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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 370/16 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Eine im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB erteilte Abstinenzweisung wird regelmäßig (nur) dann verhältnismäßig sei, wenn sie gegenüber einer Person angeordnet wird, die ohne weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähig ist.
2. Für die Erteilung einer Abstinenzweisung nach § 56c StGB im Rahmen der Bewährungsaufsicht gilt dies nicht, da hier nicht die Verhängung einer neuen Strafe nach Vollverbüßung der festgesetzten Strafe droht, sondern lediglich die Fortsetzung der Vollstreckung einer bereits angeordneten Strafe und dieses auch nur für den Fall „gröblicher“ oder „beharrlicher“ Weisungsverstöße.
3. Es ist daher ausreichend, wenn die Frage, ob der suchtmittelabhängige Verurteilte unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse, des Grades seiner Abhängigkeit und des Verlaufs und des Erfolgs der bisherigen Therapiebemühungen überhaupt zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage ist, im Rahmen der Ent-scheidung über einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung geprüft wird.
4. Im Rahmen dieser Prüfung gibt es Korrektive, die verhindern, dass die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wird, obwohl die Erfüllung der Weisung unzumutbare Anforderungen an den Verurteilten stellt; denn ein Widerruf kommt nur bei einem gröblichen oder beharrlichen Verstoß in Betracht, der zudem im Fall von Suchtmittelabhängigkeit für den Verurteilten vermeidbar sein muss.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Abstinenzweisung, Suchtmittelabhängigkeit, Verhältnismäßigkeit, Widerruf, Strafaussetzung, Bewährung, Verstoß, Weisungen, Vermeidbarkeit, Führungsaufsicht

Normen: StGB 56c, StGB 56f, StGB 68b

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.12.2016 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Das Landgericht Münster verurteilte den gehörlosen Verurteilten am 14. April 2011 in dem Verfahren 10 KLs-540 Js 1294/10-1/11 wegen einer am 4. September 2010 begangenen schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Nach den schriftlichen Urteilsgründen stand der Verurteilte bei der Tat vom 4. September 2010 unter erheblichen Alkoholeinfluss. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 14. April 2011.

Am 6. Juli 2011 begann der Maßregelvollzug in der LWL-Klinik I. Am 25. Juni 2013 wurde der Verurteilte im Rahmen einer Langzeitbeurlaubung im Haus N in H, einer sozialtherapeutischen, vollstationären Einrichtung für psychisch kranke, taubstumme Menschen aufgenommen. Während der Langzeitbeurlaubung kam es bei dem Verurteilten zu Alkoholrückfällen, die im Juli 2013 und im Juli 2014 zu mehrwöchigen Rückverlegungen in die Maßregelvollzugsklinik I führten.

Durch Beschluss vom 3. Dezember 2014 erklärte die 15. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt mit Wirkung zum Ablauf der Höchstfrist am 1. Januar 2015 für erledigt, ordnete seine Entlassung aus der Unterbringung an und stellte fest, dass mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung Führungsaufsicht eintritt. Ferner setzte das Landgericht die Vollstreckung des noch nicht verbüßten Rests der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 14. April 2011 zur Bewährung aus und ordnete auch insoweit die Entlassung des Verurteilten am 1. Januar 2015 an. Die Führungaufsichts- und Bewährungszeit wurde einheitlich auf drei Jahre festgesetzt und der Verurteilte der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe unterstellt. Ferner erteilte das Landgericht dem Betroffenen die folgenden Weisungen:
6
6. Der Betroffene erhält die Weisungen,
7
a) in der Einrichtung „Haus N“, Straße, Ort, wohnen zu bleiben und
8
b) sich nach seiner Entlassung umgehend in der Dienststelle der für ihn zuständigen Bewährungshilfe persönlich vorzustellen.
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7. Er wird des Weiteren angewiesen,
10
a) keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen und sich jährlich jeweils zehn Alkohol- bzw. Suchtmittelkontrollen nach näherer Weisung bzw. in Absprache mit der Bewährungshilfe zu unterziehen,
11
b) für die Dauer der Führungsaufsicht an der forensischen Nachsorge der LWL-Maßregelvollzugsklinik Schloss I teilzunehmen sowie
12
c) die ihm verordneten Medikamente regelmäßig so einzunehmen, wie es die zuständigen Ärzte der LWL-Klinik Schloss I für erforderlich halten.
