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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) OLG Hamm

Leitsatz: Bei der Überprüfung einer Entscheidung der Justizvollzugsanstalt über die Verlegung eines Gefangenen in den offenen Vollzug darf das Gericht keine Tatsachen ermitteln, die seitens der Justizvollzugsanstalt bei der angefochtenen Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen wurden, die Maßnahme aber womöglich rechtfertigen könnten, und auch im Übrigen nicht eigene Erwägungen anstelle der in der angefochtenen Entscheidung genannten zur Grundlage ihrer Entscheidung machen.


Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Verlegung offener Vollzug, Tatsachen

Normen: StVollzG 115, StVollzG 12

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24.01.2017 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Betroffene verbüßt derzeit in der Justizvollzugsanstalt S eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 04.08.2011. Zwei Drittel der Strafe waren am 30.06.2016 verbüßt, voraussichtliches Strafende ist am 30.04.2017.

Am 10.07.2016 beantragte der Betroffene wieder in den offenen Vollzug verlegt zu werden, aus dem er im Februar 2016 mit der Begründung abgelöst worden war, er habe Lockerungen missbraucht. In der Vollzugskonferenz vom 19.07.2016 wurde der Antrag auf Verlegung in den offenen Vollzug unter Hinweis auf eine bestehende Missbrauchs- und Fluchtgefahr abgelehnt. Diese wurde damit begründet, dass der Betroffene im Februar 2016 wegen Missbrauchs von Lockerungen aus dem offenen Vollzug abgelöst worden sei. Er sei nicht unerheblich einschlägig vorbestraft, wobei der Auszug aus dem Bundeszentralregister 34 Einträge enthalte. Ferner sei eine positive Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug weiterhin nicht festzustellen. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung machte der Betroffene geltend, dass er während des offenen Vollzuges keine Lockerungen missbraucht habe.

Seitens der Justizvollzugsanstalt wurde ausgeführt, dass der Betroffene für den offenen Vollzug nicht geeignet sei. Die beharrliche Straftatenbegehung und das problematische Verhalten in der Haft seien Ausdruck einer Persönlichkeitsproblematik, die nicht aufgearbeitet sei. Das Befolgen von Regeln und Ehrlichkeit bedeuteten dem Betroffenen wenig. Er nutze ihm gewährte Freiräume verbotswidrig aus und versuche Bedienstete gegeneinander auszuspielen. Es sei absehbar, dass der Betroffene aufgrund seiner Persönlichkeit und der unaufgearbeiteten Delinquenz Freiräume des offenen Vollzuges auch zur Straftatenbegehung ausnutzen werde. Zudem bestehe Fluchtgefahr, weil der Betroffene zwei Jahre lang habe gesucht werden müssen.

Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, dass nicht zu beanstanden sei, dass die Justizvollzugsanstalt angesichts der Straftatenbegehung in der Vergangenheit, der nicht aufgearbeiteten Delinquenz und des andauernden problematischen Verhaltens während des Vollzuges eine Missbrauchsgefahr bejaht habe. Sie habe sich mit der Persönlichkeit des Antragstellers auseinandergesetzt und darauf verwiesen, dass sich ihre Beurteilung der Person des Betroffenen mit der der Justizvollzugsanstalt C-T decke. Ferner sei die JVA zu Recht von einer Fluchtgefahr ausgegangen.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine Verlegung in den offenen Vollzug begehrt. Hilfsweise beantragt er, die Strafvollstreckungskammer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut entscheiden zu lassen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde war gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgt die Zulassung der Rechtsbeschwerde, wenn vermieden werden soll, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat.

