneinsicht, Akteneinsichtsrecht, Körperschaft öffentlichen Rechts

Normen: EGGVG 23, StPO 474, StPo 477

Beschluss:

Justizverwaltungssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm am
21.04.2016 beschlossen:

1. Die Verfahren III-1 VAs 100/15, 102/15, 103/15 und 105/15 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Verfügungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 06. November 2015, der Berufsgenossenschaft I und N, J-Allee, ##### (weitere Beteiligte) Auskünfte aus den Ermittlungsverfahren 130 Js 16/12 bzw. 130 Js 8/13 zu erteilen, werden aufgehoben, soweit
a) Auskunft auf folgende Fragen erteilt werden soll:
aa) bezüglich des Verfahrens 130 Js 16/12:
Wurden Ermittlungen hinsichtlich der Einkommensbesteuerung des Herrn L in dem in Rede stehenden Tatzeitraum durchgeführt? Bejahendenfalls bitte ich um Überlassung der Ermittlungsergebnisse.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben nahezu drei Jahre in Anspruch genommen. Was waren die Gründe für diese lange Verfahrensdauer?
bb) bezüglich des Verfahrens 130 Js 8/13:
Wurden Ermittlungen hinsichtlich der Einkommensbesteuerung des Herrn L in dem in Rede stehenden Tatzeitraum durchgeführt? Bejahendenfalls bitte ich um Überlassung der Ermittlungsergebnisse.
Warum hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf darauf verzichtet, Ermittlungen im Bereich des Bundesversicherungsamts als (damalige wie heutige) Aufsichtsbehörde durchzuführen (Erhebung von Zeugenaussagen o.ä.)?
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben nahezu zwei Jahre in Anspruch genommen. Was waren die Gründe für diese lange Verfahrensdauer?
b) im Übrigen die Auskünfte auf weitere Fragen im Wege der Gewährung unbeschränkter Akteneinsicht gewährt werden sollen.
3. Die Staatsanwaltschaft wird verpflichtet, über die Erteilung von Auskünften zu Ermittlungen betreffend die Grundlagen der Einkommensbesteuerung des Betroffenen zu 1. sowie über die Erteilung der weiteren Auskünfte durch Gewährung unbegrenzter Akteneinsicht an die Berufsgenossenschaft I und N unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
4. Die weiter gehenden Anträge werden als unbegründet verworfen.
5. Der Betroffene zu 1. hat die Kosten des von ihm geführten Verfahrens zu 2/3 zu tragen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Betroffenen zu 1. sind zu 1/3 aus der Staatskasse zu erstatten.
Die Betroffenen zu 2. und 3. haben die Kosten der von ihnen geführten Verfahren jeweils zu 3/4 zu tragen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Betroffenen zu 2. und 3. sind zu jeweils einem 1/4 aus der Staatskasse zu erstatten.
6. Der Geschäftswert wird für den Betroffenen zu 1. auf bis 65.000,00 € und hinsichtlich der Betroffenen zu 2. und 3. auf bis zu 5.000,00 € festgesetzt.
7. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.

Gründe:
I.
Die Betroffenen wenden sich mit ihren Anträgen gegen die mit Bescheiden der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 06. November 2015 mitgeteilte Entscheidung zur Auskunftserteilung in Form der Gewährung von Akteneinsicht in die Akten der Ermittlungsverfahren 130 Js 16/12 bzw. 130 Js 8/13 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf an die Berufsgenossenschaft I und N (im Folgenden „C“)
4
Die C ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung und bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie ist aus einer Fusion der N-Berufsgenossenschaft (im Folgenden auch „N1“) mit der X-Berufsgenossenschaft (im Folgenden auch „I1“) im Jahr 2010 hervorgegangen. Den genannten Ermittlungsverfahren liegt jeweils eine Anzeige der C zu Grunde.
5
Die Anzeigen der C richteten sich gegen den ehemaligen Hauptgeschäftsführer einer der beteiligten Berufsgenossenschaften, den Betroffenen zu 1., der im Jahr 2011 pensioniert wurde. Nach den Anzeigen sollen sich jeweils Anhaltspunkte für die Begehung erheblicher Straftaten, vor allem Untreue- oder Betrugstaten zum Nachteil der C ergeben haben.
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Zum einen kam es im Februar 2010 zum Abschluss von für die Dauer von fünf Jahren seitens der Berufsgenossenschaften unkündbaren Beraterverträgen zwischen dem Betroffenen zu 1. und den fusionierenden Berufsgenossenschaften, die dem Betroffenen zu 1. gewisse Honorare ermöglichten. Der Betroffene zu 1. sollte auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt als Hauptgeschäftsführer die beiden Berufsgenossenschaften freiberuflich zunächst für die genannte Dauer in Finanz- und Vermögensangelegenheiten beraten. Durch die Beteiligung am Abschluss dieser Beraterverträge sollen sich der Betroffene zu 1. sowie die Betroffenen zu 2. und 3. als Vorstandsmitglieder der N1 nach Auffassung der C der Untreue strafbar gemacht haben. Die in der Folge aufgrund dieser Beraterverträge abgewickelten Honorarforderungen für den Zeitraum von Januar 2011 bis November 2011 in Summe von ca. 26.600,00 Euro bewertete die C jeweils als Betrug.
7
Ausweislich der Akten hat die C den Betroffenen zu 1. insoweit am 28. Dezember 2012 im Klagewege vor dem Landgericht Düsseldorf auf Rückzahlung von Honoraren in Höhe von ca. 26.600,00 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen (Az.: 18C O 8/14, zuvor 14d O 195/12) und hierbei den Streitwert aufgrund weiterer Feststellungsanträge auf ca. 50.000,00 Euro geschätzt. Dieser Sachverhalt betrifft das Ermittlungsverfahren 130 Js 16/12. Hier steht eine Entscheidung über den Antrag des Betroffenen zu 1., das Verfahren an das Arbeitsgericht Düsseldorf abzugeben, nach derzeitigem Kenntnisstand des Senats noch aus. Ferner ist vor dem Sozialgericht München unter dem Az.: S 47 R 884/15 ein Antrag der C auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der von dem Betroffenen zu 1. von Januar bis November 2011 für die C ausgeübten Tätigkeiten als „Berater in Finanz- und Vermögensangelegenheiten“ anhängig, nach dem die E Bund mit Bescheid vom 13. Mai 2014 und Widerspruchsbescheid vom 30. März 2015 von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen war.