13
Durch Beschluss vom 4. März 2015 änderte die 15. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld ihren Beschluss vom 3. Dezember 2014 unter Ziff. 7 wie folgt ab:
14
Der Betroffenen wird des Weiteren angewiesen,
15
a) keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen,
16
b) weiterhin die psychiatrische Versorgung in Form von Medikamentenvergabe, Blutkontrollen und therapeutischen Gesprächen durch die LWL-Klinik M in Anspruch zu nehmen sowie
17
c) an der forensischen Nachsorge der LWL-Klinik N1 teilzunehmen und sich dort jährlich jeweils zehn Alkohol- bzw. Suchtmittelkontrollen nach näherer Weisung der zuständigen Behandler zu unterziehen.
18
Am 5. Mai 2015 stellte der Leiter der Führungsaufsichtsstelle bei dem Landgericht Münster gegen den Verurteilten Strafantrag gemäß § 145a StGB mit der Begründung, der Verurteilte verstoße gegen die strafbewehrte Weisung zu Ziff. 7 a) des Beschlusses des Landgerichts Bielefeld vom 3. Dezember 2014. Die Staatsanwaltschaft Münster erhob am 11. Januar 2016 (Az: 71 J 1288/15) wegen zweifachen Verstoßes gegen die Weisung, keine alkoholischen Getränke zu sich zu nehmen, Anklage. Das Hauptverfahren gegen den Verurteilten ist derzeit bei dem Amtsgericht Steinfurt (Az.: 23 Ds-71 Js 1288/15-65/16) anhängig. Die Sachverständige Dr. med. T gab im Auftrag des Amtsgerichts Steinfurt unter dem 5. August 2016 eine psychiatrische gutachterliche Stellungnahme zu der Frage ab, ob die Voraussetzungen für die neuerliche Anwendung des § 64 StGB vorliegen, und ergänzte diese unter dem 10. Oktober 2016.
19
Am 21. August 2015 hat die Staatsanwaltschaft Münster beantragt, die bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, weil der Verurteilte gröblich und beharrlich gegen eine Auflage aus dem Bewährungsbeschluss (Ziff. 7) verstoße. Am 4. November 2015 hat die Einzelrichterin der Strafvollstreckungskammer den Verurteilten persönlich zu dem Widerrufsantrag angehört.
20
Durch den angefochtenen Beschluss vom 23. August 2016 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld die durch ihren Beschluss vom 3. Dezember 2014 gewährte Aussetzung der Vollstreckung des noch nicht verbüßten Rests der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 14. April 2011 zur Bewährung widerrufen. Der Beschluss wurde dem Betroffenen am 26. August 2016 zugestellt. Mit Telefaxschreiben vom 1. September 2016, bei dem Landgericht Bielefeld eingegangen am selben Tag, hat die Verteidigerin des Verurteilten sofortige Beschwerde eingelegt und mitgeteilt, der gesetzliche Betreuer des Verurteilten habe sie mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Verurteilten beauftragt.
21
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
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Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Betreuers eingeholt und das Vollstreckungsheft 540 Js 1294/10 V Staatsanwaltschaft Münster und die Akte des Verfahrens 23 Ds-71 Js 1288/15-65/16 Amtsgericht Steinfurt beigezogen.
23
II.
24
1.
25
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 453 Abs. 2 S. 3 StPO, § 56f StGB) und auch im Übrigen zulässig.
26
a) Insbesondere ist es unschädlich, dass die Verteidigerin des Verurteilten ausschließlich von dem gesetzlichen Betreuer des Verurteilten mit dessen Verteidigung im Vollstreckungsverfahren beauftragt wurde.
