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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 73 - 78/06 OLG Hamm

Leitsatz: Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs der Untersu¬chungs¬haft können nur dann Gegenstand eines zulässigen Antrages nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EGGVG sein, wenn sie - was in der Regel jedoch nicht der Fall ist - der Ent¬scheidungszuständigkeit des Haftrichters nach § 119 Abs. 6 S. 1 StPO entzogen sind



Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zuständigkeit; Strafsenat; Haftrichter; Entscheidungen zur U-Haft;

Normen: EGGVG 23; StPO 119

Beschluss:

Justizverwaltungssache

betreffend F.B
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Hilfe bei der Kontaktierung durch einen ausgebildeten Imam u.a.).

Auf die vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf erhobenen und von dort als Anträge im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG an das Oberlandesgericht verwiesenen Kla¬gen des Betroffenen vom 4. April 2006 sowie auf die weiteren beim Oberlandesge¬richt Hamm gestellten An¬träge des Betroffenen vom 1. und 8. August 2006 auf ge¬richtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG hat der 1. Strafsenat des Ober¬landesgerichts Hamm am 22. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG unzulässig.

Die Sache wird an die im Verfahren XI 35/06 LG Düsseldorf zuständige Straf¬kammer verwiesen.
Gründe:
I.
Der Betroffene, gegen den vor der XI. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf unter dem Aktenzeichen XI 35/06 ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz anhängig ist, befindet sich im Vollzug der Untersuchungs¬haft in der Justizvollzugs¬anstalt Düsseldorf. Mit mehreren als Klage bezeichneten Schreiben an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 4. April 2006 und weiteren Schreiben an das Oberlandesgericht Hamm vom 1. und 8. August 2006 hat er (zum Teil wiederholt) beantragt,

1. ihm wöchentlich zwei Liter Milch auszuhändigen und die Verpflegung im übrigen sei¬nem moslemischen Glauben anzupassen,

2. ihn stets schriftlich und mit Rechtsmittelbelehrung zu bescheiden,

3. ihm bei der Kontaktierung durch einen ausgebildeten Imam behilflich zu sein,

4. eine notwendige Zahnbehandlung durchzuführen (abgebrochene Krone),

5. bei Bedarf den Rechtspfleger, den JVA-Beirat und den Anstaltsleiter kontaktieren zu dürfen,

6. Schreiben an den Petitionsausschuss des Landtages und des Bundestages auch per Einschreiben abschicken zu dürfen,

7. das von ihm beabsichtigte Studium zu unterstützen und Info-Broschüren von Univer¬sitäten an ihn herauszugeben,

Die vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellten Anträge zu 1 - 6 hat die dor¬tige 21. Kammer als Anträge im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG angesehen und mit Beschluss vom 12. Juli 2006 an das Oberlandesgericht Hamm verwiesen. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass diese Anträge die Organisation der Abläufe in der Vollzugsanstalt betreffen. Den Antrag zu 7 hat der Betroffene unmit¬telbar an das Oberlandesgericht gerichtet.

II.
Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist hinsichtlich des Rechts¬weges bindend (§ 17 a Abs. 2 S. 3 GVG). Gleichwohl führt dieser Umstand aber noch nicht zur Zulässigkeit der Anträge im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG, wenn (wie hier) die besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht gegeben sind. Die Bindungswirkung hin¬dert in diesem Fall nicht die weitere Verweisung innerhalb desselben Rechtsweges.

Für die von dem Betroffenen verfolgten Begehren ist das Ver¬fahren nach §§ 23 ff. EGGVG nicht eröffnet. Nach §§ 23 Abs. 1 S. 2, 25 EGGVG ist zwar der Strafsenat für Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Un¬tersuchungshaft berufen. Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG treten diese Vorschriften aber zurück, wenn das Gericht andere Rechtsbehelfe zu den ordentli¬chen Gerichten vorsieht. Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs der Untersu¬chungs¬haft können deshalb nur dann Gegenstand eines zulässigen Antrages nach § 23 Abs. 1 S. 2 EGGVG sein, wenn sie - was in der Regel jedoch nicht der Fall ist - der Ent¬scheidungszuständigkeit des Haftrichters nach § 119 Abs. 6 S. 1 StPO entzogen sind (vgl. OLG Zweibrücken, StV 1997, S. 313).

Dies trifft insbesondere auf Anordnungen, Verfü¬gungen und Realakte zu, die sich nicht gegen einen bestimmten Untersuchungsge¬fangenen richten, sondern lediglich die allgemeine Vollzugsorganisation betreffen. In diesen Fällen geht es um die Not¬wendigkeiten des Haftvollzuges, um die Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicher¬heit und Ordnung in der Anstalt, in die der Haftrichter nicht durch eigene Anordnun¬gen eingreifen darf, weil sonst der Funk¬tionsablauf in der Anstalt gestört würde. Hin¬gegen ist die vorrangige Zu¬ständigkeit des Haftrichters nach den §§ 119, 126 StPO gegeben, wenn das individuelle Haft¬verhältnis betroffen ist und es um die gerichtliche Überprüfung von Beschränkungen in Bezug auf einen bestimmten Untersuchungs¬gefangenen geht (vgl. BGHSt 29, 135; Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2004 - 1 VAs 51/04 -; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 23 EGGVG Rdnr. 18).

So liegt der Fall hier, denn die Art und Weise der Kontakte des Betroffenen zu mos¬lemischen Glaubens¬vertretern, seiner Postkontrolle, seiner besonderen Beköstigung, der Ermöglichung von berufsbildenden Maßnahmen betreffen nicht die allgemeinen Verhältnisse der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf, sondern das spezielle Haftverhält¬nis des Betroffenen und die konkrete Ausgestaltung seiner individuellen (Untersu¬chungs-)Haftbedingungen. Der Betroffene muss sich gegen die Ablehnung dieser Begehren durch die Anrufung des Haftrichters nach § 119 Abs. 6 S. 1 StPO wehren. Selbst wenn die ärztliche Versorgung des Betroffenen und die ihm eingeräumten Möglichkeiten einer Kon¬taktaufnahme zu einem Rechtspfleger bzw. zu Vertretern der Justizvoll¬zugsanstalt gegebenenfalls auch die Organisation der Haftanstalt berührt, so betrifft doch das überwiegende Gewicht seiner Anliegen die Ausgestaltung seiner individuellen – verfahrensbezogenen – Haftbedingungen.

Der Senat hat daher den Antrag in der gewählten Form entsprechend § 17 a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und die Sache an den gemäß §§ 119 Abs. 6, 126 StPO zuständigen Haftrichter verwiesen.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Oberlandesgericht abge¬schlossen. Auf weitere Eingaben in dieser Sache – gleich in welcher Form, gleich welchen Inhalts – erfolgt kein Bescheid mehr.



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