Aktenzeichen: 3 Ss 216/06 OLG Hamm |
Leitsatz: Im Allgemeinen wird wegen des relativ geringen Unrechtsgehalts einer Straf¬tat gemäß § 248 a StGB die Verhängung einer Geldstrafe zur Ahndung eines Dieb¬stahls geringwertiger Sachen ausreichen. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Revision |
Stichworte: Diebstahle geringwertiger Sachen; Strafzumessung; Freiheitsstrafe; Geldstrafe; |
Normen: StGB 248a; StGB 46 |
Beschluss: Strafsache gegen A.A. wegen Diebstahls Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 27.12.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 08. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers bzw. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen: Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Ent¬scheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Straf¬kammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen. Gründe: I. Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 21.09.2005 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verur¬teilt worden. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten ist mit dem angefochtenen Urteil verworfen worden. Nach den Feststellungen des Landgerichts zur Sache entwendete der Angeklagte am 19.03.2005 in der Filiale der "Minipreis-Läden GmbH" in Kirchlengern, Neuer Markt 5, eine Schachtel Zigaretten im Wert von 4,- . Die Strafkammer hat darüber hinaus festgestellt, dass der Angeklagte bereits ein¬schlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Er wurde am 25.05.2001 durch Urteil des Amtsgerichts Bünde wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Geld¬strafe von 30 Tagessätzen zu je 15,- DM, durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bünde vom 19.03.2003 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 8,- und durch Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 31.08.2004 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verur¬teilt. Den Rechtsfolgenausspruch hat die Strafkammer wie folgt begründet: "Die gegen den Angeklagten zu verhängende Strafe war dem sich aus § 242 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmen zu entnehmen, der Freiheits¬strafe von 1 Monat bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe innerhalb des Rahmens des § 40 StGB vorsieht. Zu Gunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er das objektive Tatgeschehen zumindest in Teilbereichen eingeräumt hat. Er lebt mit seiner Familie in verhältnismäßig schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Wert der Beute ist mit 4,00 verhältnismäßig gering gewesen. Die Ware hat zudem am nächsten Tag aufgefunden werden können, sodass der Firma Minipreis kein Schaden entstanden ist. Darüber hinaus hat der Angeklagte möglicherweise einen Widerruf der mit Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 31.08.2004 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung zu vergegenwärtigen, sodass er eventuell diese Freiheitsstrafe zu verbüßen haben wird. Demgegenüber fiel zu seinen Lasten ins Gewicht, dass er strafrechtlich bereits immerhin dreimal in Erscheinung getreten ist. Bei allen Taten handelte es sich um einschlägige Eigentumsdelikte. Zudem hat er sich als Bewährungsversa¬ger erwiesen, weil er die Tat innerhalb laufender Bewährungszeit begangen hat. Bei umfassender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechen¬den Umstände und unter Beachtung der Strafzumessungstatsachen gemäß § 46 StGB hält auch die Kammer die vom Amtsgericht verhängte Freiheits¬strafe von 2 Monaten für tat- und schuldangemessen. Wenn auch nach dem Willen des Gesetzgebers kurze Freiheitsstrafen unter 6 Monaten nur noch ausnahmsweise und unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen, erweist sich jedoch vorliegend gemäß § 47 Abs. 1 StGB aufgrund einer Gesamtwürdigung der von dem Angeklagten begangenen Tat und der sie kennzeichnenden Umstände die Verhängung einer kurzen Frei¬heitsstrafe als unverzichtbar. Der Angeklagte ist strafrechtlich bereits mehr¬fach in Erscheinung getreten, stets einschlägig wegen Eigentumsdelikte. Er ist innerhalb einer Bewährungszeit straffällig