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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 53/06 OLG Hamm

Leitsatz: Dem Antragsteller ist auch dann ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigen im Rahmen der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuzurechnenm, wenn er sich im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den staatlichen Strafanspruch wendet.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Wiedereinsetzung in den vorigens Stand; Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten; Zurechnung;

Normen: EGGVG 28; StPO 44

Beschluss:

Justizverwaltungssache
betreffend S.T.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Widerruf einer Gnadenentscheidung).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 31. Juli 2006 auf Wiedereinsetzung in den vori¬gen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf gericht¬liche Entscheidung hat der 1. Strafsenat des Oberlandesge¬richts Hamm am 14. 08. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht Witte beschlossen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

Der Senat hat mit Beschluss vom 29. Juni 2006 einen Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG als unzulässig verworfen, weil er nicht innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG begründet worden war.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2006 hat der Betroffene nunmehr beantragt, ihm Wieder¬einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist zu gewähren und zugleich seinen, nunmehr mit einer Begründung versehenen Antrag auf ge¬richtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG wiederholt. Zum Wiedereinsetzungs-antrag hat er - im Wesentlichen - vorgetragen, er habe seinen Verfahrensbevoll-mächtigten recht¬zeitig mit der Stellung eines zulässigen Antrags auf gerichtliche Entscheidung beauf¬tragt und bevollmächtigt. Diesem sei jedoch nicht bekannt gewesen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb eines Monats nicht nur gestellt, sondern auch vollständig begründet werden müsse. Das Verschul¬den seines Verfahrensbevollmächtigten könne ihm jedoch nicht zugerechnet werden. Im Übrigen sei die ihm erteilte Rechtsmittelbelehrung auch fehlerhaft gewesen, weil sie nicht ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch innerhalb der Monatsfrist des § 26 Abs.1 EGGVG nicht nur gestellt sondern auch begründet werden müsse.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt erfolglos, denn die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung war schuldhaft. Dabei ist das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten an diesem Fristversäumnis dem Betroffenen zuzurechnen.

Es ist allgemein anerkannt, dass wegen der nicht den Wiedereinsetzungsvorschriften der Strafprozessordnung, sondern der des Verwaltungsprozessrechts nachgebilde¬ten Regelung des § 26 Abs. 2, Abs. 3 EGGVG grundsätzlich das Verschulden des gewählten oder bestellten Rechtsanwalts dem Antragsteller zuzurechnen ist (vgl. OLG Hamburg, NStZ-RR 2004, S. 185 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO; 49. Aufl., § 26 EGGVG Rdnr. 7). Denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verschul¬dens des Verfahrensbevollmächtigten kommt nur im Bezug auf das Schutzbedürfnis des Beschuldigten gegenüber dem Straf- (bzw. Maßnahme-)anspruch des Staates in Betracht, soweit sie der Verteidigung gegen einen solchen Anspruch dient (OLG Hamm, MDR 1983, S. 70). Im Rahmen der Strafvollstreckung und des Strafvollzuges geht es aber nach Rechtskraft nicht mehr um die Abwehr des staatlichen Strafan¬spruchs bzw. die Möglichkeit der Aufhebung des im Urteil getroffenen Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs, sondern nur noch darum, in welcher Weise nach rechts¬kräftiger Verurteilung der feststehende staatliche Strafanspruch verwirklicht wird; seine Freiheit muss der zu Freiheitsstrafe Verurteilte schon aufgrund des rechtskräf¬tigen Urteils entbehren (vgl. OLG Hamburg a.a.O.).

Umstritten ist allerdings, ob eine Ausnahme anzuerkennen ist, wenn der Antragsteller sich gegen den Strafvollstreckungsanspruch des Staates wehrt. Unter Hinweis auf eine mit dem Strafverfahren vergleichbare Interessenlage und ein entsprechendes Schutzbedürfnis wird in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums eine Aus¬nahme vom Grundsatz der Zurechenbarkeit anerkannt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.,
§ 26 EGGVG Rdnr. 7 m.w.N.). Dieser Auffassung vermag sich der Senat indes nicht anzuschließen. Systematisch stellt sich die zu § 44 StPO entwickelte Nichtzurech¬nung von Verteidigerverschulden als Ausnahme dar. Für alle anderen Verfahrens¬ordnungen ist anerkannt, dass das Verschulden des Vertreters an einer Fristversäu¬mung der Partei zugerechnet wird. Soweit die Zurechnung nicht ausdrücklich nor¬miert ist, wird sie als allgemeines Prinzip anerkannt. Ausnahmeregelungen sind regelmäßig restriktiv anzuwenden. Wegen der, wie erörtert, aus dem Verwaltungs¬prozess entwickelten Struktur des Verfahrens nach §§ 23 ff. EGGVG und der in § 26 Abs. 2 und Abs. 3 EGGVG unabhängig von den §§ 44 ff. StPO normierten Aus¬gestaltung des Instituts der Wiedereinsetzung führt die ergänzende ("im Übrigen") Verweisung des § 29 Abs. 2 EGGVG auf die Beschwerdevorschriften der StPO unter systematischer Betrachtung nicht zur Anwendung des strafprozessualen Nichtzu¬rechnungs-Prinzips (vgl. Senatsbeschluss vom 17. November 2005 - 1 VAs 73/05 -; OLG Hamburg a.a.O.). Demzufolge ist das Verschulden des Verfahrensbevollmäch¬tigten dem Antragsteller zuzurechnen.

Es sind schließlich auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die hier das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen auszuräumen ver¬mögen; insbesondere kann der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Rechts¬mittelbelehrung schlechterdings nicht entnommen werden, dass die dort zutreffend genannte Monatsfrist nicht auch die Frist für die Begründung des Antrages umfasst. Eines ausdrücklichen Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung auf diesen Umstand bedurfte es nicht.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war deshalb als unbegründet zu verwerfen. Einer erneuten Bescheidung des Antrags auf gerichtliche Entschei¬dung bedarf es unter diesen Umständen nicht mehr.


Raberg Burges Witte



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