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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 RVs 7/17 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung bei mehrfachem Gebrauch einer verfälschten Urkunde und zum Konkurrenzverhältnis bei mehrfachen Tankbetrügereien mit falschem amtlichen Kennzeichen

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsbeschränkung; Gesamtvorsatz zum mehrfachen Gebrauch einer verfälschten Urkunde; Konkurrenzverhältnis; mehrfache Tankbetrügereien

Normen: StPO 318; StGB § 263; StGB 267

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 2. Strafsenat des OLG Hamm am 02.03.2017 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen

Gründe:
I.
Das Amtsgericht – Schöffengericht – Bochum hat den Angeklagten mit Urteil vom 03.05.2016 wegen Betruges in fünf Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.

In den Urteilsgründen hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

„II.
Aufgrund der Beweisaufnahme wurde in der Hauptverhandlung festgestellt, dass der Angeklagte am 09.03.2014 mit dem Pkw P P2 versehen mit dem Kennzeichen L-I ### zur T-[Tankstelle] I2-P3 in S gefahren ist. Unter Vorspiegelung seiner Zahlungsbereitschaft betankte er den Pkw mit Kraftstoff im Wert von 100,87 € und entfernte sich sodann vom Tankstellengelände, ohne den Betrag zu entrichten. Gleiches geschah am 23.03.2014, wiederum mit dem Pkw P P2 an dem nachwievor die entwendeten Kennzeichen L-I ### angebracht waren. Hier befuhr der Angeklagte das Gelände der T2-Tankstelle, E-Straße in C, um dort das Fahrzeug mit Kraftstoff im Wert von 94,30 € zu betanken und entfernte sich sodann ohne zu bezahlen vom Tankstellengelände.

Am 24.04.2014 begab sich der Angeklagte darüber hinaus zur B-Tankstelle auf der L-Allee in C. Auch dort betankte der Angeklagte den Pkw P P2 wiederum mit dem Kennzeichen L-I ### mit Kraftstoff im Wert von 45,10 € und verließ das Tankstellengelände, ohne den Betrag zu entrichten.

Am 06.05.2014 befuhr der Angeklagte ebenfalls mit dem Pkw mit dem Kennzeichen L-I ### auf das dortige Tankstellengelände der T-Station in der H-Straße in H. Dort betankte er das Fahrzeug mit Kraftstoff im Wert von 95,99 €. Ohne zu bezahlen verließ er dann das Tankstellengelände.

Am 10.06.2014 betankte der Angeklagte an der T-Tankstelle E-burger T-Str. in P4 seinen Pkw P P2, welches wiederum mit dem Kennzeichen L-I ### versehen war, mit Kraftstoff im Wert von 111,00 € und verließ anschließend das Tankstellengelände, ohne zu bezahlen.
[…]

IV.
Der Angeklagte hat sich damit wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 5 Fällen gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 267 Abs. 1, 3. Variante, 52, 53 StGB schuldig gemacht.

Das Verhalten des Angeklagten bei den jeweiligen Tankvorgängen erfüllt den Tatbestand des Betruges. Der Angeklagte hatte in den jeweiligen Fällen durch das Anfahren der Tankstelle und das Einfüllen des Kraftstoffes das jeweilige Personal darüber getäuscht, dass es sich um einen regulären Tankvorgang handele und er den Kraftstoff bezahlen werde. Mit Gewährenlassen des Tankvorgangs fand eine Vermögensverfügung statt. Durch sämtliche Fälle sind insgesamt Schäden in Höhe von insgesamt 427,26 € entstanden.

Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich und mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung.
[…]
Tateinheitlich hat sich der Angeklagte hierzu gem. § 267 Abs. 1 3. Variante StGB strafbar gemacht.

Er hat im Rahmen der Tankvorgänge das Kennzeichen, seinem Fahrzeug, dem Pkw P P2 mit dem Kennzeichen L-I ### versehen und damit eine unechte Urkunde im Rechtsverkehr gebraucht. Das Kennzeichen eines Kraftfahrzeugs stellt in Verbindung mit dem Stempel der Zulassungsbehörde und dem Fahrzeug eine zusammengesetzte Urkunde dar. Die zusammengesetzte Urkunde ist auch unecht. Denn der Aussteller der Urkunde und der Hersteller sind im vorliegenden Fall nicht personengleich. Das Kfz (Anmerkung des Senats: offensichtlich gemeint „das Kennzeichen“) gehört nicht zu dem Fahrzeug des Angeklagten. Diese zusammengesetzte Urkunde wurde auch durch das in Verkehr bringen im öffentlichen Straßenverkehr gebraucht im Sinne des § 267 StGB.
[…].“

Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 04.05.2016 Berufung eingelegt und diese in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht am 21.10.2016 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Das Landgericht hat die Berufungsbeschränkung für wirksam erachtet und die Berufung mit Urteil vom 21.10.2016 verworfen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision, die er sogleich mit der in allgemeiner Form erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 03.02.2017 beantragt, die Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat – zumindest vorläufigen – Erfolg.

Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht zu Unrecht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist und deshalb die erforderlichen eigenen Feststellungen zum Schuld- und Strafausspruch nicht getroffen hat.

Die Berufungsbeschränkung, deren Wirksamkeit das Revisionsgericht von Amts wegen und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts prüft (vgl. BGHSt 27, 70, 72; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl., § 318 Rdz. 33, § 352 Rn. 4), erweist sich als unwirksam.

Voraussetzung für eine wirksame Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nach § 318 StPO ist, dass die Straffrage losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden kann, ohne dass eine Prüfung des übrigen Urteilsinhaltes erforderlich ist (vgl. BGHSt 39, 208, 209). In aller Regel erfordert dies, dass die Feststellungen des angefochtenen Urteils so umfassend sind, dass sie den Schuldspruch tragen und eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgen bilden (vgl. BGHSt 29, 359, 364; KG, Beschluss vom 24. April 2002 – [3] 1 Ss 89/02 [44/02] –; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 318 Rdz. 16 und 17). Dementsprechend ist eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam, wenn die den Schuldspruch betreffenden Feststellungen – auch hinsichtlich der inneren Tatseite (vgl. hierzu BayObLGSt 1999, 96; OLG Düsseldorf VRS 64, 36; 67, 271; 89, 215 und 218; OLG Jena OLGSt StGB § 323a Nr. 5; OLG Koblenz VRS 65, 369; OLG Köln VRS 82, 39; OLG Oldenburg VRS 115, 364; KG, Beschluss vom 7. Juni 2006 – [3] 1 Ss 487/05 [12/06] –; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rdz. 16) – so unzureichend, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie eine Beurteilung des Tatgeschehens und des Unrechtsgehaltes der Tat nicht ermöglichen und deshalb keine ausreichende Grundlage für die zu treffende Rechtsfolgenentscheidung bieten (KG Berlin, Urteil vom 18. Februar 2013 – (4) 1 Ss 281/12 (341/12) –, juris).

Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für eine wirksame Berufungsbeschränkung erfüllt das Urteil des Amtsgerichts nicht. Die von dem Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind lückenhaft und tragen den Schuldspruch nicht.

1. Indem der Angeklagte, wovon das Amtsgericht – ohne es ausdrücklich auszuführen - in seinem Urteil ausgegangen ist, an seinem Pkw amtliche Kennzeichen angebracht hat, die für ein anderes Fahrzeug ausgegeben waren, hat er gemäß § 267 Abs. 1, 2. Alt. StGB eine echte (zusammengesetzte) Urkunde verfälscht.

Anschließend gebrauchte er die verfälschte Urkunde dadurch, dass er an den Tattagen das mit den falschen amtlichen Kennzeichen versehene Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr und während des Tankens nutzte, so dass er anderen Verkehrsteilnehmern und ggf. dem Tankstellenpersonal die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglichte (§ 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB).

Wird eine verfälschte Urkunde mehrfach gebraucht und entspricht dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden Gesamtvorsatz des Täters, so liegt indes nur eine Urkundenfälschung vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2015 - 4 StR 279/15 - und 21. Mai 2015 - 4 StR 164/15 -, jeweils juris, sowie NJW 2014, 871; jeweils m.w.N).

Die sich hieraus ergebenden Anforderungen an die zu treffenden Feststellungen bei einem möglichen, an den ein einheitliches Urkundsdelikt begründenden konkreten Gesamtvorsatz hat das Amtsgericht vorliegend verkannt, indem es ohne nähere Prüfung jeweils eine isolierte Betrachtung der Nutzung des Fahrzeugs (mit den angebrachten entwendeten Kennzeichen) durch den Angeklagten anlässlich der jeweiligen angeklagten Betrugstaten vorgenommen und deshalb fünf Fälle des Betrugs jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung angenommen hat. Soweit das Amtsgericht insoweit ansatzweise überhaupt Feststellungen getroffenen hat, sind diese zudem widersprüchlich. Während es bei der Schilderung der (zweiten) Betrugstat vom 23.03.2014 heißt, dass „nachwievor“ die entwendeten Kennzeichen am Pkw des Angeklagten angebracht gewesen seien (UA S. 6), was darauf hindeutet, dass das Anbringen der entwendeten Kennzeichen ein einmaliger Vorgang gewesen sein könnte, heißt es im Folgenden (UA S. 10), dass der Angeklagte „im Rahmen der Tankvorgänge seinen Pkw mit dem entwendeten Kennzeichen versehen hatte“, was wiederum darauf hindeuten könnte, dass er die Kennzeichen jeweils nur vorübergehend zur Begehung der Tankbetrügereien angebracht hatte.

