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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 279/17 OLG Hamm

Leitsatz: m Rahmen eines Verfahrens auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist im Regelfall von einer unverschuldeten Fristversäumung eines Strafgefangenen auszugehen, wenn dieser einen Antrag auf Protokollierung des Rechtsmittels zumindest fünf Werktage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist an das zuständige Gericht abgesendet hat; die Absendung eines Protokollierungsantrages drei Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist ist nicht ausreichend (im Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 28. Mai 2015 – III-1 Vollz(Ws) 248/15 –, juris)

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Rechtsbeschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Protokollierungsantrag,

Normen: StVollzG 118, StPO 44

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.07.2017 beschlossen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet verworfen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last.

Gründe:
I.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat mit Beschluss vom 06.04.2017 auf den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 15.12.2016 die Entscheidung der JVA X über die Ablehnung der Gewährung von Begleitausgängen aufgehoben und die JVA X zur Neubescheidung des Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer verpflichtet. Dieser Beschluss wurde den Betroffenen ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 18.04.2017 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene am 23.05.2017 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Werl Rechtsbeschwerde ein, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügte. Gleichzeitig beantragte er, ihm gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist des § 118 StVollzG Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu gewähren und führte zur Begründung aus, er habe am 10.05.2017 dem zuständigen Abteilungsbeamten mitgeteilt, dass er baldmöglichst dem Urkundsbeamten vorgeführt werden wolle, um eine Rechtsbeschwerde zu Protokoll erklären zu können. Weiter habe er gebeten, dem Urkundsbeamten den Entwurf seiner Rechtsbeschwerde vorab faxen zu dürfen, was abgelehnt worden sei. Zum nächsten Termin des Urkundsbeamten am 16.05.2017 sei er nicht vorgeführt worden. Er habe auch nicht gewusst, was er unternehmen müsse, um dem Urkundsbeamten vorgeführt zu werden. Er habe erst auf seine Nachfrage hin erfahren, aus welchem Grund er nicht vorgeführt worden sei. Dann habe er sich mit dem „Vordruck 51“ an das Amtsgericht Werl gewandt, der dort am 19.05.2017 eingegangen sei. Aus organisatorischen Gründen, die er nicht zu vertreten habe, habe die Rechtsbeschwerde erst am 23.05.2017 aufgenommen werden können.

II.
1. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde war als unbegründet zu verwerfen, da der Betroffene die vorgenannte Frist nicht, wie es § 44 StPO i. V. m. §§ 120 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG voraussetzt, unverschuldet versäumt hat. Ob ein eigenes Verschulden des die Wiedereinsetzung Beantragenden an der Fristversäumung gegeben ist, beurteilt sich nach der diesem möglichen und zumutbaren Sorgfalt (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 59. Auflage, § 44 Rn. 11).

Der am 14.05.2017 gestellte und am 19.05.2017 beim Amtsgericht Lippstadt eingegangene Antrag des Betroffenen auf Protokollierung seiner Rechtsbeschwerde ist vorliegend nicht so rechtzeitig erfolgt, dass der Betroffene noch mit einer fristgerechten Aufnahme der Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Werl hätte rechnen können.

Es trifft den Betroffenen ein Verschulden, dass er sich nicht entsprechend rechtzeitig und mithin früher um die Vorführung zum Rechtspfleger bemüht hat. Rechtzeitigkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass dem Protokollierungsersuchen des Gefangenen im Zuge eines ordentlichen Geschäftsgangs entsprochen werden kann. Zwar ist ein Betroffener berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen. Dies beinhaltet jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auch verpflichtet ist, bei später Antragstellung zur Vorführung allein wegen des bevorstehenden Fristablaufes überobligatorische Tätigkeiten außerhalb des normalen Geschäftsganges zu entfalten, um die Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewährleisten (vgl. Senat, Beschluss vom 28.05.2015 - III-1 Vollz (Ws) 248/15 -, m.w.N., juris). Die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsmittelfrist beinhaltet nämlich keine reine Bedenkzeit, sondern umfasst zugleich die Zeitspanne, die dem Betroffenen je nach den Umständen zur Erledigung des rein technischen Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung verbleibt. Es muss deshalb von dem Betroffenen erwartet werden, dass er seinerseits alles ihm Zumutbare veranlasst, um die rechtzeitige Protokollierung des Rechtsmittels sicherzustellen. Hierbei ist im Regelfall - und so auch vorliegend - ein Protokollierungsersuchen im Regelfall dann noch als rechtzeitig anzusehen, wenn es zumindest fünf Werktage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist abgesendet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28.05.2015, a.a.O.; Arloth in Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 118 Rn. 6).

