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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 134/16 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Die Form der Erklärung einer Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle ist nur gewahrt, wenn klar zum Ausdruck kommt, dass der Urkundsbeamte eine von dem Beschwerdeführer vorgefertigte Rechtsbeschwerdebegründung geprüft, gebilligt und für sie die Verantwortung übernommen hat.
2. Den Anforderungen an die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt einer Rechtsbeschwerdebegründung wird regelmäßig nicht genügt, wenn schriftlich vorgefertigte Erklärungen des Betroffenen in das Protokoll unverändert hineinkopiert bzw. eingescannt werden, sofern das Protokoll nicht gleichwohl erkennen lässt, dass der Urkundsbeamte die Grundsätze zur eigenständigen Prüfung der Rechtsmittelbegründung beachtet hat.
3. Dem Betroffenen ist auf rechtzeitigen Antrag regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, wenn die nicht formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde durch den Rechtspfleger zu vertreten ist; über diese Möglichkeit ist der Betroffene nach den Grundsätzen über ein faires Verfahren zu belehren.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Protokoll der Geschäftsstelle, Rechtspfleger, Übernahme der Verantwortung für die Begründung einer Rechtsbeschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Belehrung

Normen: StPo 44, StPO 45,

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm am
26.04.2016 beschlossen:
Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Fristen der Rechtsbeschwerde und des Wiedereinsetzungsgesuchs werden als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I wird zurückgewiesen.

Gründe
1.
Die am 01.03.2016 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bochum eingelegte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht in einer den Anforderungen des § 118 Abs. 3 StVollzG genügenden Form begründet worden ist.

Die Niederschrift der Geschäftsstelle vom 01.03.2016 besteht neben einem Einleitungssatz, Ausführungen zu den Wiedereinsetzungsanträgen, den sich auf die Rechtsbeschwerde beziehenden Anträgen und einem kurzen Abschlussabschnitt lediglich aus dem ersichtlich unter Beibehaltung der Schriftart eingescannten, annähernd 1½-seitigen Text, den der Betroffene bereits unter dem 14.01.2016 zur Begründung der Rechtsbeschwerde an das Landgericht Bochum übermittelt hat. Selbst Ungenauigkeiten der Interpunktion („Vorliegend ist das der Fall,“) sowie der Seitenumbruch des vorgenannten Schreibens sind beim Einfügen in die Niederschrift unverändert übernommen worden. Die Form der Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist aber nur gewahrt, wenn klar zum Ausdruck kommt, dass der Urkundsbeamte eine von dem Beschwerdeführer abgegebene Rechtsbeschwerdebegründung geprüft, gebilligt und für sie die Verantwortung übernommen hat (vgl. OLG Hamm, NStZ 1982, 526; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 119 Rn. 6 m.w.N.). Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 04.06.2013 - 1 Vollz (Ws) 122/13 - (ebenso Senatsbeschluss vom 19.05.2015 - 1 Vollz (Ws) 201/15 -) ausgeführt:

„Durch die Formvorschrift des § 118 Abs. 3 StVollzG soll - wie mit der Parallelvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO - sichergestellt werden, dass das Vorbringen des Antragstellers in sachlich und rechtlich geordneter Weise in das Verfahren eingeführt wird und die Gerichte von unsachgemäßen und sinnlosen Anträgen entlastet bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 BvR 1095/12 - BeckRS 2012, 59994; OLG Koblenz, Beschluss vom 07.11.2011 - 2 Ws 531/10 (Vollz) -, zitiert nach juris). Daneben soll das Formerfordernis des § 118 Abs. 2 StVollzG aber auch zugunsten des regelmäßig unkundigen Rechtsmittelführers dazu beitragen, dass sein Rechtsmittel nicht von vornherein an Formfehlern oder anderen Mängeln scheitert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 BvR 1095/12 - BeckRS 2012, 59994).