27
aa) Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob ein nach § 1902 BGB bestellter Betreuer selbst rechtsmittelbefugt ist. Zum Teil wird vertreten, dies sei nur der Fall, wenn sein Aufgabenbereich sich speziell oder nach dem allgemeinen Umfang der Bestellung auf eine Betreuung im Straf- oder Vollstreckungsverfahren beziehe (BGH, Beschluss vom 2. September 2013 – 1 StR 369/13, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 5. Februar 2015 – 21 Ss 734/14, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Mai 2007 – 4 Ws 209/07, NStZ 2008, 119). Allein die Bestimmung des Aufgabenkreises dahingehend, dass die Vertretung gegenüber Behörden, Sozialleistungsträgern und Gerichten umfasst sei, umfasst demnach nicht die Befugnis zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 17. Juni 2013 – 2 Ws 23/13, juris; OLG Celle, Beschluss vom 21. Februar 2012 – 32 Ss 8/12, NStZ 2012, 702). Im Gegensatz dazu hält die ältere Rechtsprechung den Betreuer, insbesondere bei einem Behördenangelegenheiten umfassenden Aufgabenkreis, für rechtsmittelbefugt (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 27. Januar 1993 – 1 Ws 461/92, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Juni 1995 – 1 Ws 516/95, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 30. November 2000 – 2 Ws 313/00, juris; KG Berlin, Beschluss vom 21. März 2001 – 1 AR 239/01, juris).
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bb) Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den Senat bedarf es, wie jüngst in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2016 (III-3 Ws 198, 199/16) sowie in der Entscheidung des 4. Strafsenats vom 28. April 2016 (4 Ws 108/16), nicht. Denn der Betreuer hat auf entsprechende Nachfrage des Senats mitgeteilt, er habe am 31. August 2016 mit dem Verurteilten die Frage einer Rechtsmitteleinlegung besprochen. Der Verurteilte habe ihn beauftragt, einen juristischen Beistand zu beauftragen. Ergänzend hat der Betreuer hierzu eine von dem Verurteilten unterzeichnete schriftliche Bestätigung vorgelegt. Der gesetzliche Betreuer des Verurteilten war daher aufgrund einer wirksam vor Rechtsmitteleinlegung erteilten Einzelvollmacht befugt, die Verteidigerin mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde zu beauftragen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 297, Rdnr. 7; KK-Paul, StPO, 13. Aufl., § 298, Rdnr. 3).
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b) Ferner ist die Beschwerde auch fristgerecht erhoben, denn die Beschwerdefrist von einer Woche ab Zustellung (§ 311 Abs. 2 StPO) ist gewahrt.
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2.
31
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Strafvollstreckungskammer hat die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 14. April 2011 zu Recht widerrufen, da der Verurteilte gröblich und beharrlich gegen die Abstinenzweisung aus dem Aussetzungsbeschluss vom 3. Dezember 2014 verstoßen hat, § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB.
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a) Dabei geht der Senat davon aus, dass die Weisung, keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, im Rahmen der Bewährungsaufsicht grundsätzlich zulässig ist.
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aa) Ausweislich der Begründung des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 handelte es sich bei der Abstinenzweisung – ebenso wie bei den übrigen Weisungen, die den Aufenthaltsort des Verurteilten und die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe betreffen – sowohl um eine Weisung gemäß § 68b Abs. 1 StGB als auch um eine Weisung im Sinne von § 56c StGB. Denn in den Gründen des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 heißt es unter Ziff. II. 2 b), durch die erteilten Weisungen bestehe die Möglichkeit, den Betroffen zukünftig wirkungsvoll vor einem Rückfall in Sucht, Psychose und/oder Straffälligkeit zu bewahren und damit den Zweck von Bewährung und Führungsaufsicht besser zu erreichen.
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bb) Die Abstinenzweisung genügt dem Bestimmtheitsgebot.
35
cc) Der Zulässigkeit der Weisung steht nicht entgegen, dass der Verurteilte die Anlasstat vom 4. September 2010, die zu der Verurteilung durch das Landgericht Münster vom 14. April 2011 führte, unter Alkoholeinfluss beging und ein seit Jahren bestehendes und offensichtlich nicht erfolgreich behandeltes Alkohol- und Drogenproblem hat, so dass bereits zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung Zweifel bestanden, ob der Verurteilte zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage ist.
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(1) Bei einer Weisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB ist deren Verhältnismäßigkeit bei einem langjährigen, nicht erfolgreich therapierten Suchtmittelabhängigen besonders sorgfältig zu prüfen.
