Aktenzeichen: 3 Ss OWi 410/06 OLG Hamm |
Leitsatz: Eine zur Zeit der Geltung von § 1 Abs. 1 und 2 HwO a.F. begangene Ordnungswidrigkeit wegen des selbstständigen Betriebes eines Fliesen¬legerhandwerks kann seit Inkrafttreten der Neufassung der Handwerksordnung am 01.01.2004 nicht mehr geahndet werden, weil § 117 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 u. 2 HwO n.F. gegenüber seiner alten Fassung das mildere Gesetz i.S.v. § 4 Abs. 3 OWiG ist. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: gesetzliche Neuregelung; milderes Gesetz; Verjährung; Feststellungen |
Normen: HandwO 117; HandwO 1 |
Beschluss: Bußgeldsache gegen O.F. wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarz¬arbeit. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 21. Februar 2006 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesge¬richts Hamm am 14. 09. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gemäß §§ 79 Abs. 3, 80 a Abs. 2 OWiG, 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf¬gehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen. Gründe: I. Der Betroffene war durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 02.11.2004 (Az.: 39 OWi 53 Js 1551/04) wegen vorsätzlichen Ausführenlassens von Werk¬leistungen in erheblichem Umfang unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG (Schwarzarbeit) zu einer Geldbuße von 8.000,- verurteilt worden. Auf die Rechts¬beschwerde des Betroffenen hat der Senat dieses Urteil durch Beschluss vom 10. März 2005 (3 Ss OWi 85/05) mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufge¬hoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amts¬gericht Bielefeld zurück¬verwiesen. Durch das angefochtene Urteil vom 21. Februar 2006 hat das Amtsgericht Bielefeld erneut gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Ausführenlassens von Werk¬leistungen in erheblichem Umfang unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG a.F. eine Geldbuße von 8.000,- verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er mit der Verletzung materiellen Rechts unter näheren Ausführungen begründet. Die General¬staatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu ver¬werfen. II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Rechtsbeschwerde führt (erneut) auf die erhobene Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bielefeld. Die getroffenen Feststellungen erlauben dem Senat nicht die Prüfung, dass der Be¬troffene gemäß der für die Tatzeit geltenden Fassung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Ge¬setzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit Dienst- oder Werkleistungen in erhebli¬chem Umfang hat ausführen lassen, indem er eine Person oder mehrere Personen beauftragt hat, die diese Leistungen unter Verstoß gegen die in § 1 Abs. 1, hier § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG, genannten Vorschriften erbringen. Soweit das Amtsgericht dem Betroffenen anlastet, von dem Zeugen L. voll¬handwerkliche Fliesenlegerarbeiten durchgeführt haben zu lassen, kommt eine Ver¬urteilung bereits deshalb nicht in Betracht, weil der selbstständige Betrieb des Flie¬sen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks als stehendes Gewerbe seit der am 01.01.2004 in Kraft getretenen Änderung der Handwerksordnung in § 1 Abs. 1 und 2 sowie der Anlage A zu § 1 Abs. 2 HwO nicht mehr die Eintragung in die Handwerks¬rolle erfordert. Vielmehr ist der Betrieb dieses Gewerbes nach Anlage B Nr. 1 zu § 18 Abs. 2 HwO zulassungsfrei. Eine zur Zeit der Geltung von § 1 Abs. 1 und 2 HwO a.F. begangene Ordnungswidrigkeit wegen des selbstständigen Betriebes eines Fliesen¬legerhandwerks kann seit Inkrafttreten dieser Neufassung der Handwerksordnung am 01.01.2004 nicht mehr geahndet werden, weil § 117 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 u. 2 HwO n.F. gegenüber seiner alten Fassung das mildere Gesetz i.S.v. § 4 Abs. 3 OWiG ist (vgl. auch OLG Bamberg, Beschluss vom 26.07.2005 - 2 Ss OWi 109/2005 - = GewArch 2006, 33 ff.). Nach § 4 Abs. 3 OWiG ist dann, wenn das Ge¬setz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, das mildeste Gesetz anzuwenden. Entgegen den Ausführungen des angefochtenen Ur¬teils führt diese auch vom Amtsgericht erkannte gesetzliche Neuerung nicht lediglich zu einer Milderung im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung, sondern dazu, dass die Verfolgbarkeit des Ausführenlassens der Fliesenarbeiten