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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 156/16 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Aus § 44b StVollstrO folgt kein Anspruch des Verurteilten auf Änderung der Vollstreckungsreihenfolge. Vielmehr steht die Anwendung dieser Vorschrift im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, dessen Ausübung im Rahmen der §§ 23 ff. EGGVG nur eingeschränkt überprüfbar ist.

2. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde regelmäßig nicht zu beanstanden, im Anschluss an den Vorwegvollzug eines Teils der neben der Unterbringung gemäß § 64 StGB verhängten Freiheitsstrafe zunächst nach einem Bewährungswiderruf zu vollstreckende anderweitige Restfreiheitsstrafen sowie einen Teil einer weiteren Freiheitsstrafe zu vollstrecken.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Vorwegvollzug, anderweitige Freiheitsstrafen, Unterbringung

Normen: StGB 64; StVollstrO 44b

Beschluss:

Justizverwaltungssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.02.2017 beschlossen:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Betroffenen (§ 22 GNotKG i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG) nach einem Geschäftswert von 5.000 Euro (§ 36 Abs. 3 GNotKG i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG) als unbegründet verworfen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Der Betroffene wurde am 15.09.2015 durch das Landgericht Paderborn wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Es wurde ein Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten angeordnet. Vom 04.03.2015 bis zum 14.09.2015 befand sich der Betroffene in der vorgenannten Sache in Untersuchungshaft. Seit Rechtskraft des Urteils am 15.09.2015 wurde der Vorwegvollzug vollstreckt, der am 31.08.2016 unter Anrechnung der Untersuchungshaft erledigt war.

Ferner sind bzw. waren gegen den Betroffenen noch zwei widerrufene Restfreiheitsstrafen von 62 Tagen von ursprünglich sechs Monaten für das Verfahren 321 Js 54/09 (StA Paderborn) und von 56 Tagen von ursprünglich ebenfalls sechs Monaten für das Verfahren 34 Js 28/11 (StA Paderborn) zu vollstrecken sowie nach rechtskräftigem Widerruf der zunächst bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung eine weitere Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus dem Verfahren 42 Js 962/13 (StA Paderborn). Nach der durch die Staatsanwaltschaft Paderborn festgesetzten Vollstreckungsreihenfolge sollten nach dem Vorwegvollzug zunächst die widerrufenen Restfreiheitsstrafen von 62 und 56 Tagen sowie im Anschluss daran die widerrufene Freiheitsstrafe von zehn Monaten vollstreckt werden. Die vorgenannten Strafreste von 62 und 56 Tagen sind inzwischen erledigt. Seit dem 28.12.2016 wird die Freiheitsstrafe von zehn Monaten vollstreckt. Zwei Drittel dieser Strafe werden am 13.07.2017 vollstreckt sein. Nach derzeitigem Vollstreckungsstand ist der Beginn der Maßregel für den 14.07.2017 vorgesehen.

Mit Schreiben vom 25.08.2016 beantragte der Betroffene, die Vollstreckungsreihenfolge zu ändern und unmittelbar im Anschluss an den Vorwegvollzug ab dem 31.08.2016 die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollstrecken. Mit Bescheid vom 01.09.2016 lehnte die Staatsanwaltschaft Paderborn diesen Antrag unter Hinweis darauf ab, dass bei der beanspruchten Änderung der Vollstreckungsreihenfolge der Betroffene im Anschluss an die Unterbringung noch die Freiheitsstrafe von zehn Monaten zu verbüßen haben werde, was den Therapieerfolg schaden könne. Die gegen diesen Bescheid erhobenen Einwendungen des Betroffenen hat die Generalsstaatsanwältin in Hamm mit Bescheid vom 12.10.2016 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung mit dem er beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge insoweit anzuordnen, dass gegen den Betroffenen zunächst die Maßregel in dem Verfahren 22 Js 1502/14 V der Staatsanwaltschaft Paderborn vollstreckt wird.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen.

II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG statthaft, wurde gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG form- und fristgerecht eingelegt und ist auch nach § 24 Abs. 2 EGGVG zulässig, da das erforderliche Vorschaltverfahren (§ 21 StVollstrO) durchgeführt worden ist. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass der Betroffene die Aufhebung des Bescheides der Staatsanwaltschaft Paderborn vom 01.09.2016 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwältin in Hamm vom 12.10.2016 und Neubescheidung seines Antrags begehrt. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Aus § 44b StVollstrO folgt kein Anspruch des Verurteilten auf Änderung der Vollstreckungsreihenfolge. Vielmehr steht die Anwendung dieser Vorschrift im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, mithin hat der Betroffene daher ein Recht auf ermessenfehlerfreie Entscheidung.

Die gerichtliche Prüfung im Rahmen der §§ 23 ff. EGGVG beschränkt sich danach darauf, ob der Antrag frei von Rechtsfehlern abgelehnt wurde, insbesondere nicht die Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 28 Abs. 3 EGGVG).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft bezogen auf die Festsetzung der Vollstreckungsreihenfolge nicht zu beanstanden.