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(a) In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde die Frage, ob eine im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Abstinenzweisung an eine anerkannt suchtabhängige, nicht ausreichend therapierte Person von vornherein ausscheidet, unterschiedlich beurteilt.
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(aa) Ein Teil der Rechtsprechung verneint dies mit der Begründung, dass es dann in der Regel an der Zumutbarkeit des verlangten Verhaltens fehle; an die Zumutbarkeit seien deswegen erhöhte Anforderungen zu stellen, weil der Verstoß gegen eine Weisung aus dem Katalog des § 68b Abs. 1 StGB strafbewehrt sei und gem. § 145a StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden könne (OLG Dresden, Beschluss vom 13. Juli 2009 – 2 Ws 291/09, NJW 2009, 3315, und Beschluss vom 10. September 2014 – 2 OLG 23 Ss 557/14, juris; OLG Celle, Beschluss vom 16. Oktober 2009 – 2 Ws 228/09, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 11. März 2010 – III-2 Ws 39/10, juris; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 13. Juli 2015 – 1 Ws 114/15, juris und Beschluss vom 21. Juli 2016 – 1 Ws 51/16, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 1 Ws 97/16).
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(bb) Demgegenüber haben andere Obergerichte die Auffassung vertreten, dass die Weisung auch in diesen Fällen zulässig sei und das Problem im Rahmen des gegen den Verurteilten wegen des Weisungsverstoßes zu führenden Strafverfahrens zu lösen sei (OLG Köln, Beschluss vom 13. September 2010 – 2 Ws 568/10, juris, Rdnr. 13: „nach Auffassung des Senats ist es daher auch nicht angängig, bereits im Vorhinein gleichsam resignierend die (vermeintliche) Unerfüllbarkeit der Weisung hinzunehmen, ohne dass diese zuvor praktisch erprobt worden wäre“; Beschluss vom 22. November 2012 – III-2 Ws 776/12, juris, Rdnr. 25; OLG München, Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 Ws 488-494/11, juris, und Beschluss vom 19. Juli 2012 – 1 Ws 509/12, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 27. März 2012 – I Ws 90/12, NStZ-RR 2012, 222; OLG Bamberg, Beschluss vom 18. Juni 2014 – 3 Ss 76/14, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 Ws 660/15, juris).
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(cc) Der Senat hat in einer Entscheidung vom 27. Mai 2013 – III-3 Ws 109/13 unter Bezugnahme auf den Beschluss des 5. Strafsenats vom 10. Januar 2013 (III-5 Ws 358/12, juris) entschieden, dass die Frage, ob an die Lebensführung des Verurteilten unzumutbare Anforderungen gestellt werden (§ 68b Abs. 3 StGB), schon vom Ansatz her nicht generalisierend, sondern immer nur auf den Einzelfall bezogen beantwortet werden könne. Maßgebend könne deshalb nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach den Motiven des Gesetzgebers nur sein, ob der Konsum von Suchtmitteln zur Begehung weiterer Straftaten durch den Verurteilten beitragen werde. Dieser Gefahr seien sodann im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung die Einschränkungen für die Lebensführung des Verurteilten gegenüberzustellen, die mit der Weisung verbunden seien.
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(b) Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr mit Beschluss vom 30. März 2016 (2 BvR 496/12, juris) entschieden, dass eine Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB regelmäßig dann verhältnismäßig sei, wenn sie gegenüber einer Person angeordnet werde, die ohne weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähig sei, und wenn im Falle erneuten Alkohol- oder Suchtmittelkonsums mit der Begehung erheblicher, die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit betreffender Straftaten zu rechnen sei. Im Fall eines nicht oder erfolglos therapierten langjährigen Suchtkranken sei demgegenüber eine einzelfallbezogene Abwägung erforderlich. Jedenfalls in Fällen, in denen ein langjähriger, mehrfach erfolglos therapierter Suchtabhängiger aufgrund seiner Suchtkrankheit nicht zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage sei und von ihm keine die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erheblich beeinträchtigenden Straftaten drohten, sei eine strafbewehrte Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB als unzumutbare Anforderung an die Lebensführung im Sinne von § 68b Abs. 3 StGB und damit zugleich als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit anzusehen.