entfällt. Vorliegend hat dies zur Folge, dass die unter Ziffern 1), 2) und 3) getroffenen Feststellungen man¬gels Sanktionsfähigkeit vollständig in Wegfall zu geraten haben und bezüglich der Ziffern 4), 5) und 6) die Sanktionierung entfällt, soweit Fliesenlegerarbeiten betroffen sind. Es verbleibt lediglich bei der Sanktionierbarkeit von Malerarbeiten, die Ge¬genstand der Feststellungen zu Ziffern 4), 5) und 6) geworden sind. Allerdings sind Umfang und Inhalt dieser Arbeiten für das Rechtsbeschwerdegericht nicht nachprüf¬bar. Hinsichtlich der Feststellungen 4) und 6) ist zu monieren, dass das Amtsgericht die Maler- und Fliesenlegerarbeiten hier undifferenziert unter den Lohnkosten zu¬sammengefasst hat, im Fall 4) mit 4.000,- , im Fall 6) mit 60.000,- . Dies hat zur Folge, dass die Größenordnung der Malerarbeiten fraglich bleibt, was insbesondere für die tatbestandliche Frage der Erheblichkeit der Malerarbeiten von wesentlicher Bedeutung ist. Eine Nachprüfung des dem Betroffenen angelasteten Verstoßes ist hier - wie auch bei den Feststellungen zu Ziffer 5) - deshalb nicht möglich, weil die betreffenden Malerarbei¬ten im Einzelnen bezüglich jeden Auftrages der Art, dem Umfang und der zeitlichen Durchführung nach sich den Feststellungen nicht entneh¬men lassen. Bereits im Se¬natsbeschluss vom 10.03.2005 hat der Senat darauf hin¬gewiesen, dass hierzu die Feststellungen die Darlegung enthalten müssen, welche handwerklichen Arbeiten im Einzelnen die beauftragte Person ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, und zwar für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort. Es ist auch dargelegt worden, dass dieses Erfordernis deshalb besteht, weil es der Überprüfung bedarf, ob die Leistun¬gen dem Kernbereich des jeweiligen Handwerks zuzuordnen sind und in erheblichem Umfang vorgenommen wurden. Insoweit wird ausdrücklich auf die Gründe des Se¬natsbeschlusses vom 10.03.2005 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug ge¬nommen. Diesen Erfor¬dernissen werden die amtsgerichtlichen Feststellungen erneut nicht gerecht. Die Feststellungen, die sich hinsichtlich der hier relevanten Maler¬arbeiten erneut auf pauschale und grobe, geradezu rudimentäre Ausführungen be¬schränken, ermöglichen dem Senat nicht die Überprüfung im vorgenannten Umfang. Hierzu wäre eine nähere Beschrei¬bung der Inhalte der einzelnen Aufträge, etwa unter Darlegung hier relevanter Posi¬tionen und Rechnungsdaten, erforderlich gewe¬sen. Angesichts des Umstandes, dass den Feststellungen auch nicht genau zu entneh¬men ist, wann die - wohl zwischen Frühjahr 2000 und Jahresende 2002 - in Auftrag gegebenen Malerarbeiten beendet, mithin durchgeführt worden sind, ist ferner nicht ausgeschlossen, dass hinsichtlich einzelner Arbeiten bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Gemäß §§ 33 Abs. 3 S. 2, 31 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1 OWiG beträgt die Verfolgungsverjährung das Doppelte der gesetzlichen Verjährung, mithin vorliegend sechs Jahre. Diese Frist beginnt gemäß § 31 Abs. 3 S. 1 OWiG, sobald die Handlung beendet ist. Das Rechtsbeschwerdegericht hat zwar grundsätzlich das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen in eigener Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen. Dies ist vorliegend hinsichtlich des Verfahrenshindernisses der absoluten Verjährung al¬lerdings nicht möglich. Die rudimentären Urteilsfeststellungen zu den hier relevanten Malertätigkeiten ermöglichen nämlich keine Zuordnung zu den bei den Akten befind¬lichen teils aus dem Jahre 2000 oder undatierten Rechnungen, die insoweit von Be¬deutung sind. Das Amtsgericht wird dieser Frage daher im Rahmen der erneuten Hauptverhandlung selbst nachgehen müssen. Aufgrund der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen erneut aufzuheben. Der Senat hielt es für geboten, die Sache nunmehr an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld, die auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben wird, zur erneuten Ver¬handlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Für diese Entscheidung kam es auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Handwerksordnung bezüglich des Meister¬zwangs generell nicht an, so daß diese Frage dahin stehen konnte. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils war bereits aufgrund der dargetanen Mängel erforderlich. |
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