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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 RVs 79/ OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zu den (auch im Fall einer Verständigung) notwendigen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Misshandlung Schutzbefohlener.
2. Die Staatsanwaltschaft ist auch im Fall einer Verständigung grundsätzlich nicht gehindert, Rechtsmittel zu Lasten des Angeklagten einzulegen.
3. Verfolgt die Staatsanwaltschaft mit einer zu Lasten des Angeklagten eingelegten Berufung gegen ein Urteil, welches auf Grundlage eines im Rahmen einer Verständigung abgelegten Geständnisses des Angeklagten ergangen ist, das Ziel, eine über den im Rahmen der Verständigung benannten Strafrahmen hinausgehende Verurteilung zu erreichen, ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam, und zwar aus Gründen der Rechtsklarheit unabhängig von der Frage, ob das Berufungsgericht tatsächlich beabsichtigt, im Rahmen seiner Entscheidungsfindung den der Verständigung in der Vorinstanz zu Grunde liegenden Strafrahmen tatsächlich zu überschreiten.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verständigung, Rechtsmittelbefugnis, Berufung der Staatsanwaltschaft

Normen: StPO 257c, StPO 302, StPO 318

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 22.11.2017 beschlossen:

Der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 26.07.2017 betreffend die Verwerfung der Revision des Angeklagten als unzulässig wird aufgehoben.

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Hamm verurteilte den Angeklagten am 22.07.2016 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Das Amtsgericht hat zu den einzelnen Taten u. a. folgende Feststellungen getroffen:
1.5

An einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im Mai oder Juni 2015, jedenfalls vor dem 15.06.2015 schlug der Angeklagte ohne Anlass in der Wohnung der Zeugin Q den zehnjährigen Zeugen Q2. Der Zeuge erlitt Hämatome, insbesondere auch im Gesicht. Er befand sich zur Diagnostik ab dem 15.06.2015 bis zum 18.06.2016 stationär im Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt waren noch Hämatome an den Kniestreckseiten festzustellen.
2.6

An einem nicht mehr genauer feststellbaren Tag zwischen dem 18.06.2015 und dem 11.03.2016, wahrscheinlich Ende 2015, Anfang 2016, schlug der Angeklagte den zehnjährigen Zeugen Q2 derart heftig, dass er eine Rippenserienfraktur (3 Rippen) links erlitt.

Das Amtsgericht hat ferner ausgeführt, dass dem Urteil eine verfahrensbeendende Absprache nach § 257c StPO vorausgegangen sei. Die Feststellungen beruhten auf einer danach erfolgten geständigen Einlassung des Angeklagten, die durch die Vernehmung der Zeugin Q, die Verlesung von Urkunden sowie die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern auf ihre Richtigkeit überprüft und für glaubhaft befunden worden sei.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt, die die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 18.08.2016 und der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben. Im Folgenden hat das Landgericht die Berufungen mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 02.02.2016, Az. 53 Ds-924 Js 712/15-587/15, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten unter Aufrechterhaltung der Sperrfrist aus dem einbezogenen Urteil vom 02.02.2016 verurteilt wurde. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten ferner wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und ordnete die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Die Kammer hat dabei die Rechtsmittelbeschränkungen jeweils als wirksam und die den Schuldspruch tragenden tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils als bindend angesehen sowie insofern auf die unter Ziff. II des amtsgerichtlichen Urteils getroffenen Feststellungen verwiesen.

Ergänzend hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte im Tatzeitraum regelmäßig Bier und immer wieder auch Wodka bzw. Schnaps konsumiert habe. Vor den jeweiligen Taten habe der Angeklagte jeweils erhebliche Mengen Alkohol konsumiert, so dass er deutlich betrunken gewesen sei. Dabei sei der Angeklagte derart an den Konsum von Alkohol gewöhnt, dass ihm äußerlich der Konsum auch von erheblichen Mengen Alkohol nicht ohne weiteres anzumerken gewesen sei. Ferner habe der Angeklagte im Tatzeitraum nahezu täglich neben dem Konsum von Alkohol auch Marihuana geraucht.

