Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 479/16 OLG Hamm
Leitsatz: Eine lediglich andere Bewertung der Gefährlichkeit von Gegenständen (hier: Spielkonsole Playstation II "ligth") durch die Behörden stellt keinen neuen Umstand im Sinne des § 83 Abs. 3 Nr. 1 StVollzG NRW dar, der den Widerruf einer erteilten Genehmigung zu deren Besitz oder Beschaffung rechtfertigt, ebenso auch nicht allein der Erlass einer ministeriellen Verordnung, nach deren Inhalt die Genehmigung des Besitzes bestimmter Gegenstände generell für unzulässig erklärt wird.
Senat: 1
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Strafvollzug, Playstation II "light", Widerruf einer Genehmigung
Normen: StVollzG NRW 15 Abs. 2; StVollzG NRW 83 Abs. 3 Nr. 1
Beschluss:
Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 01.12.2016 beschlossen:
Soweit mit dem angefochtenen Beschluss die Aufhebung des Bescheides der Justizvollzugsanstalt C vom 03.05.2016 abgelehnt worden ist, wird die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen und werden der angefochtene Beschluss sowie der Bescheid der Justizvollzugsanstalt C vom 03.05.2016 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung sowie für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG).
Die Kosten des Verfahrens in erster Instanz sowie des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Betroffene zu tragen, jedoch wird die gerichtliche Gebühr jeweils um drei Viertel ermäßigt. Die Landeskasse hat insgesamt die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu 3/4 zu tragen.
Gründe:
I.
Der Betroffene verbüßt derzeit eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe Haftstrafe wegen Mordes sowie wegen Raubes mit Todesfolge, von der am 16.02.2017 15 Jahre vollstreckt sein werden. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt.
Am 05.04.2016 wurde dem Betroffenen die von ihm am selben Tag beantragte Anschaffung einer modifizierten Spielekonsole Playstation II genehmigt. Eine Bezahlung des Geräts erfolgte jedoch noch nicht, da der Antragsteller zur Aufbringung des Kaufpreises in Höhe von 90,00 Euro noch ausstehende Gehaltszahlungen durch den Antragsgegner abwarten musste.
Mit schriftlicher Verfügung vom 03.05.2016 widerrief der Antragsgegner die Genehmigung vom 05.04.2016 mit der Begründung, dass der Betroffene nicht über die erforderlichen Barmittel verfüge und die Spielekonsole seit dem 21.04.2016 nicht mehr zulässig sei. Dies hat der Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren ausweislich der Feststellungen des angegriffenen Beschlusses dahingehend erläutert, dass ihm mit Erlass des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2016 die Zustimmung zur Aushändigung von Spielekonsolen des Typs Sony PlayStation I und II light aufgrund von Sicherheitsbedenken versagt worden sei. Man habe daher entschieden, derartige Spielekonsolen zukünftig nicht mehr zu genehmigen und nur noch solche Spielekonsolen zur Wahrung des Vertrauensschutzes auszuhändigen, die bereits vor dem 21.04.2016 genehmigt und bezahlt worden seien.
Das weitere Vorbringen des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren wird in der angefochtenen Entscheidung so zusammengefasst, dass dieser in seiner Stellungnahme vom 27.06.2016 den Widerruf nachträglich zusätzlich darauf stützt, der Antragsteller sei im Frühjahr 2014 im Rahmen seines Arbeitseinsatzes in der Druckerei in den Verdacht geraten, das betriebseigene Netzwerk manipuliert zu haben. Darüber hinaus sei - insoweit unstreitig - bekannt geworden, dass der Antragsteller während eines Aufenthalts in der JVA T zur Teilnahme an einer sozialtherapeutischen Maßnahme einen ihm ausgehändigten DVD-Player technisch derart verändert habe, dass fortan der ursprünglich versiegelte USB-Port nutzbar gewesen sei. Zudem habe man auf dem DVD-Player sowie anlässlich einer Kontrolle des Haftraums des Antragstellers pornographisches Material gefunden.
Den gegen den Widerruf der Genehmigung vom 05.04.2016 gerichteten Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 06.05.2016 sowie seinen weiter gehenden Antrag vom 25.07.2016, den Antragsgegner zu verpflichten, zumindest einen der an der ihm auszuhändigenden Spielekonsole vorhandenen Steckplätze für Memory-Cards nutzbar zu lassen, hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, dass rechtmäßige Maßnahmen gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 1 StVollzG NRW mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden könnten, wenn aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können. Dies sei bezüglich der Genehmigung vom 05.04.2016 angesichts des Erlasses des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2016 sowie der von der Antragsgegnerin anlässlich ihrer Stellungnahme vom 27.06.2016 nachträglich bekannt gewordenen und vorgetragenen Umstände der Fall.
