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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 380/16 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage der Anerkennung der Möglichkeit eines konkludenten Verzichts der Staatsanwaltschaft auf eine mündliche Sachverständigenanhörung und den Aus-wirkungen eines ggf. nicht anzuerkennenden Verzichts im Rahmen einer Beschwerde des Untergebrachten.

Senat: 4

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Mündliche Sachverständigenanhörung, konkludenter Verzicht

Normen: StPO 463; StPO 454

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.12.2016 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Zusatz:
Auch der Senat sieht derzeit noch die Gefahr, dass der Untergebrachte im Falle seiner Entlassung Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer körperlich schwer geschädigt werden, denn es muss – selbst in einer Einrichtung des betreuten Wohnens, welche eine lückenlose Kontrolle naturgemäß nicht gewährleisten kann - mit einem raschen Wiederauftreten von Substanzkonsum und Symptomen seiner Persönlichkeitsproblematik mit erheblicher Schwere gerechnet werden, was nahezu sicher erneut zu Taten entsprechend den Anlassdelikten führen wird.

Der Umstand, dass entgegen der Regelung der §§ 463 Abs. 4 (a.F.), 454 Abs. 2 StPO bisher trotz der seit dem 05.07.2010 laufenden Vollstreckung der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bisher kein Sachverständiger mündliche angehört wurde und bisher auch nicht allseitig auf eine solche mündliche Anhörung wirksam verzichtet wurde, nötigt im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht zur an sich gebotenen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 24.07.2008 – 3 Ws 262/08 – juris) Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Im Rahmen der Anhörung des laufenden Überprüfungsverfahrens haben der Betroffene und sein Verteidiger auf eine mündliche Anhörung der Sachverständigen S verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat indes auf den Zusatz in der an sie gerichteten Terminsnachricht („Es wird um Mitteilung gebeten, falls nicht auf die mündliche Anhörung des/der Sachverständigen des letzten externen Gutachtens verzichtet wird …“) nicht mehr reagiert. Sie hat auch nicht am Anhörungstermin teilgenommen. Ob darin ein wirksamer konkludenter Verzicht auf eine mündliche Anhörung gesehen werden kann, erscheint zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dienen die Vorschriften über die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Mitwirkung des Beschuldigten der Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gebotes der bestmöglichen Sachaufklärung und sollen ein faires Verfahren gewährleisten. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers kann der Richter nach sachverständiger Beratung eine eigenständige Prognoseentscheidung, bei der er dem ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegensetzt, im Regelfall nur treffen, wenn er nicht nur das schriftliche Gutachten zur Kenntnis genommen, sondern den Sachverständigen auch mündlich angehört hat (BVerfG, Beschl. v. 05. 05. 2008 – 2 BvR 1615/07 –juris m.w.N.). Eine Ausnahme davon liegt nach dem Gesetz nur dann vor, wenn sowohl das Gericht unter Berücksichtigung seiner Aufklärungspflicht als auch sämtliche Beteiligten eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch eine mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht mehr für erforderlich halten, was Staatsanwaltschaft, Verurteilter und Verteidigung durch ihren Verzicht zum Ausdruck bringen. Grundsätzlich muss ein Verzicht ausdrücklich erklärt werden (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 22.11.2013 – 2 Ws 558/13 – juris). Ob die Möglichkeit eines konkludenten Verzichts überhaupt anzuerkennen ist, erscheint demgegenüber zweifelhaft und könnte am ehesten in Fällen erwägenswert sein, in denen dem konkludenten Verhalten ein vollkommen eindeutiger Erklärungswert zukommt. Der Senat muss das aber hier nicht abschließend entscheiden.

Der Senat hat hier schon erhebliche Bedenken dagegen, einer bloßen Nichtreaktion auf einen entsprechenden Zusatz in einer Terminsnachricht einen solchen (eindeutigen) Erklärungsgehalt (i.S. eines Verzichts auf eine mündliche Sachverständigenanhörung) beizumessen. Die bloße Nichtreaktion kann vielfältige Ursachen haben. Es ist jedenfalls nicht zwangsläufig aus ihr zu erkennen, dass sich der entsprechende Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft nach Kenntnisnahme vom schriftlichen Sachverständigengutachten und des sich aus den Akten ergebenden Sachstands bewusst dafür entschieden hat, einen Antrag auf mündliche Anhörung der Sachverständigen nicht zu stellen.

Grundsätzlich erscheint es dem Senat auch nicht als ausgeschlossen, dass sich der Untergebrachte auf einen solchen Verzichtsmangel (allein) auf Seiten der Staatsanwaltschaft berufen kann. Die Staatsanwaltschaft befindet sich insoweit in einer objektiv neutralen Position, so dass es durchaus möglich erscheint, dass durch einen nicht wirksamen Verzicht auf mündliche Sachverständigenanhörung auf Seiten der Staatsanwaltschaft, weitere – dem Untergebrachten günstige Erkenntnisse – nicht zu Tage gefördert werden, weil wegen der unterbliebenen mündlichen Anhörung entsprechende Fragestellungen nicht an den Sachverständigen herangetragen wurden.

Letztlich können aber beide Fragen offen bleiben. Der aufgezeigte Mangel hat sich im vorliegenden Verfahren nicht zu Lasten des Untergebrachten ausgewirkt. Das aktuelle Sachverständigengutachten beruht auf einer zutreffend ermittelten Tatsachengrundlage. Die Ausführungen der Sachverständigen sind überzeugend und widerspruchsfrei. Auch in der mündlichen Anhörung sind keine Umstände hervorgetreten, welche das Sachverständigengutachten in Frage stellen könnten. Entsprechendes gilt auch für die gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung. Es ist ausgeschlossen, dass im Falle einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen noch dem Verurteilten günstige Umstände zu Tage gefördert worden wären.


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