Zwar weist die Strafvollstreckungskammer zutreffend darauf hin, dass sich die Überprüfung des der Vollzugsbehörde zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Bewertung der Frage, ob ein Gefangener für den offenen Vollzug geeignet ist oder ob die Eignung aufgrund Flucht- oder Missbrauchsgefahr entfallen ist, nur nach den Maßstäben des § 115 Abs. 5 StVollzG richtet. Die Gerichte haben daher die Prüfung darauf zu beschränken, ob der Anstaltsleiter von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob er seiner Entscheidung den richtigen Begriff der Versagungsgründe zugrunde gelegt hat und ob seine Beurteilung des Gefangenen vertretbar ist. Vorliegend ist aber die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährdet, insofern das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidungsfindung die Grenzen des § 115 Abs. 5 StVollzG nicht hinreichend beachtet, nämlich unzureichende Ermessenserwägungen der Anstaltsleitung durch eigene ersetzt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 04.11.2014 - III-1 Vollz(Ws) 475/14 -, juris, m. w. N.; Senat, NStZ 1991, 303; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 115 Rn. 13).

Denn die Strafvollstreckungskammer hat die Gefahr einer Missbrauchs- und Fluchtgefahr positiv festgestellt und hiervon ausgehend die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Verlegung in den offenen Vollzug im wesentlichen mit dem Vorbringen aus der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 26.08.2016 begründet, während in dem - insofern allein maßgeblichen - angefochtenen Bescheid vom 19.07.2016 mit schriftlicher Niederlegung vom 25.07.2016 die Ablehnung der Verlegung in den offenen Vollzug vorwiegend damit begründet wurde, dass im Februar 2016 die Ablösung des Betroffenen aus dem offenen Vollzug wegen Missbrauchs von Lockerungen erfolgt sei. Ferner wurde ausgeführt, dass der Betroffene nicht unerheblich einschlägig vorbestraft und eine positive Persönlichkeitsentwicklung nicht feststellbar sei. Es bestehe daher Missbrauchs- und Fluchtgefahr. Eine darüber hinausgehende Begründung enthielt die Entscheidung nicht.

Im Rahmen der Kontrolle der behördlichen Sachverhaltsfeststellung darf das Gericht jedoch keine Tatsachen ermitteln, die seitens der Justizvollzugsanstalt nicht in Erwägung gezogen wurden, die Maßnahme aber womöglich rechtfertigen könnten (Laubenthal/Nestler/Neubach/Verrel Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage, P, Rn. 85 m. w. N.). Die Gründe des angefochtenen Beschlusses lassen besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer eigene Erwägungen anstelle der in der Entscheidung vom 19.07.2016 genannten zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat.

Bei den mit der Stellungnahme durch die Justizvollzugsanstalt vorgetragenen weiteren Erwägungen handelt es sich um solche, die die Vollzugsbehörde bei ihrer Würdigung vom 19.07.2016 ersichtlich außer Betracht gelassen hatte. In der schriftlichen Niederlegung der insoweit allein maßgeblichen Entscheidung findet sich hierzu keinerlei Anhaltspunkt. Dort wurde auf die im Februar 2016 erfolgte Ablösung aus dem offenen Vollzug abgestellt, die mit Missbrauch von Lockerungen am 29.01.2016 in C begründet wurde.

Die Strafvollstreckungskammer teilt zudem nicht mit, wodurch sie zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Betroffene tatsächlich im offenen Vollzug ihm gewährte Freiräume missbraucht habe. Der Betroffene hat in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ausdrücklich in Abrede gestellt, während des offenen Vollzuges Lockerungen missbraucht zu haben. Hierzu verhält sich der angegriffene Beschluss nicht.

Die Rechtsbeschwerde ist angesichts der unzureichenden Begründung des angefochtenen Beschlusses und des Umstandes, dass die Strafvollstreckungskammer die Erwägungen der Justizvollzugsanstalt durch ihre eigenen ersetzt hat, auch begründet und führt – mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes – zur Aufhebung des Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer (§ 119 Abs. 4 StVollzG).

Soweit die Rechtsbeschwerde darüber hinausgehend entsprechend dem ursprünglichen Antragsbegehren das Ziel einer unmittelbaren Verlegung in den offenen Vollzug verfolgt, ist sie unbegründet, da der Anspruch des Betroffenen lediglich auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung gerichtet ist und ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null ersichtlich nicht vorliegt.


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