Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 RBs 24/17 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Ein Produkt ist grundsätzlich nach dem Verwendungszweck entweder als Pflanzenschutzmittel oder als Düngemittel einzuordnen. Daneben kommt es auf die stoffliche Wirkung des Produkts an.
2. Sofern ein Produkt aus zwei verschiedenen chemischen Wirkstoffen besteht, von denen einer als Düngemittel und der andere als Pflanzenschutzmittel wirkt, bedarf das Produkt sowohl einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung als auch der Einhaltung der düngemittelmittelrechtlichen Vorgaben. Sofern in einem Produkt ein chemischer Wirkstoff enthalten ist, der sowohl als Pflanzenschutzmittel als auch als Düngemittel wirkt, kommt es auf die überwiegende Zweckbestimmung (Auslobung) des Produktes durch den Hersteller sowie die genaue stoffliche Zusammensetzung an.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Abgrenzung

Normen: PflSchG

Beschluss:

Bußgeldsache
In pp.
hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09.05.2017 beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2. Die Sache wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
3. Auf die Rechtsbeschwerde wird das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 24.10.2016 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amsgericht Münster zurückverwiesen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen drei tateinheitlich begangener Ordnungswidrigkeiten nach dem Pflanzenschutzgesetz zu einer Geldbuße von 250,- Euro verurteilt. Dagegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, die er zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Düngemitteln bzw. Pflanzenschutzmitteln und etwaiger Kombipräparate begehrt, da diese in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt sei. Dies gelte insbesondere unter Beachtung der aktuell geltenden EU-Verordnungen (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde sei auch zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung in Abgrenzungsfällen geboten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen.

II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

Da das Amtsgericht den Betroffenen zu einer Geldbuße von mehr als 100,- Euro und nicht mehr als 250,- Euro verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 1 OWiG zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts geboten. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts kommt nur bei Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig sind. Die Fortbildung des Rechts besteht darin, Leitsätze aufzustellen und zu festigen, die bei der Auslegung von Rechtssätzen und dem Ausfüllen von Gesetzeslücken zur Anwendung kommen (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 16. Auflage 2012, § 80 Rdnr. 3).

Die materiell-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils führt zur Aufdeckung einer Rechtsfrage, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts gebietet.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung war bislang hinreichend geklärt, wie die Abgrenzung zwischen Düngemitteln bzw. Pflanzenschutzmitteln und etwaiger Kombipräparate zu erfolgen hat. Die Abgrenzung zwischen Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln richtete sich nach der überwiegenden Zweckbestimmung. Diese war nach objektiven Maßstäben festzustellen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.8.1992 – 10 S 1105/92AgrarR 1993, 122; Bayerisches ObLG, Beschluss vom 19.7.1996 – 3 ObOWi 75/96NStZ-RR 1997, 83; OVG NRW, Urteil vom 18.8.2000 – 21 A 1491/98AgrarR 2001, 292). Die rechtliche Zuordnung von Produkten, die nicht nur düngende, sondern auch pflanzenschützende Wirkung zu entfalten bestimmt sind, hatte der Gesetzgeber durch eine wechselseitige Verweisung im Pflanzenschutzgesetz einerseits und im Düngemittelgesetz andererseits gelöst. Das Pflanzenschutzgesetz nahm Düngemittel im Sinne des Düngemittelgesetzes aus seinem Regelungsbereich aus (§ 2 Nr. 9 1. Halbsatz a.E. PflSchG in der Fassung vom 14.5.1998), das Düngemittelgesetz schloss seinerseits Pflanzenschutzmittel aus seinem Anwendungsbereich aus, allerdings nur für den Fall, dass der Stoff überwiegend dem Pflanzenschutz dient (§ 1 Nr. 1 2. Halbsatz DüngMG 1977). Damit lag eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage der Abgrenzung vor.

Jedoch wurde in der Rechtsprechung bislang nicht die zeitlich später erlassene EU-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) berücksichtigt. Auch konnten in der vorgenannten Rechtsprechung nicht die Normen des aktuell gültigen Düngegesetzes in der Fassung vom 6.2.2012 sowie des aktuell gültigen Pflanzenschutzgesetzes in der Fassung vom 6.2.2012 berücksichtigt werden. Da sich die gesetzlichen Grundlagen nach Erlass der klärenden Rechtsprechung änderte, ist diese nicht mehr – zumindest nicht ohne weiteres – anwendbar. Denn in den aktuellen Fassungen des Düngegesetzes und des Pflanzenschutzgesetzes wird im Gegensatz zu dem Pflanzenschutzgesetz in der Fassung vom 1.7.1998 und zu dem Düngemittelgesetz in der Fassung vom 27.9.1994 bei der Begriffsbestimmung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln nicht mehr wechselseitig Bezug genommen. Aufgrund der geänderten Gesetze ist die Abgrenzung zwischen Düngemitteln bzw. Pflanzenschutzmitteln und etwaiger Kombipräparate derzeit nicht hinreichend geklärt.