Das Gebot der an größtmöglicher Flexibilität orientierten Handhabung der Vollstreckungsreihenfolge mit dem Ziel, die Straftäter möglichst schnell der therapeutischen Behandlung zuzuführen, findet seine Grenze an der gesetzlichen Wertung der §§ 67 Abs. 5 S. 1 StGB i. V. m. 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 StGB und der gesetzlichen Möglichkeit, die Vollstreckung einer Strafe oder Reststrafe überhaupt zur Bewährung auszusetzen. Für den hier gegebenen Fall des Zusammentreffens der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus verschiedenen Erkenntnisverfahren hat der Gesetzgeber keine Bestimmung der Reihenfolge getroffen. Nach § 44 b Abs. 2 StVollstrO wird die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel aus verschiedenen Urteilen von der Vollstreckungsbehörde bestimmt. Die Vorschrift des § 44 b Abs. 1 StVollstrO regelt, wie das den Vollstreckungsbehörden eingeräumte Ermessen auszuüben ist. Demnach wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen, es sei denn, dass gerade durch den Vorwegvollzug der Strafe der Zweck der Maßregel leichter erreicht werden kann, wenn also durch den sofortigen Beginn der Maßregel deren Erfolgsaussichten entscheidend gemindert werden würden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.03.2014, - 1 VAs 17/13 - und Beschluss vom 07.08.2014, - 2 VAs 7/14 -; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 67 Rn. 5 zur entsprechenden Regelung in § 67 Abs. 1 StGB).

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Entlassung in die Freiheit eine Behandlung nach § 64 StGB unmittelbar vorausgehen sollte, weil ein sich anschließender Strafvollzug die positiven Auswirkungen des Maßregelvollzugs wieder gefährden würde (BGH NJW 1986, 143; BGH NStZ-RR 2003, 295; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 324; OLG Nürnberg StraFo 2013, 36). Die Vollstreckungsreihenfolge sollte also - in Orientierung am Leitmotiv des § 67 Abs. 2 StGB - derart gestaltet werden, dass nach erfolgreicher Behandlung in der Unterbringung die Möglichkeit besteht, alle zur Verbüßung anstehenden Strafen zur Bewährung auszusetzen. Nach § 67 Abs. 2 S. 2 und 3 StGB ist ein Teil der verhängten Strafe regelmäßig zu verbüßen, so dass nach erfolgreicher Durchführung der Maßregel unter Anrechnung der Zeit des Vollzugs der Maßregel eine Halbstrafenaussetzung nach §§ 67 Abs. 5 S. 1 StGB i. V. m. 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 StGB möglich ist. Das Gesetz selbst schränkt also insoweit den Vorrang der Therapie gegenüber dem Strafvollzug ein. Auch zielt § 67 StGB auf die gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Reststrafenaussetzung. Diese ist nach Verbüßung einer Strafe zu Zweidrittel gemäß § 57 Abs. 1 StGB beziehungsweise zur Hälfte gemäß § 57 Abs. 2 StGB möglich.

Unter Zugrundelegung dieser Prämissen sind die Ermessensentscheidungen der Staatsanwaltschaft Paderborn und der Generalstaatsanwaltschaft Hamm nicht zu beanstanden. Die Erwägung der Vollstreckungsbehörde, die verhängten Reststrafen von 62 bzw. 56 Tagen aus früheren Verurteilungen (321 Js 54/09 und 34 Js 28/11 StA Paderborn) sowie die Freiheitsstrafe von 10 Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 19.02.2014 bis zum Zweidritteltermin - dem Zeitpunkt der Aussetzungsmöglichkeit - zu vollstrecken, ist sachgerecht im Hinblick darauf, dass es sich bei den Strafresten von 62 bzw. 56 Tagen um widerrufene Strafreste handelt, die regelmäßig vorweg zu vollstrecken sind (vgl. BGH, Beschl. v. 09.02.2012, 5 AR (VS) 40/11) und dass die Freiheitsstrafe von 10 Monaten noch nicht teilvollstreckt ist.

Alle Programme des Maßregelvollzuges zielen darauf ab, den Maßregelpatienten in Freiheit zu entlassen (Wolf in Pohlmann/Jabel/Wolf, Strafvollstreckungsordnung, 9. Auflage, § 44 b Rdnr. 2). Die Entlassung aus dem Maßregelvollzug erfolgt mit begleitenden und stabilisierenden Maßnahmen. Müsste der Betroffene bei Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach Abschluss einer erfolgreichen Maßnahme nach § 64 StGB noch etliche Monate Strafhaft verbüßen, so würde dies dem Zweck des Maßregelvollzuges zuwiderlaufen und den Therapieerfolg gefährden. Durch die seitens der Staatsanwaltschaft Paderborn bestimmte Vollstreckungsreihenfolge ist es möglich, ohne Bemühung des unwägbaren Gnadenverfahrens nach einem erfolgreichen Abschluss der Behandlung in der Unterbringung sämtliche dann offenen Strafreste entsprechend den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Bewährung auszusetzen und dadurch zu verhindern, dass der Behandlungserfolg durch einen anschließenden Strafvollzug wieder gefährdet wird. Die Ermessensgrenzen sind insoweit eingehalten, ein Ermessensmissbrauch nicht ersichtlich.

Demzufolge hat der Antrag des Betroffenen auf Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge keinen Erfolg, so dass mangels Erfolgsaussicht auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.


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