Es sei hinlänglich bekannt und obergerichtlich geklärt, dass von technischen Geräten mit Speichermöglichkeit wie einer Playstation II auch nach der Sperrung und Versiegelung von Schnittstellen eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 2 StVollzG NRW ausgehe, der nicht bzw. nur mit unverhältnismäßig hohem Kontrollaufwand hinreichend zu begegnen sei. Dies hätte offenbar auch Veranlassung für den Erlass des Justizministeriums vom 21.04.2016 gegeben. Darüber hinaus sei der Betroffene - was vorliegend ohne wesentliche Veränderung der angegriffenen Maßnahme berücksichtigt werden dürfe - bereits in der Vergangenheit wegen Manipulationshandlungen an technischen Geräten auffällig geworden. Die angefochtene Maßnahme leide auch nicht an einem Ermessensfehler, zumal der Antragsgegner trotz der seit dem 21.04.2016 veränderten Erlasslage von einem pauschalen Widerruf sämtlicher zuvor erteilten Genehmigungen abgesehen habe. Dem Widerruf stehe auch kein schwerwiegender Vertrauenstatbestand entgegen, da der Betroffene noch gar nicht im Besitz der begehrten Playstation II light sei.
Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und beantragt, den angefochtenen Beschluss und den Bescheid des Antragsgegners vom 03.05.2016 aufzuheben sowie den Antragsgegner zu verpflichten, den Betroffenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hält die Rechtsbeschwerde mangels Zulassungsgrundes für unzulässig.
II.
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages vom 25.07.2016 hinsichtlich der Steckplätze für Memorycards richtet, erweist sie sich schon deshalb als unzulässig, weil kein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorliegt, nämlich keine Vorbefassung des Antragsgegners mit einem diesbezüglichen Antrag des Betroffenen gegeben ist. Dies gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde und ist im Rechtsbeschwerdeverfahren bereits auf die zulässig erhobene Sachrüge von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 01.08.2013, 1 Vollz (Ws) 323/13; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.06.2010, 2 Ws 184/10 (Vollz), Rn. 11, juris; jew. m.w.N.).
2. Im Übrigen erfüllt die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde (§ 118 StVollzG) die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG (2.a.). Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg; bereits auf die Sachrüge sind der angefochtene Beschluss sowie der Bescheid des Antragsgegners vom 03.05.2016 aufzuheben (2.b.).
a) Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgt die Zulassung der Rechtsbeschwerde, wenn vermieden werden soll, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat.
Vorliegend ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung schon deshalb gefährdet, weil das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidungsfindung die Grenzen des § 115 Abs. 5 StVollzG nicht hinreichend beachtet, nämlich fehlerhafte Erwägungen des Antragsgegners im Rahmen des diesem zustehenden Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraums durch eigene ersetzt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 04.11.2014 - III-1 Vollz(Ws) 475/14 -, juris, m.w.N.; Senat, NStZ 1991, 303; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 115 Rn. 13). Denn die Strafvollstreckungskammer hat eine Gefährdung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt ausdrücklich auch mit dem erstmals mit der Stellungnahme vom 27.06.2016 angeführten konkreten Fehlverhalten des Betroffenen begründet, während in dem - insofern maßgeblichen - Bescheid vom 03.05.2016 allein darauf abgestellt worden ist, dass seit einem Erlass des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2016 die Genehmigung von Spielekonsolen des Typs Sony Playstation I und II light grundsätzlich unzulässig und vorliegend auch noch keine Bezahlung der Playstation erfolgt sei, die nach der Verwaltungspraxis des Antragsgegners einen Vertrauensschutz zu Gunsten des Betroffenen hätte begründen können.