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(2) Diese Erwägungen gelten aus Sicht des Senats im Rahmen der Erteilung einer Weisung nach § 56c StGB nicht.
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(a) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Beschluss vom 21. April 1993 (2 BvR 930/92, juris, Rdnr. 5ff) entschieden, dass eine Weisung gemäß § 56c StGB, keine Betäubungsmittel zu konsumieren, für sich genommen keinen Verstoß gegen Grundrechte beinhalte. Im Rahmen der oben genannten Entscheidung vom 30. März 2016 verweist das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf, dass die Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB strafbewehrt sei und die Anforderungen an die Weisung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten aus diesem Grund erhöht seien. Insofern, so das Bundesverfassungsgericht, unterscheide sich die Abstinenzweisung im Rahmen der Führungsaufsicht von einer Weisung im Rahmen der Bewährungsaussetzung gemäß § 56c StGB. Werde gegen diese verstoßen, drohe nicht die Verhängung einer neuen Strafe nach Vollverbüßung der festgesetzten Strafe, sondern lediglich die Fortsetzung der Vollstreckung einer bereits angeordneten Strafe und dieses auch nur für den Fall „gröblicher“ oder „beharrlicher“ Weisungsverstöße (§ 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB).
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(b) Es ist daher ausreichend, wenn die Frage, ob der suchtmittelabhängige Verurteilte unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse, des Grades seiner Abhängigkeit und des Verlaufs und des Erfolgs der bisherigen Therapiebemühungen überhaupt zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage ist, im Rahmen der Entscheidung über einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung geprüft wird. Im Rahmen dieser Prüfung gibt es Korrektive, die verhindern, dass die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wird, obwohl die Erfüllung der Weisung unzumutbare Anforderungen an den Verurteilten stellt. Denn ein Widerruf kommt nur bei einem gröblichen oder beharrlichen Verstoß in Betracht, der zudem im Fall von Suchtmittelabhängigkeit für den Verurteilten vermeidbar sein muss (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 56f, Rdnr. 10a; Senat, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 3 Ws 52/08, NStZ-RR 2008, 220, 221). Zudem ermöglicht die Regelung in § 56f Abs. 2 StGB ein Absehen vom Widerruf unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten.
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b) Der Verurteilte hat gegen die Abstinenzweisung gröblich und beharrlich verstoßen, indem er während der gesamten Dauer der Bewährungszeit Alkohol konsumierte. Bereits in der Aussetzungsentscheidung vom 3. Dezember 2014 verweist die Strafvollstreckungskammer auf zwei Alkoholrückfälle während der Langzeitbeurlaubung, die zur Rückverlegung in die Maßregelvollzugsklinik führten. Nach dem Erstbericht der Bewährungshelferin Q vom 28. April 2015 räumte der Verurteilte im Rahmen eines Erstgespräches vom 26. Februar 2015 ein, bereits seit längerer Zeit ohne Kenntnis der Einrichtung mehrfach wöchentlich abends Bier und teilweise Wein zu trinken. Auch aus den weiteren Berichten der Bewährungshilfe vom 8. Juni 2015, 31. Juli 2015, 15. Oktober 2015 und 17. Juni 2016 ergibt sich, dass der Verurteilte mehr oder weniger durchgängig Alkohol konsumiert, hinzu tritt nach den Berichten des Bezugsbetreuers U Cannabiskonsum. Im Anschluss an zwei Vorfälle vom 13. März 2015 und vom 10./11. Mai 2015, bei denen der Verurteilte erheblich alkoholisiert war, erfolgten stationäre Entgiftungsbehandlungen in der LWL-Klinik M. Eine Mitbewohnerin beschuldigte den Verurteilten, in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2015 nackt in ihr Zimmer eingedrungen zu sein und ihr den Mund zugehalten zu haben. Zudem war der Verurteilte in der Zeit vom 26. August 2015 bis zum 1. Oktober 2015 und in der Zeit vom 10. Juni 2016 bis zum 22. Juli 2016 auf der Grundlage von Unterbringungsbeschlüssen nach § 1906 BGB in der LWL-Klinik M geschlossen untergebracht. Aus der fachärztlichen Stellungnahme der behandelnden Oberärztin Dr. med. H vom 16. Juni 2016 ergibt sich, dass der Verurteilte bereits seit über einem Jahr gegen die Auflage, nichts zu konsumieren, verstoße. Die Unterbringung in der Zeit vom 26. August 2015 bis zum 1. Oktober 2015 erfolgte demnach aufgrund Ablehnung der neuroleptischen Depotmedikation sowie dem Konsum von Alkohol und THC. Nach einem Bericht des Bezugsbetreuers U vom 27. Juli 2016 kam es auch während der Behandlungen in der LWL-Klinik zu verschiedenen Alkohol- und Cannabisrückfällen. Nach seiner letzten Entlassung am 22. Juli 2016 sei der Verurteilte im Haus N täglich alkoholisiert oder durch Cannabis berauscht gewesen. Diese Situation war nach dem Inhalt der Telefonvermerke der Einzelrichterin der Strafvollstreckungskammer am 4. August 2016 und am 23. August 2016 unverändert. Die Voraussetzungen eines gröblichen und beharrlichen Weisungsverstoßes i.S.v. § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen unzweifelhaft vor.