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Zum anderen soll sich der Betroffene zu 1. des Betruges bzw. der Untreue zum Nachteil der beteiligten Berufsgenossenschaften dadurch strafbar gemacht haben, dass er ab 1991 Vergütungen von Nebentätigkeitszulagen für die Übernahme verschiedener Zusatzleistungen im Rahmen der Bundesnebentätigkeitenverordnung (BNV) nicht gemeldet, bzw. vereinnahmte Zulagen nicht an die Berufsgenossenschaften weitergeleitet habe. Diese Zulagen seien zudem zu Unrecht erhöhend in das Ruhegehalt des Betroffenen zu 1. eingeflossen. Vor dem Landgericht Düsseldorf hat die C den Betroffenen zu 1. insoweit auf Rückzahlung von Nebentätigkeitsvergütungen in Höhe von ca. 163.000,00 Euro verklagt. Ferner hat sie ihn aufgefordert, ca. 50.000,00 Euro zu Unrecht erhaltener Versorgungsbezüge zurückzuzahlen. Insoweit ist zwischenzeitlich am 05.05.2015 ein die Klage der C abweisendes Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 5 O 195/13) ergangen, welches jedoch angefochten wurde. Dieses Verfahren ist in der Berufungsinstanz (OLG Düsseldorf, Az.: I-18 U 96/15).
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Der Betroffene zu 1. hat vor dem Landgericht Düsseldorf eine Klage anhängig gemacht (Az.: 11 O 328/13), mit der er die im Aufrechnungswege von der C betriebene Rückforderung des „Ruhegehalts“ für seine nebenamtlichen Tätigkeiten bei der I1 angreift. Eine Entscheidung steht noch aus.
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Nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschloss der Grundsatzausschuss der C zudem am 13. August 2013 die Aberkennung des Ruhegehaltes (für die Tätigkeit bei der N1) von zuletzt monatlich ca. 6.200,00 Euro. Hiergegen hat der Beschuldigte am 13. August 2013 seinerseits Klage beim Landgericht Düsseldorf (Az.: 13 O 308/13) erhoben. Bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens erhält der Betroffene zu 1. vorläufig ein vermindertes Ruhegehalt, das jedoch Pfändungsmaßnahmen der C unterliegt. Dieser Sachverhalt betrifft das Ermittlungsverfahren 130 Js 8/13. Gegen eine Zwischenentscheidung des Landgerichts Düsseldorf, mit welchem dieses sich zur Entscheidung des Rechtsstreits für zuständig erklärt hat, hat der Betroffene zu 1. Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt; ob über diese Beschwerde bereits entschieden ist, ist dem Senat nicht bekannt.
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Mit Verfügungen vom 15. Januar 2015 bzw. vom 21. Januar 2015 stellte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Ermittlungsverfahren, soweit sie die genannten Vorwürfe betrafen, gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Zudem stellte sie mit Zustimmung des Amtsgerichts Düsseldorf das Verfahren gegen den Betroffenen zu 1. wegen einer möglichen Straftat nach § 54 KWG gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein. Hiergegen legte die C mit Schriftsätzen vom 06. Februar 2015 bzw. vom 13. Februar 2015 jeweils Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 StPO ein. Über die Beschwerden ist offensichtlich noch nicht entschieden worden.
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In beiden Ermittlungsverfahren bemühte sich die C frühzeitig um Akteneinsicht, was zuletzt noch seitens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit Bescheiden vom 16. Dezember 2014 bzw. vom 29. Dezember 2014 abgelehnt worden war. Die hiergegen beim Oberlandesgericht Hamm eingebrachten Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG verwarf der Senat mit Beschluss vom 16. Juni 2015 (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, III – 1 VAs 12/15 und 13/15, juris). In der Sache stellte der Senat fest, dass der C weder aus § 474 Abs. 1 StPO, noch aus § 474 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 StPO ein Anspruch auf unbeschränkte Akteneinsicht zustand, sondern nur auf Erteilung bestimmter Auskünfte aus den Ermittlungsakten, die jedoch nicht beantragt waren. Die damalige Einschätzung der Staatsanwaltschaft, ein Ausnahmefall nach § 477 Abs. 3 StPO liege nicht vor, da die Erteilung von Auskünften in den vorliegenden Fällen keinen unverhältnismäßigen Aufwand für die Staatsanwaltschaft Düsseldorf erfordere, war nach Bewertung des Senats nicht ermessensfehlerhaft.
13
Wegen der im Einzelnen erfolgten Begründung sowie wegen der weiteren Verfahrenseinzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 16. Juni 2015 (III– 1 VAs 12/15 und 13/15, juris) Bezug genommen.
14
Am 24. Juli 2015 beantragte die C bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf hinsichtlich des Verfahrens 130 Js 16/12 folgende Auskünfte:
15
„Wie haben sich die Beschuldigten zu den Tatvorwürfen eingelassen? Ich bitte um Überlassung der Einlassungen. Es kann bei der C nicht beurteilt werden, ob das Einlassungsverhalten der Beschuldigten in der Einstellungsmitteilung umfassend wiedergegeben wurde.
16
Welche rechtlichen Argumente haben die Verteidiger der Beschuldigten vorgebracht? Ich bitte um Überlassung etwaiger Verteidigerstellungnahmen.
17
Wurden Ermittlungen hinsichtlich der Einkommensbesteuerung des Herrn L in dem in Rede stehenden Tatzeitraum durchgeführt? Bejahendenfalls bitte ich um Überlassung der Ermittlungsergebnisse.
18
Hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf Ermittlungen bei der Sparkasse E, welche mit der Vermögensverwaltung für die C befasst war, durchgeführt? Bejahendenfalls: Haben sich hierbei Erkenntnisse ergeben, die für die Bewertung der Beratungsleistungen des Herrn L relevant sind?
19
Welche von der Staatsanwaltschaft erhobenen Beweismittel (Zeugenaussagen, Urkunden, Sachverständigengutachten) haben zu einer Entlastung der Beschuldigten geführt? Ich bitte um kurze Darlegung des Inhalts oder alternativ um Überlassung.
20
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben nahezu drei Jahre in Anspruch genommen. Was waren die Gründe für diese lange Verfahrensdauer? Ohne Akteneinsicht kann die C diesbezüglich lediglich spekulieren. Sofern die Gründe in der verfahrensgegenständlichen Sache selbst liegen sollten, ist dies von Relevanz auch für die C und ihre (öffentlich-rechtliche) Aufgabenerfüllung.
21
Auf welcher Grundlage kam die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zu dem Schluss, dass kein eklatantes Missverhältnis zwischen dem Wert der von Herrn L erbrachten Beratungen und dem versprochenen Honorar bestand?
22
Wurde die C1 zur Stellungnahme in dem Verfahren aufgefordert? Ich bitte um Übersendung etwaiger Stellungnahmen der C1.
23
Haben die Beschuldigten oder deren Verteidiger im Laufe des Ermittlungsverfahrens (wenn auch ggf. hilfsweise) Einstellung des Verfahrens nach den §§ 153, 153a oder 154 StPO angeregt? Mit welcher Begründung?“
24
Hinsichtlich des Verfahrens 130 Js 8/13 erbat die C mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 folgende Auskünfte:
25
„Wie haben sich die Beschuldigten zum Tatvorwurf eingelassen? Ich bitte um Überlassung der Einlassungen. Es kann bei der C nicht beurteilt werden, ob das Einlassungsverhalten der Beschuldigten in der Einstellungsmitteilung umfassend wiedergegeben wurde.
26
Welche rechtlichen Argumente haben die Verteidiger der Beschuldigten vorgebracht? Ich bitte um Überlassung etwaiger Verteidigerstellungnahmen.
