Aktenzeichen: 2 Ss OWi 688/06 OLG Hamm |
Leitsatz: Die Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wird durch die Anordnung der Vernehmung oder der Bekanntgabe der Verfahrensein-leitung ausgelöst, vorausgesetzt, die Ermittlungen richten sich gegen eine bestimmte und namentlich bekannte Person. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Verjährungsunterbrcehung; Anordnung der Vernehmung; bestimmte Person, Form der Bekanntgabe |
Normen: OWiG 33 |
Beschluss: Bußgeldsache gegen C.R., wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwelm vom 21. Juli 2006 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandes-gerichts Hamm am 09. 11. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen: Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen. Gründe: I. Das Amtsgericht Schwelm hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den § 41 Zeichen 274, 49 StVO; §§ 24, 25 StVG, § 4 BkatV, § 17 Abs. 2 OWiG eine Geldbuße in Höhe von 300,00 EURO festgesetzt. Außerdem ist ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet worden. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 29. September 2005 um 20.55 Uhr mit dem auf seinen Vater zugelassenen Pkw Opel, amtliches Kennzeichen EN YC 45, die im hier interessierenden Bereich außerhalb geschlossener Ortschaften gelegene B 226 in Herdecke aus Fahrtrichtung Witten in Fahrtrichtung Wetter. Durch beidseitig aufgestellte Verkehrszeichen 274 StVO ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt. Im Bereich der stationären Überwachungsanlage mit elektrischen Fahrbahnsensoren (Traffiphot-S, sogenannter Starenkasten) wurde das Fahrzeug des Betroffenen mit 133 km/h gemessen. Nach Abzug eines Toleranzwertes von 4 km/h zum Ausgleich für bei diesem Mess-verfahren mögliche Fehlerquellen ist festzustellen, dass der Betroffene mit einer Geschwindigkeit von 129 km/h gefahren ist. Er hat die zulässige Höchst- geschwindigkeit daher um 79 km/h überschritten. Das Amtsgericht hat das Vorliegen einer Verfolgungsverjährung verneint und hierzu ausgeführt: Insofern ergibt sich aus der Akte, die erörtert worden ist, dass zunächst der Halter angeschrieben worden ist, nämlich der Vater des Betroffenen. Der Betroffene wurde als Fahrer nicht benannt. Das Ausländeramt wurde durch Schreiben vom 15.12.2005 um Übersendung einer geeigneten Ablichtung des Fotos des Betroffenen gebeten. Nach Erhalt wurde der Betroffene durch Schreiben vom 21.12.2005 unter der Anschrift Friedrichstraße 40 in Wetter angeschrieben. Ihm wurde vorgeworfen, die Geschwindigkeitsüberschreitung am 29.09.2005 begangen zu haben. Unter der Anschrift Friedrichstraße 40 in Wetter leben die Eltern des Betroffenen. Der Bußgeldbescheid wurde sodann dem Betroffenen unter der Anschrift Friedrichstraße 40 in Wetter am 26.01.2006 zugestellt. Durch Schriftsatz vom 27.01.2006 seiner Verteidiger wurde Einspruch eingelegt. Nach Auffassung des Gerichts ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Durch das Anhörungsschreiben vom 21.12.2005 der Bußgeldstelle wurde ihm bekanntgegeben, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Es handelte sich dabei um eine Unterbrechungshandlung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Die Verjährung wurde unterbrochen am 21.12.2005, nämlich dem Zeitpunkt, in dem die Anordnung unterzeichnet wurde, § 33 Abs. 2 Satz 1 OWiG. Der an den Betroffenen unter der Anschrift Friedrichstraße 40 in Wetter gerichtete Anhörungsbogen hat ihn auch erreicht. Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser unter näherer Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen. II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden, kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 13. Oktober 2006 Folgendes ausgeführt: Das Vorbringen des Betroffenen, das Gericht sei seiner Aufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, genügt als Rüge der Verletzung formellen Rechts nicht den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG insbesondere fehlt es an der Mitteilung, welche Beweise das Gericht hätte erheben müssen und zu welchem Ergebnis diese geführt hätten und ist daher unzulässig. Die auf die - sinngemäß - erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts vorzunehmende Prüfung des Urteils auf materiell-rechtliche Fehler deckt einen solchen zum Nachteil des Betroffenen nicht auf. Die Feststellungen tragen die Verurteilung und genügen den Anforderungen an die Urteilsgründe, die bei der Verwendung eines standardisierten Messverfahrens anzuwenden sind, insbesondere sind die gemessene Geschwindigkeit und der in Ansatz gebrachte Toleranzabzug aufgeführt. Auch die Ausführungen zu der Identifizierung des Betroffenen als verantwortlichem Fahrzeugführer genügen den dazu aufgestellten Anforderungen. Zwar hat