Gegen das Berufungsurteil der Strafkammer wendet sich der Angeklagte mit seiner am 09.05.2017 eingegangenen Revision vom gleichen Tage, die er zugleich mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat. Mit Beschluss vom 26.07.2017 hat das Landgericht die Revision des Angeklagten gegen das Urteil vom 08.05.2017 als unzulässig gemäß § 346 Abs. 1 StPO verworfen. Gegen den seinem Verteidiger am 07.08.2017 zugestellten Beschluss hat der Angeklagte mit Faxschriftsatz seines Verteidigers vom 03.08.2017, eingegangen am gleichen Tage, die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt.
11

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 26.07.2017 aufzuheben und die Revision gemäß §349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
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II.
13

Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist zulässig und hat die Aufhebung des Beschlusses zur Folge, mit dem die Revision als unzulässig verworfen wurde (§ 346 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat übersehen, dass der Angeklagte bereits mit Einlegung der Revision die allgemeine Sachrüge erhoben hat. Damit ist das S ordnungsgemäß begründet. In der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist regelmäßig die Erklärung zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten wird. Eines besonders hervorgehobenen Revisionsantrags bedarf es dann nicht. Eine Begründung der Sachrüge ist nicht vorgeschrieben (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 344 Rn. 3 und 17).
14

III.
15

Die zulässige Revision hat auf die Sachrüge hin auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
16

1.
17

Trotz der diesbezüglichen Erklärungen ist hinsichtlich der Taten zu II. Ziffer 1. und 2. der in Bezug genommenen Gründe des Urteils des Amtsgerichts Hamm vom 22.07.2016 keine wirksame Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch eingetreten, da insoweit die Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen, so dass die S insoweit unabhängig von der weiteren Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung der Staatsanwaltschaft gemäß den nachfolgenden Ausführungen zu Ziff. 2 als unbeschränkt eingelegt anzusehen sind und die Strafkammer verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt bezüglich dieser beiden Taten in vollem Umfang festzustellen und rechtlich zu bewerten. Dies ist nicht erfolgt, so dass das Urteil schon insoweit auf die allgemeine Sachrüge hin aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen war.
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Eine wirksame Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, deren Wirksamkeit das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen hat, setzt voraus, dass das angefochtene Urteil seine Prüfung ermöglicht. Eine Beschränkung ist dagegen insbesondere dann nicht möglich, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 318 Rn. 16 m.w.N.). Hierbei ist eine Berufungsbeschränkung nicht etwa schon deswegen ausgeschlossen, weil das Erstgericht geltendes Recht falsch angewendet hat; eine fehlerhafte Subsumtion hindert die Beschränkung der Berufung nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 18.02.2014 - III-1 RVs 12/14 -, juris; OLG Hamm ZfSch 2008, 534; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 345; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 17a, jew. m.w.N.). Denn in der Regel handelt es sich bei dem Rechtsfolgenausspruch um einen selbständig anfechtbaren Urteilsteil. Im Allgemeinen ist dessen erschöpfende Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht möglich, ohne dass dadurch die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Ausführungen zum Schuldspruch berührt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18.02.2014, a.a.O.).
19

Vorliegend ermöglichen schon die durch das Amtsgericht Hamm getroffenen Feststellungen für die Taten zu Ziffer II. 1. und 2. keine Überprüfung des diesbezüglichen Rechtsfolgenausspruchs, sondern erweisen sich jeweils in einem nicht unwesentlichen Punkt als letztlich so unvollständig und unklar, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung des bei der jeweiligen Rechtsfolgenentscheidung zu berücksichtigenden Schuldgehalts bilden:
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Soweit das Amtsgericht den Angeklagten wegen der oben unter I. dargestellten Taten jeweils wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig gesprochen hat, tragen die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch auch wegen tateinheitlich begangener Misshandlung von Schutzbefohlenen im Sinne von § 225 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht. Es fehlen insoweit jegliche Feststellungen dazu, dass der Angeklagte die Misshandlungen des zehnjährigen Kindes aus einer gefühllosen, gegen die Leiden des Opfers gleichgültigen Gesinnung heraus begangen hat. Die Feststellung eines rohen Misshandelns setzt daher eine Darstellung nicht nur des objektiven Geschehens, sondern auch der Täter-Gesinnung voraus (BGH, Beschluss vom 03.03.2009 – 3 StR 47/09 –, juris; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 225 Rn. 9). Die im Urteil nach Art und Tatsituation nicht näher geschilderten Schläge, die in dem einem Fall Hämatome und in dem anderen Fall eine Rippenserienfraktur zur Folge hatten, stellen für sich genommen ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht ohne weiteres gleichzeitig auch ein rohes Misshandeln dar.
21