27
Wurden Ermittlungen hinsichtlich der Einkommensbesteuerung des Herrn L in dem in Rede stehenden Tatzeitraum durchgeführt? Bejahendenfalls bitte ich um Überlassung der Ermittlungsergebnisse.
28
Welche von der Staatsanwaltschaft erhobenen Beweismittel (Zeugenaussagen, Urkunden, Sachverständigengutachten) haben zu einer Entlastung der Beschuldigten geführt? Ich bitte um kurze Darlegung des Inhalts oder alternativ um Überlassung.
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In der Einstellungsmitteilung wird insbesondere die Zeugenaussage des Herrn H erwähnt. Wurde der Zeuge polizeilich oder staatsanwaltschaftlich vernommen? Verneinendenfalls: Aus welchem Grund wird der seitens der C vorgelegten Zusammenfassung der Aussage des Herrn H seitens der Staatsanwaltschaft Relevanz beigemessen, wohingegen an anderer Stelle ausgeführt wurde, dass und warum die Staatsanwaltschaft von der C erhobenes Aussagematerial für unbrauchbar hält?
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Warum hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf darauf verzichtet, Ermittlungen im Bereich des Bundesversicherungsamts als (damalige wie heutige) Aufsichtsbehörde durchzuführen (Erhebung von Zeugenaussagen o.ä.)?
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In der Einstellungsmitteilung erwähnen Sie, der damalige Vorstand der Berufsgenossenschaft habe „in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs“ bestimmte Annahmen getroffen. Welche Rechtsprechung meinen Sie? Wie wurde Ihnen bekannt, dass der damalige Vorstand sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinandergesetzt hatte?
32
Sie führen in der Einstellungsmitteilung aus, der ursprüngliche Vertrag des Herrn L sei in 2007 in einen außertariflichen Vertrag umgewandelt worden. Woher stammt diese Erkenntnis? Bei der C wird nach wie vor – auf Grundlage der dortigen Aktenlage – davon ausgegangen, dass ein außertariflicher Vertrag keinesfalls vor dem 01.06.2009 in Kraft treten konnte und auch in der Folgezeit nicht umgesetzt wurde.
33
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben nahezu zwei Jahre in Anspruch genommen. Was waren die Gründe für diese lange Verfahrensdauer? Ohne Akteneinsicht kann die C diesbezüglich lediglich spekulieren. Sofern die Gründe in der verfahrensgegenständlichen Sache selbst liegen sollten, ist dies von Relevanz auch für die C und ihre (öffentlich-rechtliche) Aufgabenerfüllung.
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Haben die Beschuldigten oder deren Verteidiger im Laufe des Ermittlungsverfahrens (wenn auch ggf. hilfsweise) Einstellung des Verfahrens nach den §§ 153, 153a oder 154 StPO angeregt? Mit welcher Begründung?“
35
Zur Begründung trug die C vor, dass sie als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts sei und mit dem Betroffenen zu 1. als Beschuldigtem der in Rede stehenden Ermittlungsverfahren eine zivilgerichtliche Auseinandersetzung, auch wegen der „verfahrensgegenständlichen Sachverhalte“ führe. Weiterhin hätten die Auskünfte Relevanz auch für anhängige Disziplinarverfahren. Ihre Auskunftsansprüche stützte sie auf § 474 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 2 StPO i.V.m. § 14 Abs. 1 Nrn. 4 und 6 EGGVG. Nachdem die C nach Aufforderung durch die Staatsanwaltschaft vom 16. September 2015 – die Betroffenen hatten den Auskunftsbegehren widersprochen – die Erforderlichkeit der begehrten Auskünfte mit Stellungnahme vom 22. Oktober 2015 erläuterte, erließ die Staatsanwaltschaft Düsseldorf die angefochtenen Bescheide vom 06. November 2015. Diese haben folgenden Wortlaut:
36
„Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt …,
37
mit Schriftsatz vom 20.10.2015, welchen ich in Anlage beigefügt habe, hat die Bevollmächtigte der Anzeigeerstatterin ihr Auskunftsbegehren vom 24.07.2015 konkretisiert.
38
Nachdem ein qualifizierter Vortrag erfolgt ist, sind nach hiesigem Dafürhalten die Voraussetzungen des § 474 Abs. 2 i.V.m. § 477 Abs. 4 StPO gegeben, sodass Auskunft zu erteilen wäre.
39
Da die Beantwortung der einzelnen Auskünfte aufgrund des Umfangs des Strafverfahrens einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeuten würde, soll zur Abwendung des Begehrens gemäß § 474 Abs. 3 StPO Akteneinsicht erteilt werden.“
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In ihren Anträgen auf gerichtliche Entscheidung bestreiten die Betroffenen Auskunftsansprüche der C gemäß § 474 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StPO schon dem Grunde nach. So führen die Betroffenen im Wesentlichen aus, die seitens der C erbetenen Auskünfte seien nicht erforderlich im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und/oder 2 StPO. Die C habe keinerlei Schwierigkeiten, den betreffenden Sachverhalt zu erfassen und kenne ihn. Sie habe auch nicht dargelegt oder gar bewiesen, welche Auskünfte ihr fehlten. Die Klärung der bei der C offenen Fragen bedürfe teils aus Rechtsgründen, teils aufgrund dort bereits vorhandener Informationen bzw. Unterlagen keiner Akteneinsicht. Die C betreibe Formen- bzw. Rechtsmissbrauch, die erhoffte Arbeitserleichterung im Hinblick auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche finde in §§ 474, 477 StPO keine Grundlage. Fragen zur rechtlichen Einschätzung eines Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft seien von § 474 Abs. 2 StPO nicht erfasst. Zudem habe die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall Anlass gemäß § 477 Abs. 4 S. 2, 2. Alt. StPO zu einer über die gemäß § 477 Abs. 4 S. 2 1. Alt. StPO jedenfalls vorzunehmende Schlüssigkeitsprüfung, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben der C lag, weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung gehabt. Dies deshalb, da die Disziplinarermittlungen nicht mehr existierten, die Auskünfte für Zivilverfahren nicht mehr erforderlich waren und eigentliches –rechtsmissbräuchliches – Ziel nur sei, die Einstellung der Ermittlungsverfahren anzugreifen.
41
Jedenfalls lägen die Voraussetzungen des § 474 Abs. 3 StPO, unter welchen die Staatsanwaltschaft ausnahmsweise vollständige Akteneinsicht gewähren könne, anstelle Auskünfte zu erteilen, nicht vor. Im vorliegenden Fall erfordere letzteres keinen unverhältnismäßigen Aufwand, wie die Staatsanwaltschaft stets zuvor selbst vertreten habe. Da sich der Aktenbestand seit dieser Feststellung der Staatsanwaltschaft nicht wesentlich vergrößert habe, sei dieser Wechsel nicht nachvollziehbar.
