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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 359/06 OLG Hamm

Leitsatz: Eine wirksame Beschränkung auf die Straffrage setzt nach herrschen¬der Meinung voraus, dass das angefochtene Urteil seine Überprüfung ermöglicht. Unwirksam ist dagegen eine Beschränkung, wenn die Schuldfeststellungen in dem angefochtenen Urteil derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentschei¬dung bilden.


Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsbeschränkung; Wirksamkeit; Urteilsgründe; Anforderungen;

Normen: StPO 318; StPO 267

Beschluss:

Strafsache
gegen E.E.
wegen Betruges.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 24. März 2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesge¬richts Hamm am 07. 09. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 14.12.2005 wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wandte sich der Angeklagte durch Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 19.12.2005 mit der Berufung, die er ausdrücklich auf das Strafmaß beschränkte.
Durch das angefochtene Urteil hat die VI. kleine Strafkammer des Landgerichts Es¬sen die Berufung des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil verworfen. Die Strafkammer hat die Ansicht vertreten, die Berufung sei wirksam auf den Strafaus¬spruch beschränkt worden. Infolge der Berufungsbeschränkung sei der erstinstanzli¬che Schuldspruch und seien die ihm zugrunde liegenden, ihn tragenden Feststellun¬gen rechtskräftig und für die Kammer bindend geworden.
Das Amtsgericht hatte folgende Feststellungen zu den Taten getroffen:

"II. Tatsächliche Feststellungen des Gerichts:

Am 31.01.05 erschien der Angeklagte in den Geschäftsräumen der
Firma M. und erwarb einen Heimtrainer zum Preise von 359,00 €. Die Bezahlung erfolgte über Bankeinzug zu dem Konto 820616900 der Volksbank Buer.

Am 01.02.05 erschien der Angeklagte erneut in den Geschäftsräumen der Firma M. und erwarb diesmal zwei Heimtrainer zu einem Gesamtkaufpreis von 359,98 €. Wiederum erfolgt die Bezahlung über Bankeinzug. Das Konto, das der Angeklagte zum Bankeinzug angege¬ben hatte war jedoch bereits am 31.12.04 aufgelöst worden, außerdem teilte die Volksbank B. der Firma M.l mit, dass der Angeklagte unbekannt verzogen sei.

Die Kündigung des Girokontos war dem Angeklagten am 17.12.04 mit¬geteilt worden.

Bereits am 13.12. und 15.12.04 hatte er bei der Firma K. Waren¬haus in Buer Waren zum Gesamtpreis von 149,90 € und 105,00 € be¬stellt. Hierbei hatte er durch Bezahlung mit der EC-Karte vorgespiegelt, dass ein gedecktes Konto zur Verfügung stehe.

Während dieser Taten befand sich der Angeklagte im offenen Strafvoll¬zug.

Diese Feststellungen des Gerichtes beruhen auf der geständigen Ein¬lassung des Angeklagten."

Das Amtsgericht hat den Angeklagten auf der Grundlage dieser Feststellungen des Betruges in vier Fällen für schuldig befunden. Ergänzende Feststellungen zum Tat¬geschehen hat auch das Landgericht nicht getroffen.

Gegen das landgerichtliche Urteil vom 24.03.2006 wendet sich der Angeklagte durch seine Verteidigerin mit der Revision, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Revision hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und zu einer Zurückverwei¬sung der Sache an das Landgericht Essen. Die vom Revisionsgericht von Amts we¬gen vorzunehmende Prüfung, ob der Angeklagte seine Berufung gem. § 318 StPO wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, führt zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht vorliegt. Eine wirksame Beschränkung auf die Straffrage setzt nach herrschen¬der Meinung voraus, dass das angefochtene Urteil seine Überprüfung ermöglicht. Unwirksam ist dagegen eine Beschränkung, wenn die Schuldfeststellungen in dem angefochtenen Urteil derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentschei¬dung bilden (vgl. BGH St 33, 59; NSTZ 94, 130; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 318, Rdn. 16 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist die Berufungsbeschränkung deshalb als unwirksam anzuse¬hen, weil die durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen zu den dem Ange¬klagten vorgeworfenen vier Betrugsstraftaten jeweils sowohl bezüglich der äußeren als auch der inneren Tatseite derart lückenhaft sind, dass sie eine Überprüfung des Schuldumfangs nicht ermöglichen.