2. Die Sache war gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.

3. Die Rechtsbeschwerde hat (vorläufigen) Erfolg, weil die tatrichterlichen Feststellungen den Schuldspruch "wegen drei tateinheitlich begangener Ordnungswidrigkeiten nach dem Pflanzenschutzgesetz" nicht tragen. Der Betroffene wurde wegen Inverkehrbringens eines Pflanzenschutzmittels ohne Zulassung (§ 68 Abs. 2 Nr. 1 PflSchG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 EG-Verordnung Nr. 1107/2009), wegen Inverkehrbringens eines Pflanzenschutzmittels ohne erforderlichen Sachkundenachweis (§§ 9 Abs. 1 und 2, 23 Abs. 3 und 4, 68 Abs. 1 Nr. 17 und 18 PflSchG) sowie wegen unterlassener Anzeige vor dem Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels (§ 24 Abs. 1, 68 Abs. 1 Nr. 6 PflSchG) schuldig gesprochen.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

„Der Betroffene betreibt in W einen so genannten Super-Schnäppchen-Markt. In diesem Markt bietet er verschiedene Waren zu günstigen Einkaufsbedingungen an. Die Ware selbst erhält über den Großeinkauf, der für die verschiedenen Filialen der Super-Schnäppchen-Märkte getätigt wird. Hierüber hat er auch den in diesem Verfahren von der Verwaltungsbehörde beanstandeten „Gekörnten Eisendünger“ erhalten. Es handelt sich um das Produkt „Gekörnter Eisendünger“ der Firma T.

Das Präparat verfügt über keine Zulassung zur Inverkehrbringen nach Art. 28 der EG-Verordnung 1107/2009.

Der Betroffene, der nicht über den nach Pflanzenschutzgesetz erforderlichen Sachkundenachweis für den gewerbsmäßigen Verkauf von Pflanzenschutzmitteln verfügt, verkaufte in seinem Geschäft in W im Frühjahr 2015 das Produkt. Es handelt sich hierbei um ein Präparat, welches als Rasensdünger beworben wird. In der Werbung als Rasensdünger befindet sich daneben deutlich erkennbar auf der Packung im vorderen Bereich ein Zusatz, wonach das Präparat Eisen-II-Sulfat enthält. Dieser deutlich erkennbare Zusatz, welcher kreisrund aufgedruckt ist, erhält die textliche Beigabe: „Hilft bei Moosbefall“.

Das in dem Präparat zugefügte Eisen-II-Sulfat dient nicht der Düngung des Rasens, sondern dient ausschließlich dazu, etwaiges Moos im Rasen zu vernichten.

Der Betroffene hat dieses Präparat in einer nicht näher feststellbaren Menge erhalten, und dieses anschließend vollständig an Kunden des Super-Schnäppchen-Marktes gewerblich weiterzuverkaufen. Er hat gegenüber der Verwaltungsbehörde vor Veräußerung des entsprechenden Präparats auch nicht angezeigt, dass er dies in seinem Warensortiment aufgenommen und an Kunden veräußert hat.

Der Betroffene hätte bei Aufbringung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass sich bei dem Präparat nicht um ein reines Düngemittel, sondern aufgrund der Beigabe von Eisen-II-Sulfat und des Zusatzes „Hilft bei Moosbefall“ auch um ein Pflanzenschutzmittel handelt und er daher einen Sachkundenachweis benötigt hätte.“

Diese tatrichterlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Denn den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob es sich tatsächlich um ein Pflanzenschutzmittel handelt. Es ist keinerlei Abgrenzung zwischen einem Pflanzenschutzmittel und einem Düngemittel erfolgt. Insbesondere ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, welchem Verwendungszweck das beanstandete Präparat dient und in welchem Anteil in dem Präparat Eisen-II-Sulfat enthalten ist. Feststellungen zu der weiteren chemischen Zusammensetzung des Produkts fehlen ebenfalls.

Zur Abgrenzung zwischen Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln weist der Senat auf folgendes hin:

Ausgehend von der im vorliegenden Verfahren eingeholten Stellungnahme des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 14.03.2017 – der sich der Senat anschließt – ist ein Produkt grundsätzlich je nach dem Verwendungszweck entweder als Pflanzenschutzmittel entsprechend Art. 2 der EG-Verordnung Nr. 1107/2009 oder als Düngemittel gemäß § 2 DüngeG einzuordnen. Die ausgelobte Zweckbestimmung des Produktes ist ausschlaggebend für die Abgrenzung eines Düngemittel von einem Pflanzenschutzmittel. Um eine Umgehung der anzuwendenden Normen des Pflanzenschutzgesetzes zu vermeiden, kommt es neben der Zweckbestimmung zusätzlich noch auf die stoffliche Wirkung des Produktes an. Sofern ein Produkt aus zwei verschiedenen chemischen Wirkstoffen besteht, von denen einer als Düngemittel und der andere als Pflanzenschutzmittel wirkt, bedarf das Produkt sowohl einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung als auch der Einhaltung der düngemittelmittelrechtlichen Vorgaben. Sofern ein Produkt aus einem chemischen Wirkstoff besteht, der sowohl als Pflanzenschutzmittel als auch als Düngemittel wirkt, kommt es auf die überwiegende Zweckbestimmung (Auslobung) des Produktes durch den Hersteller sowie die genaue stoffliche Zusammensetzung an. Da Eisen-II-Sulfat als Wirkstoff in Pflanzenschutzmittel von der EU bis zum 31.08.2019 genehmigt worden ist, Eisen-II-Sulfat aber auch als Düngemittel wirkt, kommt es auf die Auslobung des Produkts und die genaue chemische Zusammensetzung in dem Produkt an bzw. die auf die Zielfläche auszubringende Produktmenge.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist das amtsgerichtliche Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Münster zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Ein Anlass, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, besteht nicht (§ 79 Abs. 6 OWiG).


zur Startseite"Rechtsprechung"

zum Suchformular


Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".