Die einmonatige Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gemäß § 118 Abs. 1 StVollzG begann mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 18.04.2017 und endete, da es sich bei dem 18.05.2017 um einen Sonntag handelte, am Montag, dem 19.05.2017. Für die Aufnahme der Rechtsbeschwerde stand nach Eingang des Antrags des Betroffenen auf Protokollierung beim Amtsgericht Werl kein weiterer Werktag zur Verfügung, an dem die Protokollierung hätte stattfinden können, da es sich bei diesem Tag um den letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist handelte. Auch wenn der Antrag vom 14.05.2017 noch am selben Tag dem Amtsgericht Werl vorab per Fax übermittelt worden wäre, hätten zur Protokollierung einer Rechtsbeschwerde nur noch drei Werktage, nämlich der 15.05.2017 und der 16.06.2017 unmittelbar vor Fristablauf, sowie der Tag des Fristablaufs selbst zur Verfügung gestanden. Der Betroffene durfte angesichts dessen bei seiner Antragstellung am 14.05.2017 nicht mehr davon ausgehen, dass seine Rechtsbeschwerde noch fristgerecht aufgenommen werden könnte; zumal ein Gefangener nach Aufgabe eines Schreibens zur Post nicht mit einem früheren Eingang beim zuständigen Gericht als am übernächsten Tag wird rechnen können. Zur Protokollierung der Rechtsbeschwerde war hier hingegen nach Abgabe des Antrages des Betroffenen vom 14.06.2017 in der JVA - für diesen ohne weiteres erkennbar - noch erforderlich, dass dieser Antrag durch die JVA an das zuständige Amtsgericht weitergeleitet und sich der dortige Rechtspfleger entweder selbst in die Justizvollzugsanstalt begeben oder aber die Justizvollzugsanstalt um die unmittelbare Vorführung des Betroffenen zum Amtsgericht ersuchen würde. Daher durfte der Betroffene im Rahmen des normalen Geschäftsganges unter Berücksichtigung anderweitiger zu erledigender Tätigkeiten des zuständigen Rechtspflegers nicht damit rechnen, dass dieser sich noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist am 19.05.2017 in die Justizvollzugsanstalt begibt oder die Justizvollzugsanstalt noch rechtzeitig eine Vorführung des Betroffenen zum Amtsgericht ermöglichen würde.

Daher erfolgte der Antrag des Betroffenen auf Aufnahme seiner Rechtsbeschwerde zu Protokoll durch die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Werl nicht rechtzeitig. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Betroffene angibt, mit den Gepflogenheiten in der JVA X nicht vertraut gewesen zu sein. Es war dem Betroffenen ohne weiteres zumutbar, sich gegebenenfalls zu erkundigen, welche Schritte er in der JVA X zu unternehmen habe, um eine Vorführung zum Rechtspfleger zwecks Protokollierung einer Rechtsbeschwerde zu erreichen. Hier kommt hinzu, dass das Vorbringen des Betroffenen zu seinem Wiedereinsetzungsgesuch widersprüchlich ist. Nach seinem Vortrag will er erst erfahren haben, was er zu unternehmen habe, nachdem er zu dem Termin am 16.05.2017 nicht dem Urkundsbeamten vorgeführt worden sei, obwohl er seinen Abteilungsbeamten bereits am 10.05.2017 darüber informiert haben will, dass er eine Rechtsbeschwerde zu Protokoll erklären lassen wolle.

Allerdings datiert der schriftliche Antrag auf Vorführung bereits auf den 14.05.17, ist also zwei Tage vor dem Protokollierungstermin vom 16.05.2017, zu dem er nicht vorgeführt worden war, abgefasst worden.

2. Darüber hinaus wäre die Rechtsbeschwerde auch unzulässig, weil es an einem Zulassungsgrund fehlt. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg enthält keine bisher für den nordrhein-westfälischen Maßregelvollzug obergerichtlich ungeklärten Rechtsfragen noch geht von der Entscheidung eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus, die eine Zulassung gebieten. Eine Reduzierung des Beurteilungsspielraums der JVA auf null ist weder ersichtlich noch dargetan. Auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs, die anerkanntermaßen die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen kann, liegt nicht vor.

III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 121 Abs. 2, 138 Abs. 3 StVollzG, § 473 Abs. 1 StPO.


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