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c) Es besteht auch die Besorgnis, dass der Verteilte erneut Straftaten begehen wird. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Tat vom 4. September 2010 jedenfalls bislang um eine Singularität in seinem Leben handelt, die sich in einer spezifischen Situation ereignet hat (so der Bericht der LWL-Klinik I vom 18. November 2014 und das Gutachten der Sachverständigen Dr. T vom 5. August 2016, S. 25), sind in dem psychiatrischen Gutachten des Dr. S vom 16. Januar 2011 zahlreiche unter Alkoholeinfluss begangene Aggressionsausbrüche des Verurteilten aktenkundig. Auch in dem geschützten Umfeld des N-Hauses gab es Alkoholrückfälle, die die Gefahr delinquenten Verhaltens begründen. Vor der zweiten Rückverlegung in den Maßregelvollzug wurde der Verurteilte in alkoholisiertem Zustand von einem Fahrzeug angefahren. Der mehrfach berichtete Cannabiskonsum ist ohne die Begehung strafbarer Handlungen kaum vorstellbar (OLG Köln, Beschluss vom 25. März 2009 – 2 Ws 68/09, juris, Rdnr. 8).
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d) Jedenfalls die zu Beginn der Bewährungszeit begangen Verstöße waren für den Verurteilten auch vermeidbar. Verstöße gegen Weisungen, die mit einer Suchterkrankung in Zusammenhang stehen, müssen für den Verurteilten vermeidbar sein, um den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zu rechtfertigen (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 56f, Rdnr. 10a; Senat, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 3 Ws 52/08, NStZ-RR 2008, 220, 221).
48
(1) Aus dem Bericht der LWL-Klinik I vom 18. November 2014 ergibt sich, dass die Maßregelvollzugseinrichtung die Legalprognose unter der Bedingung des weiteren Verbleibs des Verurteilten in der sozialtherapeutischen Einrichtung Haus N als „eher günstig“ beurteilt hat. Der Sachverständige Dr. T hat sich dieser Einschätzung in seiner forensisch-psychiatrischen Stellungnahme vom 6. November 2014 angeschlossen, auch wenn er nach wie vor die Legalprognose belastende Umstände gesehen hat. Nach dem Prognosegutachten des Sachverständigen vom 6. Juni 2014 bestand bei dem Verurteilten schon im Vorfeld weit vor der Brandstiftung eine erhebliche Suchterkrankung mit polyvalentem Konsummuster von Cannabis; zum Zeitpunkt der Tat vom 4. September 2014 war er volltrunken. Einer differenzierten Bearbeitung der Suchterkrankung, so der Sachverständige T, seien Grenzen aufgezeigt, weil der Verurteilte in seiner geistigen Struktur und seinem kognitivem Leistungsniveau zwar nicht beeinträchtigt, aber sehr wohl nur begrenzt zu differenzierten Einsichten, zur Selbstreflektion und kritischen Antizipation von zukünftigen Problemen in der Lage sei. Erschwerend kommt hinzu, dass im Verlauf der Maßregelunterbringung bei dem Verurteilten zusätzlich eine psychotische Erkrankung mit visuellen Wahrnehmungsstörungen diagnostiziert wurde. Allerdings waren die dokumentierten psychotischen Erlebniswelten zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung unter stabiler neuroleptischer Behandlung mit Risperidon in einer Depot-Formulierung zum Stillstand gekommen und der Verurteilte zeigte eine medikamentöse Compliance. Die Strafvollstreckungskammer ist zudem ausweislich der Gründe des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, der Betroffene habe bei seiner persönlichen Anhörung den Eindruck vermittelt, zukünftig straf- und suchtmittelfrei leben zu wollen und dies – im Rahmen seiner psychischen bzw. kognitiven Möglichkeiten – auch zu können, sofern die aktuelle Wohn- und Lebenssitation beibehalten werde.