geworden und hat sich damit als Bewährungsversager erwiesen. Deshalb ist nicht nur zur Einwirkung auf den Angeklagten, sondern auch zur Verteidigung der Rechtsordnung eine kurze Freiheitsstrafe unerlässlich. Eine Geldstrafe würde bei der Bevölkerung auf Unverständnis stoßen, das Vertrauen der Bürger in die Strafrechtspflege würde schwinden und ihre Rechtstreue ernsthaft beeinträchtigt werden. Die Vollstreckung der Strafe konnte nicht gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Be¬währung ausgesetzt werden. Es ist nicht zu erwarten, dass sich der Ange¬klagte allein die Verurteilung zur hinreichenden Warnung dienen lassen und künftig keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Ihm kann keine günstige Sozialprognose gestellt werden. Die Kammer verkennt nicht, dass der Ange¬klagte im Rahmen der Bewährungsauflage aus der letzten Vorverurteilung seine Arbeitsstunden immerhin problemlos und zügig abgeleistet hat. Er hält auch Kontakt zu seiner Bewährungshelferin. Jedoch ist aufgrund der beste¬henden Sprachschwierigkeiten eine planvolle Sozialarbeit mit ihm nicht mög¬lich. Die Sozialoberinspektorin Koch-Kedzia ist eine erfahrene Bewährungs¬helferin, die sich intensiv für ihre Probandinnen und Probanden einsetzt. Sie hat dem Angeklagten, wenn auch ohne nähere Begründung, keine günstige Sozialprognose gestellt. Der Angeklagte ist bereits dreimal strafrechtlich we¬gen Eigentumsdelikte in Erscheinung getreten. Er hat sich auch durch die so¬ziale Einbindung zu seiner Familie nicht von Straftaten abhalten lassen. Die Tat geschah, nachdem die neue Wohnung bezogen worden war. Die finan¬ziellen Verhältnisse sind weiterhin ungünstig. Zudem hat er sich als Bewäh¬rungsversager erwiesen, da er die Tat innerhalb laufender Bewährungszeit begangen hat. Bei umfassender Gesamtwürdigung dieser Umstände ein¬schließlich der Persönlichkeit des Angeklagten kann ihm deshalb keine güns¬tige Sozialprognose gestellt werden." Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verlet¬zung materiellen Rechts gerügt wird. II. Die Revision hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und im Umfang der Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Bielefeld. 1. Die Überprüfung des Schuldausspruches des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht hat Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht ergeben. In¬soweit war daher die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwalt¬schaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. 2. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie unterliegt nur in begrenztem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, ein ge¬rechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH NJW 2000, 3010, 3013; BGHSt 34, 345). Aus dem verfassungsrechtlich gesicherten Schuldprinzip, das seine Grundlage in Art. 1 Abs. 1 GG findet, und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Freiheitsrechten abzuleiten ist, folgt für den Be¬reich des staatlichen Strafens, dass die Schwere einer Straftat und das Verschulden des Täters zu der Strafe in einem gerechten Verhältnis stehen müssen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1577, 1579). Die verhängte Strafe darf die Schuld des Täters nicht über¬steigen. In¬soweit deckt sich der Grundsatz des schuldangemessenen Strafens in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 45, 187; NJW 1992, 2947; NJW 2002, 1779). Im vorliegenden Verfahren begegnet die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Monaten angesichts des ausgesprochenen Bagatellcharakters der von dem Angeklagten be¬gangenen Straftat im Hinblick auf das Übermaßverbot durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist bei Diebstählen geringwertiger Sachen gemäß § 248 a StGB die Verhän¬gung einer Freiheitsstrafe nicht ausgeschlossen. Der Tatbestand des Diebstahls ge¬ringwertiger Sachen bildet seit der Änderung der Strafvorschrift durch Art. 19 Nr. 131 EGStGB im Jahr 1974 keinen eigenen Straftatbestand mehr, sondern stellt uneinge¬schränkt einen Anwendungsfall des § 242 StGB dar. Auch bei einem Diebstahl ge¬ringwertiger Sachen