42
Mit Beschlüssen vom 19. November 2015 bestätigte indes das Amtsgericht Düsseldorf (Az.: 152 Gs 784/15 bzw. 152 Gs 1145/15) die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 17. bzw. 19. März 2015, der C Akteneinsicht in die Verfahren 130 Js 16/12 bzw. 130 Js 8/13 auf der Grundlage von § 406e StPO zu verwehren. In den Entscheidungsgründen sah das Amtsgericht die C grundsätzlich als „Verletzte“ im Sinne von § 406e StPO an, allerdings habe die C ein berechtigtes Interesse an der begehrten Akteneinsicht nicht in ausreichendem Maße dargelegt.
43
Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat beantragt, die Anträge auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen.
44
II.
45
Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind zulässig und haben auch in der Sache teilweise (vorläufigen) Erfolg.
46
1.
47
Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist eröffnet, da es sich um einen Fall nach § 474 StPO handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O., m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Juli 2015 – 2 VAs 6/15, BeckRS 2015, 12571, m.w.N.). Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG wurde gewahrt. Die Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 GVG steht nicht entgegen, da im Fall des § 474 Abs. 2 StPO eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 478 Abs. 3 StPO nicht vorgesehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O., m.w.N.; OLG Karlsruhe, a.a.O., m.w.N.). Die Gewährung von Auskünften bzw. von Einsicht in die bei der Staatsanwaltschaft geführten oder – wie hier – als abgeschlossen anzusehenden Ermittlungsverfahren richtet sich nach den §§ 474 ff. StPO.
48
2.
49
Die Entscheidung, ob Auskünfte aus den vorliegenden Verfahren nach den §§ 474 Abs. 2, 477 Abs. 2, Abs. 4, 478 StPO zu versagen oder zu erteilen sind, steht nicht lediglich im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O., m.w.N.). Die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 06. November 2015 sind daher gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG nicht nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen, sondern unterliegen insoweit unbeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung. Soweit die Staatsanwaltschaft in den angefochtenen Verfügungen entschieden hat, der C anstelle der beantragten Auskünfte gemäß § 474 Abs. 3 StPO Akteneinsicht zu gewähren, handelt es sich jedoch um eine Ermessensentscheidung (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O., m.w.N.). Insoweit kann der Senat lediglich überprüfen, ob Willkür oder ein Ermessensmissbrauch der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vorliegt. Die Prüfung erstreckt sich insoweit lediglich darauf, ob Gesichtspunkte zum Nachteil eines Betroffenen berücksichtigt wurden, die nach Sinn und Zweck des Gesetzes keine Rolle spielen dürfen, oder ob relevante Gesichtspunkte falsch bewertet oder außer Acht gelassen wurden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 28 EGGVG Rdnr. 10).
50
Anzumerken ist, dass der Senat aufgrund der insoweit ausdrücklichen Regelung des § 406e Abs. 4 StPO die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 06. November 2015 nicht daraufhin überprüfen kann, ob die C einen Anspruch auf Erteilung von Auskünften als „Verletzter“ einer Straftat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., vor § 406d Rdnr. 2) gemäß § 406e Abs. 5 i.V.m. Abs.1 StPO hat oder nicht. Nach § 406e Abs. 4 S. 2 StPO entscheidet im Falle der Anfechtung einer solchen staatsanwaltschaftlichen Entscheidung das nach § 162 StPO zuständige Gericht.
51
Gegen die ergehende gerichtliche Entscheidung ist die Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft (OLG Hamm, Beschluss vom 23. April 2015 - 1 Ws 123/15 BeckRS 2015, 09558). Für die Entscheidung über die Beschwerde wäre vorliegend das Landgericht Düsseldorf zuständig. Daraus ergibt sich, dass der Prüfungsumfang im Rahmen der vom Senat zu treffenden gerichtlichen Entscheidung gemäß § 23 EGGVG beschränkt ist und sich deren Rechtskraft daher auch nur entsprechend auf den zur rechtlichen Beurteilung gestellten Sachverhalt erstreckt, soweit über diesen vorliegend tatsächlich eine Entscheidung ergeht (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 29 EGGVG, Rdnr. 1).
52
3.
53
Die seitens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf getroffenen Entscheidungen, der C Auskünfte in die dort anhängigen Ermittlungsverfahren 130 Js 16/12 bzw. 130 Js 8/13 zu erteilen, sind weitgehend rechtmäßig ergangen.
54
Die C hat hinsichtlich des überwiegenden Anteils der von ihr gestellten Fragen jeweils einen Anspruch auf Erteilung von Auskünften aus den Ermittlungsakten aus § 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO bzw. aus § 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO.
55
a)
56
Nach § 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit die Auskünfte zur Feststellung, Durchsetzung oder zur Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich sind.
57
aa)
58
Die C ist eine andere öffentliche Stelle im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 1 StPO (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O., § 474 Rdnr. 5; Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O.). Erfasst sind alle nicht in § 474 Abs.1 StPO genannten, hoheitlich tätigen Stellen (also nicht: Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden), insbesondere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O.). Die C ist auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
59
bb)
60
Desweiteren begehrt sie Auskünfte u.a. zur Durchsetzung von Rückzahlungsansprüchen im Zusammenhang von Nebentätigkeitsvergütungen im Rahmen der C2, der Durchsetzung der von ihr als Disziplinarbehörde verfügten Aberkennung des Ruhegehaltes sowie der Rückforderung von Honoraren, die dem Betroffenen zu. 1 aufgrund Beraterverträgen ausgezahlt worden waren. Die nach dem Vorbringen der C zumindest denkbare – unlautere –Mitwirkung der Betroffenen zu 2. und 3. am Abschluss der Beraterverträge mit dem Betroffenen zu 1. führt quasi als Annex dazu, dass ungeachtet der Frage, ob auch diesen gegenüber Rückzahlungs- bzw. Schadensersatzansprüche seitens der C konkret geltend gemacht werden, auch deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber den Auskunftsansprüchen der C zurücktritt. Insoweit ist ohne Belang, ob die C auch im Verhältnis gegenüber den Betroffenen zu 2. und 3. unmittelbar eigene Aufgaben als „öffentliche Stelle“ zu erfüllen hat.
61
cc)
62
Die Rechtsansprüche stehen auch im unmittelbaren Zusammenhang mit den mutmaßlichen Straftaten der beiden betroffenen Ermittlungsverfahren; die jeweiligen Lebenssachverhalte bilden – soweit ersichtlich – den jeweiligen Rechtsgrund der mutmaßlichen Ansprüche ab.
63
dd)
64
Soweit im Folgenden nicht näher dargelegt, sind die erbetenen Auskünfte auch als „erforderlich“ im Sinne von § 474 Abs. 2 StPO anzusehen. Die Erforderlichkeit ist Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und bestimmt gegebenenfalls auch den Umfang der Auskunftserteilung (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, a.a.O., § 474 Rdnr. 4). Die Erforderlichkeit ist von der die Auskunftserteilung begehrenden öffentlichen Stelle zu prüfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 474 Rdnr. 4; § 477 Rdnr. 14; Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 26.11.2013 – III-1 VAs 116/13 – 120/13). Diese, hier also die C, trägt hierfür nach § 477 Abs. 4 S. 1 StPO die Verantwortung. Diese muss die Notwendigkeit der Auskunftserteilung in ihrem Ersuchen nicht näher darlegen (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, a.a.O., § 474 Rdnr. 4).