49
(2) Der Senat geht daher davon aus, dass zumindest die im Zeitraum bis einschließlich Mai 2015 aktenkundig gewordenen Verstöße gegen die Weisung, keinen Alkohol zu konsumieren, für den Verurteilten vermeidbar waren. Aus den Berichten der Bewährungshelferin ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt noch eine Kommunikation mit dem Verurteilten über seinen Alkoholkonsum möglich war. Zudem begab er sich nach den Vorfällen vom 13. März 2015 und vom 11. Mai 2015 zu freiwilligen Entgiftungsbehandlungen in die LWL-Klinik M, was von ihm eine Alkoholabstinenz erforderte (s. dazu Senat, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 3 Ws 52/08, juris). Zwar stellt die paranoid halluzinatorische Psychose nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. T in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2016 einen konstellierenden Faktor für den immer wieder auftretenden Substanzkonsum dar und schränkt die ohnehin schwachen Kontrollmöglichkeiten des Verurteilten bezüglich seines Suchtmittelkonsums weiter erheblich ein; allerdings ergeben sich erst aus dem Bericht der Bewährungshelferin Q vom 31. Juli 2015 Hinweise auf eine akut psychotische Phase. Für eine Abstinenzfähigkeit spricht zudem, dass der Verurteilte zeitweise ein angepasstes Verhalten zeigte, wenn von Seiten der Betreuungspersonen Druck aufgebaut wurde, indem beispielsweise versucht wurde, ihn betreuungsrechtlich unterzubringen. Auch wenn er in solchen Phasen den Alkoholkonsum nicht vollständig einstellte, sondern nur reduzierte, war die Steuerungsfähigkeit in Bezug auf die Alkoholaufnahme jedenfalls nicht aufgehoben.
50
e) Mildere Mittel als der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kamen angesichts der mittlerweile eingetretenen Eskalation der Situation des Verurteilten nicht in Betracht.
51
3.
52
Vor der Widerrufsentscheidung war eine erneute persönliche Anhörung des Verurteilten nach § 453 Abs. 1 S. 4 StPO trotz des Zeitablaufs von mehr als neun Monaten nach der Anhörung vom 4. November 2015 nicht erforderlich (s. zum Erfordernis einer zeitnahen Anhörung OLG Hamm, Beschluss vom 6. März 2014 – III-1 Ws 129/14, juris, Rdnr 19). Denn aus dem Bericht der Bewährungshelferin vom 17. Juni 2016, der fachärztlichen Stellungnahme der Oberärztin Dr. med. H vom 16. Juni 2016 und dem Inhalt der Telefonvermerke vom 4. August 2016 und vom 23. August 2016 ergibt sich, dass der Verurteilte zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung akut psychotisch war und von einer erneuten Anhörung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten waren. Dies deckt sich mit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. T, die ihr Gutachten vom 5. August 2016 aufgrund der eingetretenen Dekompenation nach Aktenlage erstattet hat. Der Senat hat ebenfalls keine Veranlassung gesehen, den Verurteilten persönlich anzuhören, denn zu den Weisungsverstößen im Zeitraum bis einschließlich Mai 2015, die die Grundlage der Beschwerdeentscheidung des Senats bilden, wurde dem Verurteilten durch die Anhörung vom 4. November 2015 umfassend rechtliches Gehör gewährt.
53

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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