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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 484/06 OLG Hamm

Leitsatz: Für eine Beschäftigung entgegen § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III kommt es nicht nur auf den Charakter der Tätigkeit, sondern auch auf deren Entgeltlichkeit an.

Senat: 3

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: unerlaubter Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers; Gefälligkeitsverhältnis;

Normen: SGB III 284

Beschluss:

Bußgeldsache

gegen S.A
wegen unerlaubter Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bie¬lefeld vom 10.04.2006 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 09. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 21.07.2006 folgendes ausgeführt:

"I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen mit Urteil vom 10.04.2006 (Bl. 89 d. A.) wegen vorsätzlicher Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers ohne erforderlichen gültigen Aufent¬haltstitel zu einer Geldbuße von 500,00 Euro verurteilt. Gegen dieses seinem Verteidiger am 24.05.2006 zugestellte (Bl. 96 d. A.) Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde vom 13.04.2006, die am selben Tag bei dem Amtsgericht Bielefeld einge¬gangen ist (Bl. 86 d. A.) und die er mit weiterem Schriftsatz seines Verteidigers vom 23.06.2006, der am selben Tag bei dem Amtsge¬richt Bielefeld eingegangen ist (Bl. 106 d. A.), begründet hat.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristge¬recht begründet worden. In der Sache ist ihr ein zumindest vorläufi¬ger Erfolg nicht zu versagen.

Die getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen nicht die Verurteilung des Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III i. V. m. § 4 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz. Nach den Feststellungen hat der Betroffene seinen Bruder nicht "beschäftigt" i. S. des § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III. Für eine Beschäftigung entgegen § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III kommt es nicht nur auf den Charakter der Tätigkeit, sondern auch auf deren Entgeltlichkeit an. Dies erschließt sich aus dem gesamten Regelungsgehalt des § 284 SGB III, seiner systematischen Stellung im Sozialrecht sowie aus dem Zweck der Vorschrift, mit der der Zugang ausländischer Arbeitnehmer zum deutschen Arbeitsmarkt kontrolliert und damit deutsche Arbeitssu¬chende vor einer weiteren Verknappung des Angebots an inländi¬schen Arbeitsplätzen geschützt werden sollen (Erbs/Kohlhaas, Straf¬rechtliche Nebengesetze, § 404 SGB III Rdnr. 22). Der Begriff der Beschäftigung ist somit enger als der des § 7 SGB IV. Für diese Auslegung spricht auch der Wortlaut des Gesetzes, das von einem "Arbeitgeber" spricht. Nur bei einer entgeltlichen Tätigkeit sowie bei Vorliegen auch der übrigen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses kann ein Verstoß gegen § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III i. V. m. § 284 SGB III vorliegen (Thüringer OLG, Beschluss vom 13.07.2004 - 1 Ss 144/04 -).

Nichts anderes kann jedoch auch für einen Verstoß gegen § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III i. V. m. § 4 Abs. 3 S. 1 Aufenthaltsgesetz gelten. Nach dem 2. Halbsatz der Vorschrift dürfen Ausländer unter den dort genannten Voraussetzungen nur "von Arbeitgebern" beschäftigt wer¬den. Hieraus ergibt sich, dass auch § 4 des Aufenthaltsgesetzes den Schutz des deutschen Arbeitsmarktes gegen die illegale Beschäfti¬gung ausländischer Arbeitnehmer bezweckt. Dafür spricht auch Abs. 2 der Vorschrift, der von einer Erwerbstätigkeit des Ausländers aus¬geht und die Genehmigungspflicht durch die Bundesagentur für Ar¬beit regelt.

Die Feststellungen des Tatrichters tragen nicht dessen Annahme ei¬nes Arbeitnehmerverhältnisses. Es mangelt schon an genügenden Feststellungen zur Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses. Hierzu hat das Amtsgericht lediglich festgestellt, dass der Bruder des Betroffenen bei diesem und seiner Schwägerin während seines Auf¬enthalts in Deutschland gewohnt habe, ein weiteres Entgelt für die Arbeiten jedoch nicht vereinbart worden sei. Allein auf den Umstand, dass die vorgenommenen Arbeiten, wie das Amtsgericht ausführt, das übertreffe, was in Familienkreisen noch als Gefälligkeitsleistung anzusehen sei, kann für die Annahme eines Arbeitnehmerverhältnis¬ses nicht herangezogen werden. Hierbei handelt es sich nicht um ei¬nen objektiven Maßstab oder eine fest stehende Grenze, bei deren Überschreitung eine Familienhilfe nicht mehr vorliegen kann. Viel¬mehr obliegt es allein der Einschätzung der Beteiligten, in welchem Umfang sie gegenseitige Familienhilfe leisten wollen. Die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung kann zwar ebenso wie die festge¬stellte Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses des Bruders des Betroffenen in Portugal ein Indiz für eine arbeitnehmerähnliche Ab¬hängigkeit sein, reicht jedoch zur Annahme eines solchen Verhält¬nisses isoliert betrachtet nicht aus. Andernfalls würde hierauf folgen, dass ein im Rahmen der Familienhilfe Tätiger Unterkunft und Ver¬pflegung aus eigenen Mitteln bestreiten müsste, wenn er und sein Angehörige nicht Gefahr laufen wollten, wegen eines Verstoßes ge¬gen § 404 SGB III verfolgt zu werden.

Soweit das Amtsgericht weiter ausführt, der Betroffene sei für den gesamten Lebensunterhalt seines Bruders verantwortlich gewesen, fehlen in dem Urteil konkrete Feststellungen hierzu. Ob der Betrof¬fene die nach Ansicht des Gerichts "angefallene" weitere Kosten des Bruders für die Mietwohnung in Portugal, Krankheitskosten und Un¬terhaltsleistungen tatsächlich beglichen hat und dies eine Gegen¬leistung für die Arbeitsleistung des Bruders darstellte, hat das Amts¬gericht nicht festgestellt. Zudem fehlt es an der konkreten Angabe, welche Arbeiten der Bruder im Einzelnen ausgeführt hat."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprü¬fung an. Bereits der 1. Senat für Bußgeldsachen des erkennenden Oberlandesge¬richts hatte mit Beschluss vom 23.11.2000 erkannt, dass Gefälligkeitsverhältnisse nicht der Arbeitserlaubnis gem. § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III bzw. - wie hier - § 4 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz unterliegen. Der Senat hat den Betroffenen freigesprochen, da ausgeschlossen erscheint, dass noch nähere Feststellungen dazu getroffen werden können, dass der Betroffene und sein Bruder eine Vereinbarung dahin getroffen hatten, dass Letzterem in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zu der von ihm erbrachten Bauhilfetätigkeit stehende Sachbezüge gewährt werden sollten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG.



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