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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 157/16 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Die Verurteilung durch ein österreichisches Gericht aufgrund von in Österreich begangener Straftaten kann den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung im Inland rechtfertigen.
2. Die Herausbildung des Vertrauens, der Widerruf einer Strafaussetzung werde unterbleiben, ist kein plötzliches Ereignis, sondern ein sich entwickelnder Prozess, in dessen Verlauf der Verurteilte auch die Bearbeitungszeiten in der Justiz berücksichtigen muss.
3. Ein Zeitablauf von nur sechs Monaten zwischen dem Ablauf der Bewährungszeit und der Entscheidung über den Widerruf kann einen Vertrauenstatbestand noch nicht begründen.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafaussetzung, Widerruf, Auslandstat, Vertrauenstatbestand

Normen: StGB 56f

Beschluss:

Strafsache
in pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 10.05.2016 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Detmold hat den Beschwerdeführer am 3. August 2010 wegen Betruges in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
Mit Beschlüssen vom 26. November 2010 und 30. Juni 2011 sind die Einzelstrafen unter Auflösung der Gesamtstrafe gemäß § 460 StPO auf eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten zurückgeführt worden.
Nach der Verbüßung von Zweidritteln der Strafe hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld die bedingte Haftentlassung des Verurteilten zum 25. September 2012 angeordnet und eine Bewährungszeit von drei Jahren festgesetzt.
Im Laufe der Bewährungszeit gelangten vielfältige neue Anklagen zum Bewährungsheft, den Kontakt zur Bewährungshilfe hat der Beschwerdeführer seit dem 11. November 2013 abgebrochen. Am 27. Juni 2015 wurde der Verurteilte in Österreich vorläufig festgenommen und befand sich dort seit dem 28. Juni 2015 ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Durch das Landesgericht Wiener Neustadt ist der Beschwerdeführer am 2. Oktober 2015 wegen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, gewerbsmäßigen schweren Betruges, Urkundenunterdrückung sowie Unterschlagung im Tatzeitraum von Januar bis Juni 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden.
Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin im vorliegenden Verfahren den Widerruf der Strafaussetzung beantragt, der Verurteilte ist hierzu schriftlich angehört worden. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Bewährungsaussetzung widerrufen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner rechtzeitigen sofortigen Beschwerde unter näheren Ausführungen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das Landgericht Bielefeld hat die Strafaussetzung zur Bewährung zu Recht widerrufen, da der Verurteilte in der Bewährungszeit neue Straftaten begangen und dadurch gezeigt hat, dass sich die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung nicht erfüllt hat (§§ 57 Abs. 5 Satz 1, 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB). Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht auch nicht gem. §§ 57 Abs. 5 Satz 1, 56f Abs. 2 StGB vom Widerruf abgesehen.
Der Beschwerdeführer ist vorliegend rechtskräftig wegen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, gewerbsmäßigen schweren Betruges, Urkundenunterdrückung sowie Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, wobei sämtliche Taten in laufender Bewährungszeit begangen wurden. Diese Taten deuten grundsätzlich, bereits unabhängig von der ausgesprochenen Rechtsfolge, darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer - von bisherigen Verurteilungen, Bewährungschancen und bislang erlittener Haft unbeeindruckt - generell über mit Strafe bewehrte Ge- und Verbote hinwegsetzt, soweit ihm dies geboten erscheint. Bei den abgeurteilten Taten handelt es sich darüber hinaus auch in Bezug auf die hier zugrunde liegende Verurteilung um einschlägige Betrugsdelikte.
Zur Einwirkung auf den Beschwerdeführer kam hier nur der Widerruf der Strafaussetzung in Betracht. Der Verurteilte hat bereits zum wiederholten Male eine Bewährungschance nicht genutzt, auch mehrjährige Haft hat ihn nicht von den neuen Straftaten abhalten können. Mit Blick auf seine 15 Voreintragungen im Bundeszentralregister und in Anbetracht der hohen Rückfallgeschwindigkeit ist einzig der Widerruf angezeigt. Eine positive Prognose vermag ihm der Senat nicht zu stellen.
Entgegen der vom Beschwerdeführer in seiner Rechtsmittelschrift vertretenen Auffassung wurde die vorliegende Verurteilung auch nicht in die neuerliche Aburteilung einbezogen. Vielmehr ist die hiesige Verurteilung lediglich im Rahmen der Strafzumessung im neuen Urteil gewichtet worden.
Dass der Beschwerdeführer die neuen Taten im Ausland begangen hat, steht ihrer Heranziehung als Widerrufsgrund nicht entgegen.