steht daher dem Tatrichter der Strafrahmen des § 242 StGB zur Verfügung, der nicht nur die Verhängung von Geldstrafe, sondern wahlweise auch von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht. Verfassungsrechtliche Bedenken ge¬gen diese Regelung bestehen nicht (vgl. BVerfGE 50, 205 = NJW 1979, 1039). Diebstähle geringwertiger Sachen brauchen auch keineswegs leicht zu wiegen, was dann der Fall sein kann, wenn der Täter ohne Not oder sonstige unverständliche Beweg¬gründe um geringfügiger Vorteile willen einen Einbruch begeht oder die Hilflo¬sigkeit eines unbemittelten Opfers ausnutzt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Entsprechendes kann auch dann gelten, wenn sich z.B. ein Täter bei häufigen Beu¬tezügen in Ladengeschäften im Einzelfall der Wertgrenze der Annahme eines gerin¬gen Schadens zwar annähert, aber sie regelmäßig nicht überschreitet und schon bei Tatbegehung dadurch dreist auf die Verhängung bloßer Geldstrafen spekuliert. Es kann daher auch nicht ein genereller Ausschluss der Verhängung von Freiheitsstrafe zugunsten einer Geldstrafe bei Ladendiebstählen geringwertiger Sachen angenom¬men werden. Im Allgemeinen wird jedoch wegen des relativ geringen Unrechtsgehalts einer Straf¬tat gemäß § 248 a StGB die Verhängung einer Geldstrafe zur Ahndung eines Dieb¬stahls geringwertiger Sachen ausreichen. Es bedarf daher bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe für eine Tat gemäß § 248 a StGB jeweils einer sorgfäl¬tigen Prüfung, ob die Verhängung einer Freiheitsstrafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters steht. Dies gilt insbesondere in den Fällen ausgesprochener Bagatelldelikte, da in diesen Fällen die Verhängung einer Freiheitsstrafe die Grenze der schuldangemessenen Strafe überschreiten kann. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Entwendung einer Sache von einem nur sehr geringen Wert. Bei einer solchen Fallgestaltung kann, wenn nicht besondere schulderhöhende Umstände hinzutreten, die Verhängung einer Freiheitsstrafe, deren Mindestmaß nach § 38 Abs. 2 StGB einen Monat beträgt, angesichts des erheblich unterdurchschnittlichen Schuldgehaltes der Straftat nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 20.03.2003 - 3 Ss 78/03 -, veröffentlicht in www.burhoff.de, betreffend den Diebstahl von Waren im Werte von 2,18 DM m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich aus dem Gebot der schuldan¬gemessenen Strafe aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprin¬zip ergibt, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Be¬tracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.06.1994 - 2 BvR 710/94 -, veröffent¬licht in www.jurisweb.de), worauf der Senat zur Klarstellung hinweist. Maßgeblich sind vielmehr letztlich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Der Angeklagte ist zwar bereits einschlägig vorbelastet und hat die hier in Rede ste¬hende Tat während des Laufes der Bewährungszeit aus der dritten Vorverurteilung be¬gangen. Die drei Vorstrafen sowie das Bewährungsversagen des Angeklagten wie¬gen aber nicht derart schwer, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe trotz des sehr geringen Unrechtsgehalts der hier zur Aburteilung anstehenden Tat noch als gerechter Strafausgleich angesehen werden kann, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die durch den Diebstahl geschädigte Firma keinen Schaden erlitten hat, weil die entwendete Zigarettenschachtel wieder in ihrem Besitz gelangt ist. Der Ange¬klagte hätte außerdem, da die verhängte Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausge¬setzt worden ist, mit einem Widerruf der Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 31.08.2004 zu rechnen mit der Folge, dass ihm die Verbüßung von fünf Monaten Freiheitsstrafe drohen würde, und zwar letztlich aus Anlass eines ausge¬sprochenen Bagatelldelikts, das nicht einmal zu einem bleibenden Schaden geführt hat. Dies erscheint hier auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Vor¬belastun¬gen des Angeklagten nicht mehr vertretbar. |
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