65
In der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung des „Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999)“ heißt es insoweit ausdrücklich zu der Regelung des § 477 Abs. 1 StPO, nach der Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden Akteneinsicht erhalten, wenn dies für Zwecke der Rechtspflege „erforderlich“ ist: „Darüber hinaus ist nach Absatz 1 Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie den Justizbehörden des Bundes und der Länder Akteneinsicht zu gewähren, soweit sie funktional als Justizbehörden in sonstiger Weise im Rahmen der Rechtspflege tätig werden; dazu gehört auch die Akteneinsicht zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 46 Abs. 2 OWiG) sowie entsprechend § 23 EGGVG für Aufgaben nach dem Bundeszentralregistergesetz und für Gnadensachen. Die Regelung des Absatz 1 Satz 1 verdeutlicht, dass nach dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip die Erforderlichkeit selbstverständliche Voraussetzung einer jeden Akteneinsicht ist, und geht davon aus, dass die Akteneinsicht grundsätzlich notwendig ist, ohne dass dies einer näheren Darlegung bedarf, wenn sie von den genannten Stellen mit dieser Zweckbestimmung begehrt wird (Anmerkung: Hervorhebung durch den Senat). Die Erforderlichkeit hat die Akteneinsicht begehrende Stelle zu prüfen. Die ersuchte Stelle kann und muss ggf. von deren Vorliegen ausgehen, wenn eine der in Absatz 1 genannten Stellen Akteneinsicht für Zwecke der Rechtspflege gewährt“ (BT-Drucks. 14/1484 S. 26).
66
Für eine andere, insbesondere strengere Überprüfung der Erforderlichkeit im Rahmen des § 474 Abs. 2 StPO im Vergleich zu § 474 Abs. 1 StPO findet sich in den Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt. Die Staatsanwaltschaft ist insoweit grundsätzlich lediglich befugt, zu überprüfen, ob die erbetene Auskunft abstrakt in den Anwendungsbereich der jeweiligen Ermächtigungsnorm des § 477 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 StPO fällt, d.h. den dort genannten jeweiligen Zwecken dienen soll. Erwägungen dahingehend, die Auskunft sei nicht erforderlich, weil die nach § 477 Abs. 4 S. 1 StPO privilegierte Stelle sich die Informationen auch auf anderem Wege, insbesondere aus eigenen Quellen beschaffen kann, sind der Staatsanwaltschaft daher von Rechts wegen verwehrt.
67
Entgegen der Auffassung der Betroffenen braucht die C entsprechendes grundsätzlich weder darzulegen, noch zu beweisen. Im Übrigen wäre die C ohne eine entsprechende Auskunft auch gar nicht in der Lage, überhaupt festzustellen, ob sie im Besitz aller relevanten Informationen ist.
68
Unerheblich ist insoweit insbesondere auch, ob die entsprechenden Auskünfte seitens der öffentlichen Stelle möglicherweise in ein zivilrechtliches Verfahren einfließen oder nicht. Maßgeblich ist – zumindest im Rahmen des hier vorliegenden § 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO lediglich, ob die erbetene Auskunft – aus Sicht der ersuchenden Stelle – zur „Feststellung, Durchsetzung oder zur Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich ist“. Ein Formenmissbrauch alleine deshalb, weil die Rechtsstreitigkeit nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterfällt, ist nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang darf sich die auskunftserteilende Stelle darauf verlassen, dass die entsprechenden, nach § 474 StPO erlangten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck verwendet werden, für den die Auskunft gewährt wurde (vgl. § 477 Abs. 5 S. 1 StPO). Hierauf muss im Falle des § 474 Abs. 2 SPO noch nicht einmal hingewiesen werden. In der Gesetzesbegründung zu § 477 Abs. 5 StPO heißt es insoweit: „Keine Hinweispflicht besteht, wenn die Auskunft oder Akteneinsicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, weil es ebenso wenig wie im Fall der Übermittlung von Informationen an eine öffentliche Stelle erforderlich ist, einen als Organ der Rechtspflege tätigen Rechtsanwalt auf die Zweckbindung hinzuweisen“. § 477 Abs. 4 StPO steht also auch einer Verwertung der Auskünfte im Rahmen einer Anfechtung der Einstellungsbescheide (§ 172 StPO) entgegen.
69
Weiterhin steht § 477 Abs. 4 StPO auch einer Verwertung der im Rahmen der nach § 474 Abs. 2 StPO zu gewährenden Auskünfte zwangsläufig zu offenbarenden „Drittgeheimnisse“ bezüglich der Betroffenen zu 2. und 3. zu anderen als den Auskunftsanspruch auslösenden Zwecken entgegen.
70
Die ersuchende Stelle ist daher nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die Notwendigkeit der Datenübermittlung in ihrem Ersuchen näher darzulegen. Vielmehr kann die ersuchte Behörde vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ohne Weiteres ausgehen. Die ersuchte Stelle muss auch keine weiteren Nachforschungen anstellen. Sie hat die Akteneinsicht (§ 474 Abs. 1 StPO) zu gewähren oder die Auskünfte zu erteilen (§ 474 Abs. 2 StPO), ihr steht insoweit kein Ermessen zu.
71
Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, dass die aus den betreffenden Ermittlungsverfahren begehrten Informationen - mit Ausnahme der Fragen, aus welchen Gründen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mehrere Jahre in Anspruch genommen haben und warum die Staatsanwaltschaft Düsseldorf darauf verzichtet habe, Ermittlungen im Bereich des Bundesversicherungsamts als (damalige wie heutige) Aufsichtsbehörde durchzuführen (Erhebung von Zeugenaussagen o.ä. - grundsätzlich im Rahmen der Zweckbindung des § 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO keine Bedeutung erlangen könnten. In den vorstehend als Ausnahme genannten Fällen ist jedoch – soweit sich entsprechende Informationen überhaupt aus den Akten ergeben (die Auskünfte sind gemäß § 474 Abs. 2 StPO nur „aus Akten“ zu erteilen) – ein Zusammenhang mit dem Übermittlungszweck des § 474 Abs. 2 StPO nach Bewertung des Senats auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Begründungen der C für die begehrten Auskünfte nicht ersichtlich, da „ein Zusammenhang mit der Straftat“ (§ 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO) oder der Aufgabenerfüllung der C (§ 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO) mit der Folge einer insoweit gebotenen vollständigen Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht gegeben ist.
72
Soweit die C angegeben hat, die Frage nach den Gründen eines Verzichts auf die Durchführung von Ermittlungen im Bereich des Bundesversicherungsamts ziele „auf Gewinnung eines besseren Verständnisses von dem Umgang der Staatsanwaltschaft mit dem Verfahren“, woraus gegebenenfalls Schlüsse für die von der C angestrengten Verfahren zu ziehen seien, geht es ersichtlich nicht um Auskünfte im Zusammenhang mit der – angeblichen – Straftat, sondern um die erhoffte Gewinnung verfahrenstaktischer Erkenntnisse, welche vom Auskunftszweck des § 474 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO ersichtlich nicht erfasst ist.