Jedenfalls auf inländische rechtskräftige Urteile darf sich das Widerrufsgericht stützen und dadurch die Überzeugung von Art und Ausmaß der Schuld des Täters gewinnen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16. Januar 1991 - 1 Ws 18/91, StV 1991, 270). Die neue Tat muss im Widerrufsverfahren grundsätzlich nicht noch einmal aufgeklärt und bewiesen werden (KG Berlin, Beschluss vom 23. Mai 2014 - 2 Ws 198/14, StraFo 2014, 431).
Diese Grundsätze gelten in der Regel auch für ausländische Urteile, soweit diese auf einem rechtsstaatlichen Verfahren beruhen, in dem die maßgeblichen Feststellungen auf fundierter und nachvollziehbarer Tatsachengrundlage durch ein unabhängiges Gericht unter Wahrung der Rechte des Angeklagten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention getroffen worden sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 26. Februar 2016 - 1 Ws 5/16, [juris]]; KG Berlin, Beschluss vom 23. Mai 2014 - 2 Ws 198/14, a.a.O.).
Das Strafprozessrecht in Österreich, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, erfüllt jedenfalls diese Grundstandards. Dass sie vorliegend auch eingehalten wurden, wird aus dem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt hinreichend deutlich.
Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Widerruf der Strafaussetzung aufgrund einer Auslandstat ferner voraussetzt, dass auf diese deutsches Strafrecht Anwendung finden würde (so SSW-StGB/ Mosbacher, 2. Auflage, § 56f Rn. 9; MüKoStGB/ Groß, 2. Aufl., § 56f Rn. 9; a.A. KG Berlin, Beschluss vom 23. Mai 2014 - 2 Ws 198/14 a.a.O.). Denn die neuen Taten wären auch nach deutschem Recht strafbar.
Auch das Fehlen einer Auslieferungsbewilligung für das Verfahren, in dem der Widerruf der Strafaussetzung beantragt ist, hindert den Widerruf nicht (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 30. Dezember 2008 - 2 Ws 642/08, NStZ-RR 2009, 239 m.w.N.).
Der Widerruf ist letztlich ebenfalls nicht wegen Zeitablaufs unzulässig, denn der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer innerhalb der Bewährungszeit begangenen Straftat ist grundsätzlich noch bis zum Erlass der Strafe möglich (Fischer, StGB, 63. Auflage, § 56f Rn. 19a m.w.N.).
Eine Höchstfrist, innerhalb derer ein Widerruf zu erfolgen hat, sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Dezember 1983 - 3 Ws 523/83, [juris]]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Januar 1995 - 1 Ws 70/95, [juris]]; OLG Rostock, Beschluss vom 11. November 2003 - I Ws 443/03, [juris]]). Der Widerruf der Strafaussetzung kann allenfalls dann unzulässig sein, wenn die Entscheidung im Widerrufsverfahren ungebührlich verzögert wurde und der Verurteilte darauf vertrauen durfte, dass sein Verhalten im Rahmen der Bewährungsaufsicht keine Konsequenzen mehr nach sich ziehen werde (Leipziger Kommentar-Hubrach, 12. Auflage, § 56f Rn. 50). Die Vertrauensbildung ist hierbei kein plötzliches Ereignis, sondern ein sich entwickelnder Prozess, in dessen Verlauf der Verurteilte auch die Bearbeitungszeiten in der Justiz berücksichtigen muss (KG Berlin, Beschluss vom 13. März 2003 - 5 Ws 90/03, NJW 2003, 2468).
Anhaltspunkte für einen solchen Vertrauensschutztatbestand, der dem Widerruf der Strafaussetzung nach Ablauf der Bewährungszeit entgegenstehen könnte, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Im zugrunde liegenden Verfahren ist die Bewährungszeit im September 2015 abgelaufen, der Widerrufsbeschluss stammt von März 2016. Auch wenn hier zwischen dem Ablauf der Bewährungszeit und der Entscheidung über den Widerruf sechs Monate liegen, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Allein die mehrmonatige Untätigkeit der Strafvollstreckungskammer, die den Ausgang des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer vor Durchführung des Widerrufsverfahrens abwarten wollte, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen auf das Unterbleiben des Widerrufs (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Mai 2013 - III - 3 Ws 126/13, StRR 2013, 283).
Bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung konnte ferner noch kein schutzwürdiges Vertrauen wegen Zeitablaufs entstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2007 - 3 Ws 605/07, [juris]]). Der Verurteilte ist im Rahmen der damaligen Strafaussetzung belehrt worden, dass neue Straftaten regelmäßig zum Widerruf der Strafaussetzung führen. Insofern konnte der gerichtserfahrene Verurteilte nicht darauf vertrauen, dass neuerliche Straftaten für ihn im laufenden Bewährungsverfahren ohne Konsequenzen bleiben würden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, der vielfachen Anklageschriften, die im Laufe der Bewährungszeit zum Bewährungsheft gelangt sind.
Darüber hinaus lagen die neuerlich abgeurteilten Taten weder lange zurück noch hat das Landgericht nach Urteilserlass und Kenntniserlangung ungebührlich mit dem Widerruf zugewartet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.




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