Das Amtsgericht hätte insoweit ausdrücklich feststellen müssen, ob das Anbringen der (zuvor in ungeklärter Weise) entwendeten Kennzeichen durch den Angeklagten jeweils nur vorübergehend vor den Tankvorgängen erfolgte, um anlässlich der betrügerischen Tankvorgänge die Wahrnehmbarkeit der an dem Fahrzeug rechtmäßig angebrachten Kennzeichen zu verhindern, oder ob sich das durch den Angeklagten erfolgte Anbringen der entwendeten Kennzeichenschilder an seinem Pkw als einmaliger Vorgang mit anschließender dauerhafter Nutzung des so hergerichteten Kraftfahrzeugs während des gesamten Tatzeitraums – also auch in der Zeit zwischen den Tankvorgängen - darstellte; in diesem Fall wäre dann weiter festzustellen gewesen, welche Vorstellungen der Angeklagte dabei hatte, insbesondere ob er von vornherein den (Gesamt-)Vorsatz gefasst hatte, das manipulierte Fahrzeug im gesamten Tatzeitraum mit den falschen Kennzeichen zu nutzen.

Im erstgenannten Fall käme – wie vom Amtsgericht ausgeurteilt - grundsätzlich eine Verteilung des Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in Betracht.

Hatte aber demgegenüber der Angeklagte bereits zum Zeitpunkt des Anbringens der falschen Kennzeichen den (Gesamt-)Vorsatz gefasst, das manipulierte Fahrzeug im gesamten Tatzeitraum – also auch in der Zeit zwischen den Tankvorgängen - mit den falschen Kennzeichen zu nutzen, würden alle verfahrensgegenständlichen Taten als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bilden (§ 52 StGB) und damit auch die weiteren Delikte, die während der angeklagten Fahrten begangen wurden, hierzu in Tateinheit stehen, und zwar auch dann, wenn sich der Angeklagte zu deren Begehung erst später entschlossen hätte (vgl. BGH, jeweils a.a.O.).

Das jeweils tateinheitliche Zusammentreffen der übrigen Betrugsdelikte mit einer einheitlichen Urkundenfälschung hätte nämlich zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße durch die fortdauernde Urkundenfälschung zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert würden (vgl. Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 28 ff. m.w.N.; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13 –, Rdz. 7, juris) mit der Folge, dass nicht für jeden Tankbetrug (in Tateinheit mit Urkundenfälschung) eine Einzelfreiheitsstrafe und letztlich eine Gesamtfreiheitsstrafe hätte gebildet werden dürfen, sondern nur eine (Freiheits-)Strafe für eine Tat der Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrugs in fünf Fällen.

Entsprechende Feststellungen hat das Amtsgericht nicht getroffen. Eine rechtliche Überprüfung der innertatbestandlichen Konkurrenzverhältnisse ermöglichen die insoweit lückenhaften Feststellungen des Amtsgerichts somit nicht.

2. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils sind darüber hinaus auch deshalb lückenhaft, weil den Feststellungen des Amtsgerichts nicht zu entnehmen ist, ob die einzelnen Tankvorgänge vom anwesenden Tankstellenpersonal bemerkt wurden. Denn es liegt lediglich ein versuchter Betrug vor, wenn ein Täter an einer Selbstbedienungstankstelle tankt, ohne, wie er glaubt, vom Tankstelleninhaber oder dessen Mitarbeitern bemerkt zu werden (vgl. BGH NJW 2012, 1092). Eine bloße Änderung des Schuldspruchs (vgl. BGH a.a.O.) kommt vorliegend schon wegen der konkurrenzrechtlichen Problematik nicht in Betracht. Zudem erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das Landgericht insoweit noch ergänzende Feststellungen treffen kann.

Wegen der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung hätte das Landgericht die notwendigen Feststellungen zum Schuldspruch selbst neu treffen müssen. Da das nicht geschehen ist, war das Urteil aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.



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