73
Gleiches gilt für die Frage nach den Gründen einer – angeblichen – überlangen Verfahrensdauer; entgegen der seitens der C hierzu angegebenen Begründung ist ein Sachzusammenhang dieser Frage mit dem derzeit ohnehin ruhenden und nur gegen den Betroffenen zu 1. gerichteten Disziplinarverfahren nicht ersichtlich.
74
Überdies ist nach Bewertung des Senats bereits die Prämisse der Fragestellung unzutreffend: So ist hinsichtlich des Verfahrens 130 Js 16/12 ersichtlich unrichtig, dass die Ermittlungen „nahezu drei Jahre“ in Anspruch genommen haben. Auf die Anzeigeerstattung der C vom 19. Februar 2012 ist dieser mitgeteilt worden, dass mangels hinreichenden Anfangsverdachts nicht beabsichtigt sei, überhaupt Ermittlungen aufzunehmen. Erst im Anschluss an das weitere Vorbringen mit Schriftsatz vom 18. Juli 2012 hat sich die Staatsanwaltschaft unter dem 02. Oktober 2012 veranlasst gesehen, die beabsichtigte Aufnahme von Ermittlungen mitzuteilen. Bereits unter dem 25. August 2014, also nicht einmal zwei Jahre nach der angekündigten Aufnahme von Ermittlungen, ist der C mitgeteilt worden, es sei beabsichtigt, das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Dass die förmliche Einstellung des Verfahrens erst mit Verfügung vom 21. Januar 2015 erfolgt ist, ist bei dieser Betrachtung ohne Belang.
75
Gleiches gilt für das Verfahren 130 Js 8/13. Auf die Strafanzeige vom 27. Februar 2013 hat die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 19. März 2013 entschieden, Ermittlungen aufzunehmen, jedoch bereits mit Verfügung vom 26. August 2014, also nicht einmal 1½ Jahre später mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts einzustellen.
76
ee)
77
Es bestand auch – mit Ausnahme der noch zu erörternden Frage betreffend die Einkommensbesteuerung des Betroffenen zu 1. – kein Anlass für die Staatsanwaltschaft über die grundsätzlich notwendige skizzierte Schlüssigkeitsprüfung der Erforderlichkeit der erbetenen Auskünfte nach § 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO hinaus zu einer weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit des Auskunftsersuchens nach § 477 Abs. 4 S. 2 StPO.
78
Ein besonderer, die weitergehende Prüfung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung im Sinne des § 477 Abs. 4 S. 2 StPO gebietender Anlass wird insoweit beispielsweise dann angenommen, wenn sich das Begehren auf eine ungewöhnliche Art von Daten bezieht oder wenn nach den Erfahrungen der ersuchten Stelle die Kenntnis der verlangten Daten normalerweise für den angegebenen Zweck nicht erforderlich ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 11. Juni 2010 – 2 VAs 1/10, BecKRS 2010, 14403; Senat, a.a.O., m.w.N.).
79
Anhaltspunkt für einen solchen Prüfungsanlass hinsichtlich der Art der Daten könnte gegebenenfalls auch § 4 Abs. 3 DSG NRW sein, der etwa die Verarbeitung personenbezogener Daten über die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen, die Gewerkschaftszugehörigkeit, die Gesundheit oder das Sexualleben einem strengeren Reglement unterstellt, als die Verarbeitung anderer personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 1 DSG NRW).
80
Bedenken bestehen im vorliegenden Fall indes insbesondere jedoch insoweit, als die C nähere Auskünfte zu Ermittlungen hinsichtlich der Einkommensbesteuerung des Betroffenen zu 1. bzw. tatsächlich im Wesentlichen zu deren etwaigen Ergebnissen begehrt. Soweit hier etwa ggfls. auch Feststellungen zu anderen – nicht mit Leistungen der C in Zusammenhang stehenden – Einkünften getroffen wurden, ist schon ein Zusammenhang mit dem Übermittlungszweck des § 474 Abs. 2 StPO fraglich, da ein Zusammenhang mit der Straftat (§ 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO) oder der Aufgabenerfüllung der C (§ 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO) nicht ersichtlich ist (s.o.).
81
Auskünfte in Form von Übermittlung personenbezogener Daten sind nach § 477 Abs. 2 StPO u.a. zu versagen, soweit der Übermittlung bundesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Dies trifft für den Schutz des Steuergeheimnisses aus § 30 AO zu (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 477 Rdnr. 4, hinsichtlich der vergleichbaren Problematik im Rahmen des § 406e Abs. 2 StPO vgl. Senatsbeschluss vom 23. April 2015 – 1 Ws 123/15, BeckRS 2015, 09558). Der Begriff des Steuergeheimnisses wird weit ausgelegt. Er umfasst fremde Verhältnisse und fremde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die in einem Ermittlungsverfahren bekannt geworden sind. Zu den Verhältnissen zählen alle persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer Person (vgl. Senatsbeschluss vom 23. April 2015, a.a.O., m.w.N.).
82
Ein Zulassungsgrund für eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 AO liegt – soweit dem Senat ersichtlich - nicht vor, so dass sie unbefugt wäre.
83
§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO greift nicht ein, weil die Offenbarung von Ermittlungen über Besteuerungsgrundlagen jedenfalls im konkreten Fall nicht der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens dient. Im konkreten Fall geht es um die Wahrung fiskalischer Interessen der C bzw. um die Wahrnehmung oder Beurteilung disziplinarrechtlicher Befugnisse.
84
Die Offenbarung ist auch nicht ausdrücklich gesetzlich zugelassen (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO; vgl. Senatsbeschluss vom 23. April 2015, a.a.O., m.w.N.). Auch kommt – soweit dem Senat ersichtlich - eine Offenbarung aufgrund einer besonderen beamtenrechtlichen Verwendungsregelung (etwa § 115 Abs. 1 BBG, vgl. Senatsbeschluss vom 23. April 2015, a.a.O., m.w.N.) nicht in Betracht.
85
Zudem bestand vorliegend schon aufgrund der Möglichkeit, dass auch Besteuerungsgrundlagen von nicht an den verfahrensgegenständlichen Straftaten beteiligten Personen, etwa möglicherweise der Ehefrau des Betroffenen zu 1. im Falle einer gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer, ermittelt wurden, ein besonderer, die weitergehende Prüfung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung im Sinne des § 477 Abs. 4 S. 2 StPO gebietender Anlass. Insbesondere sind im Hinblick auf § 30 AO im Übrigen „die Strafverfahrensakten so zu führen, dass ggf. Teile von Akten, z.B. Berichte der Jugendgerichtshilfe oder Sachverständigengutachten besonders gekennzeichnet sind und im Fall eines grundsätzlich berechtigten Verlangens nach Akteneinsicht von den übrigen Akten ohne unverhältnismäßigen Aufwand getrennt werden können. Anderenfalls wäre die gesamte Akte für das grundsätzlich berechtigte Einsichtsverlangen gesperrt“ (BT-Drucks. 14/1484, S. 28f.).