2.
22

Im Übrigen ist die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch auch im Hinblick auf die durch das Amtsgericht getroffene Verständigung insgesamt nicht wirksam, soweit die Staatsanwaltschaft Berufung auch mit dem Ziel eingelegt hat – und dies lässt sich vorliegend der Berufungsbegründung zweifelsfrei entnehmen – eine über den im Rahmen der Verständigung vor dem Amtsgericht benannten Strafrahmen hinausgehende Verurteilung des Angeklagten zu erreichen.
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Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist allerdings trotz einer Verständigung nach § 257 c StPO auch zulasten des Angeklagten grundsätzlich statthaft. Die Befugnis zur Rechtsmitteleinlegung ergibt sich aus § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO. Danach ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen, wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Unzweifelhaft darf die Staatsanwaltschaft zugunsten des Angeklagten S trotz vorangegangener Verständigung einlegen (Meyer-Goßner, a.a.O., § 302 Rn. 27). Dass eine Rechtsmitteleinlegung zu Lasten des Angeklagten ausgeschlossen wäre, lässt sich weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzesmaterialien entnehmen (BT-Dr. 16/11736 vom 27.01.2009, S.7). Der Gesetzgeber hat vielmehr bewusst die Rechtsmitteleinlegung nicht einschränken wollen, um dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit der sichernden Kontrolle einzuräumen, den Verfahrensablauf bei der Verständigung zu überprüfen. Dies war ihm wichtig, da die Verständigung in den strafrechtlichen Grundsatz der amtswegigen Aufklärung des Sachverhalts eingreift und deshalb Ausnahmecharakter haben sollte. Die Staatsanwaltschaft muss bei einer Rechtsverletzung ggf. eine korrigierende Entscheidung durch eine höhere Instanz herbeizuführen können.
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Allerdings ist für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft das Ziel verfolgt, eine über den im Rahmen der Verständigung benannten Strafrahmen hinausgehende Verurteilung zu erreichen, eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch in Frage zu stellen.
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Die Wirksamkeit der Beschränkung beurteilt sich in erster Linie nach der sog. Trennbarkeitsformel (vgl. Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. zu § 318, Rn. 6). Die Beschränkung eines Rechtsmittels ist nur möglich, soweit sie sich auf einen abtrennbaren Teil des Urteils bezieht. Der Rechtsfolgenausspruch ist nur abtrennbar, sofern er ohne Nachprüfung des gesamten Urteils sinnvollerweise selbstständig rechtlich beurteilt werden kann. Hängt der logische Bestand des nicht angegriffenen Teils von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des angegriffenen Teils ab, ist die Beschränkung nicht wirksam (vgl. BGHSt 27, 70; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.03.2017 – 2 Rv 3/17 – juris).
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Die Bindung des Gerichts an eine Verständigung und die Verwertbarkeit des Geständnisses, welches der Angeklagte im Vertrauen auf den Bestand einer Verständigung abgegeben hat, stehen in einer solchen Wechselbeziehung, die nicht einseitig aufgelöst werden kann (vgl. BGH NJW 2011, 1526; StV 2012,134; OLG des Landes Sachsen-Anhalt a.a.O.). Dabei wird der Schutz des Angeklagten, welcher in dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) manifestiert ist, darin deutlich, dass ein verständigungsbasiertes Geständnis bei einer fehlgeschlagenen Verständigung unverwertbar ist, weil er dieses im Vertrauen auf die Einhaltung der vereinbarten Strafobergrenze abgelegt hat. Mit dieser Wechselwirkung wird dem Grundsatz eines auf Fairness angelegten Verfahrens Rechnung getragen. Dies findet innerhalb der Instanz, in der die Verständigung erfolgt ist, ausdrücklich seinen Niederschlag in der Regelung des § 257 c Abs. 4 S. 3 StPO, welche für den Fall des Scheiterns der Verständigung eine Unverwertbarkeit des Geständnisses anordnet. Nichts anderes kann in den Fällen gelten, wenn der Angeklagte sich mit dem Gericht und Staatsanwaltschaft auf einen bestimmten Strafrahmen verständigt hat und im Vertrauen auf die Verständigung ein Geständnis ablegt, dass Gericht absprachegemäß verurteilt und die Staatsanwaltschaft sodann gegen das Urteil S einlegt mit dem Ziel einer im Verhältnis zur getroffenen Verständigung höheren Bestrafung.