Der Tatbestand des Betruges gem. § 263 StGB setzt voraus, dass der Täter einen anderen zu dem Zwecke täuscht, bei diesem einen entsprechenden Irrtum hervorzu¬rufen und ihn dadurch zu einer vermögensschädigenden Verfügung zu veranlassen, wobei der Täter stoffgleich aus dem Vermögensschaden eine rechtswidrige Berei¬cherung für sich oder einen Dritten anstrebt. Aus dem amtsgerichtlichen Urteil lassen sich im ersten Fall vom 31. Januar 2005 weder Täuschung, noch Irrtum noch Ver¬mögensschaden entnehmen. Aufgrund der Feststellung, dass die Bezahlung des Heimtrainers per Bankeinzug erfolgte, fragt sich insbesondere, worin überhaupt ein Vermögensschaden gesehen wird, wenn doch gerade dem Verkäufer der Preis für die Ware bezahlt worden ist. Zur subjektiven Seite fehlen überdies jegliche Feststel¬lungen.
Für den Fall vom 01. Februar 2005 gilt das Gleiche; insbesondere heißt es auch hier, dass die Bezahlung der Waren über Bankeinzug erfolgte.
Soweit das Urteil ausführt, dass die Kündigung des Girokontos dem Angeklagten am 17. Dezember 2004 mitgeteilt worden war, folgt hieraus nicht ohne weiteres, dass die vorgenannten Zahlungen entgegen dem Wortlaut der Feststellungen nicht erfolgt sind. Dass der Firma M. tatsächlich ein Schaden entstanden ist, ergibt sich aus den Feststellungen gerade nicht.

Hinsichtlich der Verfügungen des Angeklagten vom 13. und 15.12.2004 fehlt es den Feststellungen ebenfalls an der nötigen Klarheit, die eine Überprüfung des Urteils erfordert. Soweit es heißt, dass der Angeklagte bei der Firma K. Warenhaus Waren bestellt habe, ergibt sich hieraus noch nicht, dass es auch tatsächlich zu einer Vermögensverfügung der Firma K. gekommen ist. Ebenso fehlt es an Fest¬stellungen zu einem eingetretenen Schaden. Zum subjektiven Tatbestand fehlt es den Feststellungen ebenfalls an der Darlegung der erforderlichen Voraussetzungen. Die Feststellungen sprechen sogar eher dagegen, dass der Angeklagte mit Wissen und Wollen den objektiven Tatbestand verwirklicht hat. Nach den Feststellungen ist ihm nämlich die Kündigung des Girokontos am 17. Dezember 2004 mitgeteilt wor¬den, während die ihm angelasteten Betrugstaten bereits zuvor am 13. und am 15. Dezember 2004 von ihm begangen worden sein sollen. Da das Urteil keinerlei Fest¬stellungen dazu enthält, wie der Kontostand des oder der bezogenen Konten tat¬sächlich war, ob dem Angeklagten andere Geldmittel zur Verfügung standen, die eingegangenen Verpflichtungen zu bezahlen und ob er sich über entsprechende Umstände im Klaren war, ermöglichen die Feststellungen eine Überprüfung des Schuldspruchs insgesamt nicht. Die Feststellungen sind so knapp, unvollständig, unklar und teils widersprüchlich, dass der Senat sich außer Stande sieht, auch nur eine der vier abgeurteilten Betrugsstraftaten mit den erforderlichen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen nachzuvollziehen und zu überprüfen. Die Fest¬stellungen tragen mithin die Verurteilung wegen Betruges in vier Fällen nicht. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch konnte deshalb nicht wirksam erfolgen.
Der Schuldausspruch hält mithin der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand und kann deshalb keinen Bestand haben. Das angefochtene Urteil war deshalb auf¬zu¬heben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landgericht Essen zurückzuverweisen.



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