86
Die vorstehenden Erwägungen führen zur Aufhebung der Bescheide betreffend die beabsichtigte vollständige Auskunftserteilung auch zu Ergebnissen etwaiger Ermittlungen betreffend die Einkommensbesteuerung des Betroffenen zu 1.; da insoweit allerdings nach Maßgabe des Vorstehenden zulässige Auskünfte denkbar sind, ist zu dieser Frage unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
87
ff)
88
Entgegen der Ansicht der Betroffenen ist auch nicht ersichtlich, dass Fragen zur rechtlichen Einschätzung eines Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft nicht von § 474 Abs. 2 StPO erfasst sein sollten. Weder in der StPO noch in den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder findet sich – soweit dem Senat ersichtlich – eine Legaldefinition des Begriffes „Auskunft“. Den jeweiligen Regelungen ist nach Sinn und Zweck jeweils nur zu entnehmen, dass, wenn kein Anspruch auf umfassende Akteneinsicht besteht, dennoch bei Vorliegen bestimmter rechtlicher Voraussetzungen Zugang zu gewissen Informationen ermöglicht werden soll.
89
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „Auskunft“ eine „auf eine Frage hin gegebene Information oder aufklärende Mitteilung über jemanden oder etwas“ (Quelle: Internetadresse). Als Synonyme werden Begriffe verwendet wie „Angabe, Antwort, Aufklärung, Aufschluss, Bescheid, Hinweis, Information, Mitteilung, Nachricht oder Unterrichtung“ (Quelle: Internetadresse). Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber insoweit in Abgrenzung zu einer umfassenden Akteneinsicht lediglich die Beantwortung konkreter Anliegen im Auge hatte. Dass hiernach lediglich Tatsachen oder nur „personenbezogene Daten“ als Auskunftsobjekt in Betracht kämen, ist daher nicht ersichtlich. Eine gewisse Eingrenzung erfährt die mögliche Verpflichtung, auch zu rechtlichen Erwägungen Auskunft geben zu müssen, indes vorliegend bereits aus § 474 Abs. 2 StPO, als dass Auskünfte – wie bereits ausgeführt – „aus“ den Akten zu gewähren sind und daher etwaige rechtliche Erwägungen (etwa von der die Auskunft begehrenden Stelle über die in Vermerken oder Bescheiden eingeflossenen rechtlichen Argumente vermutete hinausgehende, „wirkliche“ Gründe“) nicht bestehen.
90
b)
91
Die C hat im unter a. aufgezeigten Umfang weiterhin Anspruch auf Erteilung von Auskünften aus den Ermittlungsakten aus § 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO.
92
Nach § 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit diesen Stellen in sonstigen Fällen aufgrund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen oder soweit nach einer Übermittlung von Amts wegen die Übermittlung weiterer personenbezogener Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist.
93
aa)
94
Im vorliegenden Fall dürfen der C gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 EGGVG personenbezogene Daten übermittelt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O.). Hiernach ist in Strafsachen die Übermittlung personenbezogener Daten des Beschuldigten, die den Gegenstand des Verfahrens betreffen, zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist für dienstrechtliche Maßnahmen oder Maßnahmen der Aufsicht, falls der Betroffene wegen seines Berufs- oder Amtsverhältnisses einer Dienst-, Staats- oder Standesaufsicht unterliegt, Geistlicher einer Kirche ist oder ein entsprechendes Amt bei einer anderen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft bekleidet oder Beamter einer Kirche oder einer Religionsgesellschaft ist und die Daten auf eine Verletzung von Pflichten schließen lassen, die bei der Ausübung des Berufs oder der Wahrnehmung der Aufgaben aus dem Amtsverhältnis zu beachten sind oder in anderer Weise geeignet sind, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzurufen.
95
aaa)
96
Die C ist eine solche andere öffentliche Stelle im Sinne von § 474 Abs. 2 S. 1 StPO (s.o.).
97
bbb)
98
Der Betroffene zu 1. unterliegt vorliegend, da er Versorgungsempfänger ist, aufgrund seines beamtengleichen Dienstordnungsanstellungsverhältnisses zu der C deren Dienstaufsicht.
99
ccc)
100
Auch geht es im Kern um Pflichtverletzungen des Betroffenen zu 1. im Rahmen der Ausübung seines „Amtes“. Dass seitens der C bereits dienstrechtliche Maßnahmen im Hinblick auf die Aberkennung des Ruhegehalts getroffen wurden bzw. aktuell keine Disziplinarermittlungen durchgeführt werden bzw. das entsprechende Verfahren derzeit „ruht“, ist insoweit ohne Belang.
101
bb)
102
Ferner dürfen im vorliegenden Fall der C gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 EGGVG personenbezogene Daten übermittelt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O.). Nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 EGGVG ist die betreffende Datenübermittlung zulässig, wenn die Kenntnis für Dienstordnungsmaßnahmen mit versorgungsrechtlichen Folgen oder für den Entzug von Hinterbliebenenversorgung, falls der Betroffene aus einem öffentlich-rechtlichen Amts- oder Dienstverhältnis mit einer Kirche oder anderen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft Versorgungsbezüge erhält oder zu beanspruchen hat, erforderlich ist. Auch dies hat die C so dargelegt.
103
cc)
104
§ 14 Abs. 2 EGGVG steht der Datenübermittlung ebenfalls nicht entgegen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Datenübermittlung in den Fällen des § 14 Abs. 1 Nrn. 4 bis 9 bei einer Verfahrenseinstellung grundsätzlich zu unterbleiben, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalles die Übermittlung erfordern. Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 EGGVG ist die Übermittlung insbesondere erforderlich, wenn die Tat bereits ihrer Art nach geeignet ist, Zweifel an der Zuverlässigkeit oder Eignung des Betroffenen für die gerade von ihm ausgeübte berufliche, gewerbliche oder ehrenamtliche Tätigkeit oder für die Wahrnehmung von Rechten aus einer ihm erteilten Berechtigung, Genehmigung oder Erlaubnis hervorzurufen. Ferner ist nach § 14 Abs. 2 S. 4 EGGVG im Falle der Einstellung des Verfahrens zu berücksichtigen, wie gesichert die zu übermittelnden Erkenntnisse sind.
105
Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich vor. Dass sich die staatsanwaltschaftliche Verfügung hierzu überhaupt nicht verhält, führt indes insoweit nicht zu ihrer Aufhebung, da das Oberlandesgericht ohne Bindung an die Feststellungen den Sachverhalt nach Beschwerdegrundsätzen auch in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 28 EGGVG Rdnr.1 ff) und es sich insoweit nicht um eine Ermessensentscheidung handelt.
106
c)
107
Hinsichtlich bereits der unter 3. a. dd. beanstandeten Auskunftsbegehren ist – wie schon im Hinblick auf den „Zusammenhang mit der Straftat“ im Sinne des § 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO – ein Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der C ebenfalls nicht ersichtlich, so dass insoweit ein Auskunftsanspruch auch aus § 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht gegeben ist.
108
4.
