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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 RVs 16/16 OLG Hamm

Leitsatz: Die durch den vormaligen formularmäßig umfassend bevollmächtigten Wahlverteidiger und – nach Niederlegung des Wahlmandats – späteren Pflichtverteidiger erklärte Beschränkung eines Rechtsmittels ist mangels entsprechender ausdrücklicher Vollmacht im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO unwirksam, wenn die Rechtsmittelbeschränkung zeitlich nach der antragsgemäß unter Niederlegung des Wahlmandats erfolgten Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgt ist und keine gesonderte ausdrückliche Vollmacht des Angeklagten zur Rechtsmittelbeschränkung erteilt war.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Rechtsmittelbeschränkung, Vollmacht, Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, Pflichtverteidiger

Normen: StPO 302

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 07.06.2016 beschlossen.

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hamm hat den Angeklagten mit Urteil vom 10.12.2015 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen. Der mit Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 23.12.2014 bestellte und zuvor als Wahlverteidiger tätige Pflichtverteidiger, der nach den Feststellungen des vorliegend angefochtenen Urteils in der Verhandlung bereit und willens war, für den Angeklagten aufzutreten, und nach Auffassung der Strafkammer zur Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten im Sinne des § 329 Abs. 2 StPO bevollmächtigt war, hat in diesem Termin das Rechtsmittel mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Im Folgenden hat das Landgericht die Berufung verworfen. Die Kammer hat dabei die Rechtsmittelbeschränkung als wirksam und daher die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils zur Tat als bindend angesehen und im Urteil als Zitat wiedergegeben.

Gegen das landgerichtliche Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt und diese mit der Erhebung der allgemeinen Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

II.
Die zulässige Revision hat auf die Sachrüge hin (vorläufig) Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die in der Berufungshauptverhandlung vom Verteidiger gemäß § 318 StPO erklärte Beschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung ist unwirksam, da dem Verteidiger zur nachträglichen Beschränkung eines Rechtsmittels - hier: der Berufung nach Ablauf der Begründungsfrist des § 317 StPO (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.02.2008 - 3 Ss 514/07 -, juris m.w.N.) - die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung fehlte. Dies hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen.

Zwar hat der Angeklagte dem Verteidiger bei Erteilung des Wahlmandats am 19.09.2014 eine (Formular-)Vollmacht erteilt, die insbesondere das Recht umfassen sollte, „ein Rechtsmittel einzulegen, ganz oder teilweise zurückzunehmen oder auf es zu verzichten, sowie Rechtsmittel zu beschränken“. Dies genügt vorliegend für eine hinreichende Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO jedoch selbst dann nicht, wenn - was der Senat bezweifelt - die Auffassung des Verteidigers zuträfe, dass die im Zusammenhang mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgte Niederlegung des Wahlmandats hier nur beschränkt erfolgt und die Wirksamkeit der vorgenannten Befugnis hiervon unberührt geblieben sei (allg. zum Erlöschen von Ermächtigung bzw. Vertretungsvollmacht bei Niederlegung des Wahlmandats vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.04.2014 - III-5 RVs 11/14 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 12.02.2008, a.a.O.; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 302 Rn. 36 m.w.N.).

Denn eine solche Ermächtigung muss sich wegen der besonderen Tragweite, die eine Rechtsmittelrücknahme bzw. eine nachträgliche Rechtsmittelbeschränkung in aller Regel hat, der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit der abgegebenen Erklärung und des regelmäßigen Ausschlusses einer Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen. Es bedarf daher grundsätzlich der genauen Bezeichnung des Rechtsmittels, zu dessen Rücknahme ermächtigt wird, durch den Angeklagten. Diese ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich die Konkretisierung ohne Weiteres aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, etwa weil eine allgemein formulierte, dem Verteidiger die Befugnis zur Rücknahme „von Rechtsmitteln“ erteilende Vollmacht nur bzw. erst für ein Berufungsverfahren oder nur bzw. erst zur Durchführung der Revision erteilt worden ist (vgl. KG, Beschluss vom 08.01.2015 - 4 Ws 128/14 -, juris; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 32, jew. m.w.N.). Eine solche Konkretisierung ist hingegen vorliegend weder dem Wortlaut der Vollmachtsurkunde vom 19.09.2014 noch den sonstigen Umständen zu entnehmen, zumal die Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln bereits vor der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 04.11.2014 erteilt worden ist.

Der Verteidiger hat auf entsprechende Nachfrage des Senats auch nicht geltend gemacht, dass ihn der Angeklagte zu einem Zeitpunkt nach der allgemeinen Vollmachtserteilung eine ausdrückliche Ermächtigung zur Berufungsrücknahme erteilt hätte. Auch im Übrigen ist hierfür nichts ersichtlich.

Dieses Fehlen der Ermächtigung zur Beschränkung der Berufung hat zur Folge, dass das Rechtsmittel als unbeschränkt eingelegt anzusehen ist. Mangels einer wirksamen Beschränkung war die Strafkammer verpflichtet, den Sachverhalt in vollem Umfang festzustellen und rechtlich zu bewerten. Das ist hinsichtlich der Feststellungen zur Tat nicht erfolgt.

Das Urteil war daher auf die allgemeine Sachrüge hin aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.



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