Insoweit besteht auch die Gefahr zukünftig gleichgelagerter unzutreffender Entscheidungen.
b) Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der dem angefochtenen Bescheid vom 03.05.2016 zugrunde liegenden Auffassung des Antragsgegners rechtfertigen allein der Erlass des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2016 sowie die Handhabung des Antragsgegners, Strafgefangenen daher nur noch vor diesem Datum bestellte und bezahlte Spielkonsolen auszuhändigen, nicht den Widerruf der am 05.04.2016 erteilten Genehmigung. Denn insofern handelt es sich selbst dann nicht um nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände im Sinne des § 83 Abs. 3 Nr. 1 StVollzG NRW, wenn dieser Erlass - der dem Betroffenen im Übrigen entgegen dessen mit der Antragsschrift vom 25.07.2016 geäußerter Bitte nicht zur Verfügung gestellt worden und auch nicht zur Akte gelangt ist - gemäß der Einschätzung der Strafvollstreckungskammer aufgrund der von technischen Geräten mit Speichermöglichkeit potentiell ausgehenden Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt ergangen sein sollte. Denn entsprechend der im Gesetzesentwurf zu § 83 StVollzG NRW (LT-Drs. 16/5413, S. 154) ausdrücklich in Bezug genommenen Regelungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts, konkret des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG, genügt für das nachträgliche Eintreten neuer Umstände - und nichts anderes gilt für die in § 83 Abs. 3 Nr. 1 StVollzG NRW zudem aufgeführte Alternative des nachträglichen Bekanntwerdens solcher Umstände - nicht schon eine lediglich andere Bewertung der Verhältnisse durch eine Behörde bzw. im Rahmen einer ministeriellen Entscheidung, sofern dem nicht neue tatsächliche Erkenntnisse oder wissenschaftliche Bewertungen zugrunde liegen (vgl. BVerwG, NVwZ 1984, 102; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 49 Rn. 61). Und um solche neuen Erkenntnisse handelt es sich hinsichtlich der selbst bei einem Umbau verbleibenden Möglichkeiten des Missbrauchs von Spielekonsolen wie einer Playstation II gerade nicht, die vielmehr - wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt wird - hinlänglich bekannt und bereits mehrfach Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen gewesen sind (allg. vgl. KG, Beschluss vom 28.12.2015 - 2 Ws 289/15 - m.w.N., juris; zur Playstation II vgl. Senatsbeschluss vom 11.11.2003 - 1 Vollz (Ws) 194/03 -; KG, Beschluss vom 22.07.2005 - 5 Ws 178/05 Vollz -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.01.2007 - 1 Ws 203/05 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.04.2008 - 3 Ws 279/08 -; LG Arnsberg, Beschluss vom 06.07.2016 - 2 StVK 10/15, jew. zit. n. juris; Lindhorst, StV 2006, 274; Laubenthal in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschnitt G Rn. 37; Schwind/Goldberg in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 6. Aufl., § 70 Rn. 9). Eine trotz dieser allgemein bekannten Sicherheitsbedenken erteilte Genehmigung für eine Spielekonsole kann daher nicht allein unter Hinweis auf deren abstrakte Gefährlichkeit oder - wie hier - auf eine bloße behördliche Neubewertung dieses Gefährdungspotentials widerrufen werden (vgl. Arloth, a.a.O., § 70 Rn. 7; Laubenthal in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschnitt G Rn. 38).
Da somit die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid nicht geeignet sind, den Widerruf der am 05.04.2016 erteilten Genehmigung rechtsfehlerfrei zu begründen, war im vorliegenden Fall Entscheidungsreife im Sinne des § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG gegeben und bedurfte es keiner Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer. Vielmehr war über den angefochtenen Beschluss hinausgehend der angegriffene Bescheid unmittelbar aufzuheben.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die im gerichtlichen Verfahren vom Antragsgegner unzulässig nachgeschobenen Beanstandungen des Vollzugsverhaltens des Betroffenen ohnehin nicht als nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände im Sinne des § 83 Abs. 3 Nr. 1 StVollzG in Betracht gekommen wären bzw. bei einer etwaigen erneuten Prüfung in Betracht kämen, soweit sie im Zeitpunkt der Genehmigung vom 05.04.2016 dem hiermit befassten Vollzugsbediensteten bereits positiv bekannt waren (wie ausweislich der in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Stellungnahme des Antragsgegners vom 27.06.2016 der Verdacht der im Jahr 2014 erfolgten Manipulation eines betriebseigenen Netzwerks) oder sie zumindest schon in der vom Antragsgegner geführten Gefangenenpersonalakte dokumentiert waren (so die technische Veränderung eines DVD-Players während eines Aufenthalts in der JVA T und der dort am 21.03.2016 festgestellte unerlaubte Besitz eines USB-Sticks mit pornographischen Dateien).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2, Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.
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