Aktenzeichen: 4 Ws 364/16 u. 365/16 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG bei divergierenden obergerichtlichen Entscheidungen in unterschiedlichen Verfahrensarten (einerseits: § 119a StPO; andererseits: § 67c Abs. 1 StGB).
Senat: 4
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Überprüfungsfrist, Sicherungsverwahrung, Nichteinhaltung, Divergenzvorlage
Normen: StGB 67c; StGB 67e; StVollzG 119a
Beschluss:
Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm am 15.12.2016 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird aus den im Ergebnis zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die rch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden, auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
Zusatz:
1. Dass in vorliegender Sache das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren nach § 119a StVollzG nicht mehr abgeschlossen wurde, sondern nach Erkennen der Unzulänglichkeit des in diesem Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens und der Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens in das Verfahren zur Entscheidung nach § 67c StGB übergegangen wurde, ist unschädlich. Das Verfahren auch § 119a StVollzG ist nicht vorrangig vor dem Verfahren zur Entscheidung nach § 67c StGB (Senatsbeschlüsse vom 28.06.2016 4 Ws 180/16 juris und NStZ-RR 2016, 230; OLG Hamm, Beschl. v. 28.06.2016 1 Vollz(Ws) 18/16). Eine Vorlage der Sache nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 09.05.2016 1 Ws 169/15 (NStZ-RR 2016, 260) war nicht erforderlich, da das OLG Karlsruhe in seiner Entscheidung lediglich über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung nach § 119a StVollzG zu entscheiden hatte, nicht aber die Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 67c StGB, solange noch keine gesetzlich vorgeschriebene Entscheidung nach § 119a StVollzG ergangen ist. Die nicht näher begründete Auffassung des OLG Karlsruhe zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung nach § 119a StVollzG schließt nicht aus, dass es in einem Fall wie dem vorliegenden, gleichwohl eine zwingende Vorrangigkeit des §119a-StVollzG-Verfahrens gegenüber dem Verfahren zur Entscheidung nach § 67c StGB verneint.
2. Angesichts der möglicherweise missverständlichen Formulierungen (S. 5 des Beschlusses: Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird;
kann zur Zeit noch keine langfristig günstige Prognose gestellt werden und eine vorzeitige Entlassung ist noch nicht vertretbar) stellt der Senat fest, dass es für eine Fortdauerentscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB der Stellung einer ungünstigen Legalprognose, nicht lediglich eines Nichtstellenkönnens einer günstigen Legalprognose bedarf (Senat NStZ-RR 2016, 230 m.w.N.). Die erforderlich ungünstige Legalprognose kann dem Verurteilten allerdings derzeit noch gestellt werden. Der Senat teilt ebenso wie das Landgericht die Ausführungen des Sachverständigen. Aufgrund seiner Ausführungen kommt der Senat zur Einschätzung, dass mindestens noch ein moderates Rückfallrisiko, das im Hinblick auf die Schwere der bei Rückfall zu erwartenden Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern (entsprechend den Anlasstaten) die Unterbringung des Verurteilten derzeit noch weiterhin erfordert. Diese Einschätzung beruht als Ausgangspunkt auf den statistischen Einschätzungen des Sachverständen, welche zu einer Bewertung des Rückfallrisikos mit durchschnittlich bis hoch bzw. mit moderat bis hoch führen. Individualprognostische Umstände ergeben ein ähnliches, jedenfalls günstigeres, Bild. Insoweit kann ebenfalls auf die Ausführungen des Sachverständigengutachtens (Klinische Einschätzung und Abschließende prognostische Bewertung) verwiesen werden. Vornehmlich in belastenden Ausnahmesituationen, deren Auftreten aber angesichts der Gesamtsituation des Verurteilten im Falle einer Entlassung nicht unwahrscheinlich ist, ist die Rückfallgefahr gegeben. Der Sachverständige schließt eine lang- bzw. mittelfristige Rückfallgefährdung zwar lediglich nicht. Letztlich schließt der Senat aber trotz dieser Formulierung aus dem Gutachten im Übrigen, dass eine solche Rückfallwahrscheinlichkeit auch tatsächlich positiv besteht. Wobei allerdings auch erkennbar ist, dass die Tendenz zu einer sich abschwächenden Gefährlichkeit geht.
3. Die verspätete Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die erst nach dem faktischen Beginn des Vollzuges des Maßregel erfolgte, erfordert hier keine Feststellung einer etwaigen Rechtswidrigkeit des zwischenzeitlich erfolgten Vollzuges (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 25.10.2016 4 Ws 313/16 juris). Das Prüfungsverfahren wurde rechtzeitig eingeleitet. Die Verzögerung beruht erkennbar darauf, dass ein weiteres Sachverständigengutachten aufgrund der geringen Aussagekraft des zunächst eingeholten Gutachtens eingeholt werden musste und damit dem Gebot der bestmöglichen Sachverhaltsaufklärung Rechnung getragen wurde. Die Überschreitung des Endstrafenzeitpunkts (ein guter Monat bis Vorliegen der schriftlichen Entscheidung) ist daran gemessen vergleichsweise gering.
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