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Wenn die Grundlage des Geständnisses – die Verständigung – entfallen ist, darf das Geständnis keinen Bestand haben, und zwar auch nicht für die nächste Instanz. Das Geständnis unterliegt in diesem Fall einem Beweisverwertungsverbot (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.10.2010, III 4 RVs 60/10 – juris, Meyer-Goßner, a.a.O., § 257c Rn. 31 m.w.N.). Die Wechselwirkung des, infolge der Verständigung abgegebenen und auf diesem Geständnis basierenden, Schuldspruchs und dem Rechtsfolgenausspruch führt hier dazu, dass diese rechtlich und tatsächlich nicht mehr selbstständig beurteilt werden können und die Rechtsmittelbeschränkung der Staatsanwaltschaft auf den Strafausspruch insgesamt unwirksam ist. Dies gilt nach Bewertung des Senats aus Gründen der Rechtsklarheit unabhängig von der Frage, ob das Berufungsgericht tatsächlich beabsichtigt, im Rahmen seiner Entscheidungsfindung den der Verständigung in der Vorinstanz zu Grunde liegenden Strafrahmen tatsächlich zu überschreiten. Die Einlegung von Rechtsmitteln ist grundsätzlich bedingungsfeindlich (vgl. Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. vor § 296, Rn. 5 m.N.). Ebenso kann nach Bewertung des Senats auch die Beschränkung eines Rechtsmittels nicht unter einer (tatsächlichen) Bedingung erklärt werden. Gleiches muss für die Beurteilung der Wirksamkeit der Beschränkung eines Rechtsmittels Geltung beanspruchen, zumal dann, wenn die Bedingung in einem bestimmten Willen eines Dritten (hier des Berufungsgerichts) zu sehen wäre. Eine andere Betrachtung würde zu dem schon eher absurd anmutenden Ergebnis führen, dass die Beschränkung einer Berufung der Staatsanwaltschaft nur in den Fällen wirksam wäre, wenn die Berufung - gemessen am Ziel der Staatsanwaltschaft - ohne Aussicht auf Erfolg wäre.
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Ob Vorstehendes auch in den Fällen gilt, in denen sich das Ziel der Staatsanwaltschaft ausdrücklich darauf beschränkt, eine höhere Bestrafung innerhalb der im Rahmen der Verständigung benannten Strafobergrenze zu erreichen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da ein solcher Fall nicht vorliegt.
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Mangels einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung war daher die Strafkammer verpflichtet, den Sachverhalt in vollem Umfang festzustellen und rechtlich zu bewerten. Das ist jedoch nicht erfolgt. Daher ist das Urteil des Landgerichts Dortmund aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen, die allerdings im Rahmen des weiteren Verfahrens nicht gehindert wäre, ihrerseits im Rahmen einer gegebenenfalls neu zu treffenden Verständigung gemäß § 257 c StPO zu einer Verurteilung zu gelangen.
30

3.
31

Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass das Landgericht bei der zu treffenden neuen Entscheidung zu berücksichtigen haben wird, dass der Gesetzgeber in § 257 c Abs. 4 S. 3 StPO ausdrücklich geregelt hat, dass ein Geständnis unverwertbar ist, wenn eine Bindung des Gerichts an die Absprache entfällt. Das gilt auch, wenn die Staatsanwaltschaft durch S ein Urteil erstrebt, das zulasten des Angeklagten von der im ersten Rechtszug in Aussicht gestellten Strafe abweicht. Daher darf das erstinstanzlich in Erwartung dieser Strafe abgelegte Geständnis im Rahmen der Tatsachenfeststellungen in der Berufungsverhandlung nicht – etwa durch Vernehmung des erstinstanzlich tätigen Richters – verwertet werden, wenn das neu entscheidende Gericht erwägt, den ursprünglich vereinbarten Strafrahmen zu überschreitenden. Darüber ist der Angeklagte vor seiner Vernehmung ausdrücklich zu belehren (vgl. Schneider NZWiSt 2015, 1,4; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, a.a.O.)



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