109
Soweit die Staatsanwaltschaft der C zur Auskunftserteilung – ohne dass dies beantragt gewesen wäre - unbeschränkt Akteneinsicht gemäß § 474 Abs. 3 StPO gewährt hat, war diese Entscheidung ermessensfehlerhaft. Zwar erstreckt sich die Überprüfung des Senats insoweit lediglich darauf, ob Gesichtspunkte zum Nachteil eines Betroffenen berücksichtigt wurden, die nach Sinn und Zweck des Gesetzes keine Rolle spielen dürfen, oder ob relevante Gesichtspunkte falsch bewertet oder außer Acht gelassen wurden (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 28 EGGVG Rdnr. 10). Dies ist hier jedoch der Fall.
110
Nach § 474 Abs. 3 StPO kann in den Fällen des Abs. 2, falls die Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung grundsätzlich erfüllt sind, ausnahmsweise (umfassende) Akteneinsicht gewährt werden, soweit die an sich vorrangige Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde oder die öffentliche Stelle unter Angabe von Gründen erklärt, dass die Erteilung einer Auskunft zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht ausreichen würde (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 474 Rdnr. 7, BT-Drucks. 14/1484 S. 26).
111
Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift als Ausnahmevorschrift sowie auch nach dem Wortlaut der Norm räumt diese der akteneinsichtsgewährenden Stelle insoweit ein Ermessen („kann“) ein. Nach dem Wortlaut des § 474 Abs. 3 StPO stellt der Gesetzgeber die beiden Alternativen, nach der die Staatsanwaltschaft ausnahmsweise Akteneinsicht gewähren darf, gleichrangig nebeneinander. Soweit Akteneinsicht gewährt werden kann, weil die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, folgt bereits aus der Natur der Sache, dass diese Beurteilung alleine der akteneinsichtsgewährenden Stelle, hier also der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, zusteht. Indes genügt allerdings der hier lediglich pauschale Hinweis auf den Umfang des Strafverfahrens nicht, da sie die Ausübung eines Ermessens nicht nachvollziehen lässt. Angesichts der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Anträge der C auf umfassende Akteneinsicht noch mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 bzw. 29. Dezember 2014 (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O.) abgelehnt hatte, da die Erteilung von Auskünften keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordere, ist dies deshalb sowie auch angesichts der überschaubaren Anzahl von berechtigten Auskunftsansprüchen auch ohne nähere Begründung schlicht nicht nachvollziehbar, zumal sich z.B. im Verfahren 130 Js 16/12 bereits ein Sonderheft „Einlassungen des Beschuldigten“ befindet. Hinsichtlich des Umfangs und auch des Aufwandes der zu erteilenden Auskünfte ist zu bemerken, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf daher von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft argumentiert, die auskunftsgewährende Stelle könne nicht immer die Relevanz jeder einzelnen Information für das Begehren der auskunftsersuchenden Stelle beurteilen, so ist dies kein Argument im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 474 Abs. 3 StPO, sondern betrifft bereits die zuvor hinsichtlich jeder begehrten Auskunft von der auskunftsgewährenden Stelle zu erfolgende Prüfung, ob insoweit ein Anspruch gem. § 474 Abs. 2 StPO gegeben ist; (lediglich) im Rahmen dieser Prüfung ist § 477 Abs. 4 StPO von Belang (s.o.). Vorliegend ist jedoch letztlich noch nicht einmal ersichtlich, dass sich die Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Mühe gemacht hätte, diese ihr obliegende Prüfung auskunftsbezogen durchzuführen.
112
Da der Senat sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Staatsanwaltschaft setzen darf, war die Sache insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zurückzuverweisen.
113
III.
114
Die Kostenentscheidung beruht auf § 30 S. 1 EGGVG i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 19, 22 GNotKG. Hierbei wurde berücksichtigt, dass die Verfügungen der Staatsanwaltschaft vom 06.11.2015 nach Bewertung des Senats lediglich hinsichtlich bei Gesamtbetrachtung deutlich untergeordneter Fragekomplexe aufzuheben sind und im Übrigen – zumindest vorläufig – nur die Art der beabsichtigten Auskunftserteilung zu beanstanden ist. Das Obsiegen der Betroffenen ist jeweils als gering anzusehen, im Hinblick auf den Betroffenen zu 1. wegen des insoweit nur sein Interesse betreffenden Erfolges bezüglich der Ermittlungen zur Einkommensbesteuerung allerdings weiter gehend.
115
IV.
116
Die Festlegung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 2 GNotKG i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG. Bei der nach billigem Ermessen zu erfolgenden Festsetzung hat sich der Senat von den bereits in seiner Entscheidung vom 16. Juni 2015 genannten Erwägungen leiten lassen, zu denen hinsichtlich des Betroffenen zu 1. folgendes ausgeführt worden ist:
117
„Da die Antragstellerin die Auskünfte insbesondere auch im Zusammenhang mit der Rückforderung überzahlter Vergütungen bzw. Honoraren begehrt, die teilweise Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind, hat sich der Senat insoweit nach den das fiskalische Interesse ausdrückenden Streitwertangaben der bekannten Klagen vor dem Landgericht Düsseldorf orientiert (ca. 50.000 Euro und ca. 163.000,00 Euro). Ein weiteres fiskalisches Interesse ergibt sich aus dem Rückzahlungsverlangen im Hinblick auf überzahlte Versorgungsbezüge (ca. 50.000,00 Euro).
118
Zu berücksichtigen war auch die von der Antragstellerin hervorgehobene Bedeutung der Akteneinsicht für die dienstaufsichtsrechtliche Auseinandersetzung im Hinblick auf die vollständige Aberkennung erheblicher Ruhestandsbezüge des Beschuldigten. Insoweit orientiert sich der Senat an § 99 Abs. 2 S. 2 GNotKG (5 x 12 x 6.200,00 Euro = 372.000,00 Euro).
119
Unter Zugrundelegung eines Prozentsatzes von 10% der sich überschlägig ergebenden Gesamtsumme (635.000,00 Euro), erschien es dem Senat unter Würdigung der von der Antragstellerinnen hervorgehobenen besonderen Bedeutung der Akteneinsicht für angemessen, den Geschäftswert auf bis 65.000,00 Euro festzusetzen.
120
Diese Erwägungen gelten für den Betroffenen zu 1. fort und führen hinsichtlich der Betroffenen zu 2. und 3. bei Berücksichtigung der diesen seitens der C im Hinblick auf die für den Betroffenen zu 1. abgeschlossenen Beraterverträge zur Last gelegten Mitwirkung in Form der Untreue zu einer Bemessung des Geschäftswertes auf 10 % von 50.000,00 € = 5.000,00 €.
121
V.
122
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde nach § 29 EGGVG nicht zu, da keiner der in § 29 Abs. 2 S. 1 EGGVG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt. Die Rechtssache hat vorliegend weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Rechtsbeschwerdegericht (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2015, a.a.O.). Der vorliegende Einzelfall gibt des Weiteren keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen. Auch geht von der Entscheidung keine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus. Denn der Senat weicht mit der vorliegenden Entscheidung, soweit bekannt, nicht von bisheriger ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.



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