Bei der Niederschrift zu Protokoll muss der Rechtspfleger, der als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle tätig wird, daher die ihm vorgetragenen Anträge auf Form und Inhalt prüfen, den Antragsteller belehren, auf Vermeidung offenbar unzulässiger Anträge hinwirken und zulässigen Anträgen einen angemessenen und klaren Ausdruck geben. Eine Begründung des Beschwerdeführers darf er nur dann zugrunde legen, wenn er für deren Inhalt und Form auch die Verantwortung übernehmen kann. Der Rechtspfleger ist dabei kein Werkzeug des Rechtsmittelführers, insbesondere auch keine Briefannahmestelle (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 07.11.2011 - 2 Ws 531/10 (Vollz) - m.w.N., zitiert nach juris). Es führt daher zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde, wenn der Rechtspfleger lediglich auf eigene schriftliche Ausführungen des Rechtsmittelführers Bezug nimmt (vgl. BGHR StPO, § 345 Abs. 2, Begründungsschrift 2 - Beschluss vom 22.01.1988 ‑ 3 StR 533/87 - ).“

Diese Grundsätze finden nach Auffassung des Senats auch bzw. erst Recht Anwendung bei - wie vorliegend - lediglich hineinkopierten bzw. eingescannten schriftlichen Ausführungen des Betroffenen (vgl. BGH NStZ 2000, 211, juris; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 345 Rn. 16), sofern das Protokoll nicht gleichwohl erkennen lässt, dass der Urkundsbeamte die vorgenannten Grundsätze beachtet hat (vgl. Bachmann in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschn. P Rn. 107 m.w.N.).

2. Aus den vorgenannten Gründen erweisen sich auch die bisherigen Wiedereinsetzungsanträge des Betroffenen als unzulässig. Denn eine nicht formgerechte Nachholung der versäumten Handlung im Sinne der §§ 120 Abs. 1 StVollzG, 45 Abs. 2 S. 2 StPO - hier also die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde in einer den Anforderungen des § 118 Abs. 3 StVollzG genügenden Form - führt zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 45 Rn. 11).

3. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass dem Betroffenen hier Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt werden kann, wenn die nicht formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde durch den Rechtspfleger zu vertreten ist. Denn ein Fehlverhalten der Justizbehörden ist dem Betroffenen nicht zuzurechnen. Bei einer solchen Fallgestaltung besteht daher für den Betroffenen grundsätzlich die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer formgerechten Begründung der Rechtsbeschwerde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt der Grundsatz fairer Verfahrensführung jedenfalls dann, wenn der Wiedereinsetzungsgrund in einem der Justiz zurechnenden Fehler liegt, eine ausdrückliche Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.06.2007 - 2 BvR 61/07 -, m. w. N., juris; BVerfG, Beschluss vom 29.02.2012 - 2 BvR 2911/10 - juris).

Da eine solche Fallgestaltung hier jedenfalls nicht auszuschließen ist, war der Betroffene daher vorsorglich wie folgt zu belehren:

Die Frist für einen (neuerlichen) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des vorliegenden Senatsbeschlusses. Die Frist beträgt eine Woche. Innerhalb dieser Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei dem Landgericht Bochum oder bei dem Oberlandesgericht Hamm zu stellen (§ 120 Abs. 1 StVollzG, § 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 StPO). Innerhalb der Antragsfrist von einer Woche seit Zustellung des vorliegenden Senatsbeschlusses ist außerdem die versäumte Handlung - hier die formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde durch eine von einem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts - beim Landgericht Bochum oder beim Oberlandesgericht Hamm nachzuholen (§ 118 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 und 3 StVollzG; § 120 Abs. 1 StVollzG, § 45 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 2 S. 2 StPO). Der Wiedereinsetzungsantrag und die Rechtsbeschwerde können auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts angebracht werden, in dessen Bezirk der Betroffene inhaftiert ist, mithin hier beim Amtsgericht Bochum.

4. Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bereits unzulässig ist, da einerseits der Betroffene nicht die gemäß §§ 120 Abs. 2 StVollzG, 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Akte gereicht hat und es andererseits noch näherer Abklärung bedürfte, wie der Umstand zu bewerten ist, dass der Betroffene sein erstinstanzliches PKH-Gesuch nach einer Mitteilung der Justizvollzugsanstalt vom 17.07.2015 über ein etwaiges externes Bankkonto des Betroffenen mit einem Guthaben von annähernd 1 Million Euro (Stand 2014) und einem Hinweis der Strafvollstreckungskammer vom 28.08.2015 auf eine sich gegebenenfalls hieraus ergebende Strafbarkeit wegen versuchten Betruges mit Schreiben vom 03.09.2015 zurückgenommen hat. Denn jedenfalls ist der Antrag unbegründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorgenannten Erwägungen keine Aussicht auf Erfolg hat (§§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 ZPO).



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