das Gericht keine Einzelheiten dazu benannt, aufgrund welcher individueller körperlicher Merkmale es zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Betroffene der Fahrzeugführer war. Dies war jedoch entbehrlich, da in prozessordnungsgemäßer Weise auf das bei den Akten befindliche Fahrerfoto Bezug genommen worden ist und - wie sich der Senat selbst überzeugen wird - die Qualität dieses Fotos entgegen den Ausführungen des Betroffenen ausreichend ist, um eine ordnungsgemäße Identifizierung zu gewährleisten. Auch der Rechtsfolgenausspruch gibt, insbesondere hinsichtlich des verhängten Fahrverbotes, zu Beanstandungen keinen Anlass. Dass gegen den Betroffenen innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Tat bereits ein Fahrverbot verhängt worden ist, ergibt sich zwar nicht schon aus den eingangs des Urteils mitgeteilten Vorbelastungen, jedoch in noch ausreichendem Maße aus den Erwägungen zum Rechtsfolgenausspruch. Entgegen der Auffassung des Betroffenen liegt auch ein Verfahrenshindernis nicht vor, insbesondere nicht das Verfahrenshindernis der Verjährung. Es mag sein, dass der am 21.12. erstellte und am 22.12.2005 abgesandte Anhörungsbogen den Betroffenen nicht erreicht hat, weil er an der fraglichen Anschrift nicht wohnhaft war. Gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ist es jedoch die Anordnung der Vernehmung oder der Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung, die die Unterbrechung der Verjährung auslöst. Der Gesetzgeber hat damit den Unterbrechungstatbestand allein an Internum der Bußgeldbehörde geknüpft. Dem entsprechend ist es ständige Rechtsprechung, dass die Unterbrechung auch dann eintritt, wenn der Anhörungsbogen den Betroffenen tatsächlich nicht erreicht (zu vgl. BGHSt 25, 6; OLG Hamm, VRS 74, 121; OLG Frankfurt, ZfS 1991, 322). Ist der Anhörungsbogen an eine unzutreffende Adresse gerichtet, führt dies nur dann nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung, wenn der anordnende Beamte wusste, dass der Betroffene den Anhörungsbogen nicht erhalten werde (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.03.1976, juris Nr. BORE 863179351). Für einen solchen Sachverhalt liegen indes keine Anhaltspunkte vor. Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens ist die Verjährung nicht eingetreten. Ein etwaiger Mangel bei der (Ersatz-)Zustellung des Bußgeldbescheides vom 26.01.2006 wäre gem. § 189 ZPO rechtzeitig geheilt. Die Rechtsbeschwerde ist daher zu verwerfen. Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und zum Gegen-stand seiner Entscheidung. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor, so dass für eine Einstellung des Verfahrens kein Raum ist. Ob das Verfahrenshindernis eingetretener Verjährung besteht, ist auf eine zulässig erhobene Sachrüge von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, wobei die Prüfung im Freibeweis erfolgt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., Einleitung Rdnrn. 150 ff, § 337 Rdnr. 6 jeweils mit weiteren Nachweisen). Vorliegend ist durch die Anordnung der Anhörung vom 21. Dezember 2005 die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wirksam unterbrochen und damit der Bußgeldbescheid innerhalb der daraufhin beginnenden neuen Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 2 StVG erlassen worden. Zwar setzt eine Unterbrechungshandlung voraus, dass sie sich gegen einen bestimmten Beschuldigten richtet und nicht erst der Ermittlung eines noch unbekannten Täters dienen soll. Letzteres war hier aber nicht der Fall, da im Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung die Personalien des Betroffenen bereits ermittelt waren. Die Anordnung der Anhörung muss nicht erfolgreich vollzogen werden können (vgl. BGHSt 25, 6; Göhler, OWiG, a.a.O. § 33 Rdnr. 6b). Daher ist es auch unschädlich, wenn sie sich auf einen der Person nach eindeutig identifizierten Täter bezieht, dessen Namen aber fehlerhaft aufführt (BGHSt 24, 321/323). Erst recht muss es dann aber ohne Bedeutung sein, ob die Versendung des Anhörungsbogens unter einer zutreffenden oder aber fehlerhaften Anschrift angeordnet wird (vgl. hierzu auch BayObLG, NZV 2003, 439). Ergänzend merkt der Senat noch an, dass bei der hier gegebenen massiven Geschwindigkeitsüberschreitung von 79 km/h die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise nahe gelegen hätte (vgl. hierzu auch OLG Hamm, ZfS 1994, 268; VRS 90, 210 f.; KG NZV 2004, 598; OLG Hamm, VA 105, 102 = DAR 2005, 407). Allerdings ist der Betroffene durch die Annahme einer fahrlässigen Begehungsweise nicht beschwert. Nach alledem war die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Kostenfolge aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen. Lange |
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