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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 385/06 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Glaubhaftmachung der Entschuldigungsgrundes nach Berufungsverwerfung.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsverwerfung; Entschuldigung; nachträgliche; Glaubhaftmachung

Normen: StPO 329; StPO 44

Beschluss:

Strafsache
gegen B.F.
wegen Diebstahls, (hier: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung sowie Entsheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 27. Juni 2006 gegen den Beschluss der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 8. Juni 2006, soweit durch diesen der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten verworfen worden ist, sowie auf den als solchen auszulegenden Antrag des Angeklagten vom 27. Juni 2006 auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den vorgenannten Beschluss vom 8. Juni 2006, soweit durch diesen die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 9. 10. 206 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

2. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird verworfen.

Gründe:
I.
Der bereits zuvor nicht unerheblich und auch einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 20. Januar 2006 wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die gegen dieses Urteil rechtzeitig eingelegte Berufung ist durch Urteil des Landgerichts Hagen vom 31. März 2006 gemäß § 329 StPO verworfen worden, weil der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen war.
Nach Zustellung des Urteils am 8. April 2006 (Samstag) hat der Angeklagte mit Schreiben vom 13. April 2006, welches am 18. April 2006 (Dienstag nach Ostern) beim Landgericht Hagen eingegangen ist, "Revision" eingelegt. Mit der Behauptung, den Termin aus gesundheitlichen Gründen bereits telefonisch „abgesagt“ zu haben, hat er zudem eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber für den Zeitraum vom 31. März 2006 bis zum 5. April 2006, die am 31. März 2006 ausgestellt worden war, zur Akte gereicht.
Mit Schreiben vom 20. April 2006 hat der Vorsitzende der Strafkammer dem Angeklagten mitgeteilt, dass sein Rechtsmittel auch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung anzusehen sei und ihn aufgefordert, binnen zwei Wochen die Art und Schwere der Erkrankung mitzuteilen und die Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen, etwa durch Vorlage eines entsprechenden Attestes. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reiche insoweit nicht aus. Zudem ist der Angeklagte darauf hingewiesen worden, dass eine zuvor telefonisch erfolgte Entschuldigung beim Landgericht nicht bekannt sei.

Nachdem sich der Angeklagte hierauf nicht mehr geäußert hatte, hat die Strafkammer durch den angefochtenen Beschluss vom 8. Juni 2006 den Wiedereinsetzungsantrag verworfen und bereits zugleich auch die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da eine den Formerfordernissen entsprechende Revisionsbegründung nicht zu den Akten gereicht worden sei.
Zur Begründung hat die Strafkammer im Wesentlichen die bereits im Schreiben vom 20. April 2006 dem Angeklagten mitgeteilten Umstände herangezogen und insbesondere darauf abgestellt, dass eine Glaubhaftmachung etwaiger Entschuldigungsgründe nicht erfolgt sei.
Nach Zustellung dieses Beschlusses am 21. Juni 2006 hat der zwischenzeitlich vom 16. Mai 2006 bis zum 15. August 2006 in anderer Sache in der Justizvollzugsanstalt Attendorn inhaftierte Angeklagte mit Schreiben vom 27. Juni 2006, welches beim Landgericht Hagen am 28. Juni 2006 eingegangen ist, mitgeteilt, er habe bereits "de facto" telefonisch mitgeteilt, am Verhandlungstag bettlägerig erkrankt gewesen zu sein. Er werde ein entsprechendes Attest seines Arztes umgehend nachreichen.
Am 11. Juli 2006 ging sodann ein - undatiertes - ärztliches Attest des Praktischen Arztes Dr. R. ohne weitere Kommentierung ein, in welchem bescheinigt wird, dass der Angeklagte vom 31. März bis zum 5. April 2006 wegen fieberhafter Tracheo Bronchitis arbeitsunfähig geschrieben worden sei und ihm eine "Bettlägerichkeit" empfohlen worden sei.

Da die bisherigen Angaben zur Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit nicht ausreichend erschienen, hat der Senat den Angeklagten auf das Erfordernis der Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht hingewiesen, um diesem noch für erforderlich erachtete Fragen stellen zu können. Darauf hat der Angeklagte nicht mehr geantwortet.

II.
1. Das Schreiben des Angeklagten vom 27. Juni 2006 ist zum einen als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hagen vom 8. Juni 2006, soweit durch diesen der Wiedereinsetzungsantrag verworfen worden ist, zu behandeln
(§ 300 StPO).

Der gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthaften und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde ist in der Sache jedoch ein Erfolg zu versagen.

Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer - ergänzenden - Stellungnahme vom 29. September 2006 Folgendes ausgeführt:

"Gemäß §§ 329 Abs. 3, 44 Satz 1 StPO kann dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt werden, wenn er ohne Verschulden daran gehindert war, den Termin wahrzunehmen. Er hat entsprechende Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, die ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes eigenes Verschulden ausschließen (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 329, Rdnr. 26 m. w. N.).

Eine diesen Anforderungen genügende Glaubhaftmachung ist dem von dem Angeklagten überreichten undatierten ärztlichen Attest nicht zu entnehmen. Zwar wird darin über die zunächst vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hinausgehend bescheinigt, der Angeklagte sei vom 31.03. bis 05.04.2006 wegen "fieberhafter Tracheo Bronchitis" arbeitsunfähig krankgeschrieben worden, es wird jedoch nicht ersichtlich, ob der das Attest ausstellende Arzt im Wege einer eigenen Untersuchung zu einer derartigen Diagnose gekommen ist und ob der daraus erwachsende Krankheitszustand des Angeklagten einer Teilnahme an der Hauptverhandlung tatsächlich entgegenstand. Da es der Angeklagte trotz des an ihn gerichteten Hinweises des Senates, wonach beabsichtigt sei, ergänzende Fragen an den behandelnden Arzt zu richten, unterlassen hat, diesen von der ärztlichen Schweigepflicht zu befreien, ist von einer im Ergebnis ausreichenden Glaubhaftmachung nicht auszugehen."

Dem tritt der Senat bei, so dass die sofortige Beschwerde betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge im Ergebnis als unbegründet zu verwerfen war.
Der Angeklagte hat nämlich - trotz entsprechender Hinweise bereits durch den Vorsitzenden der Strafkammer und im angefochtenen Beschluss – angesichts der recht neutral gehaltenen und unscharfen Formulierung in dem überreichten Attest und der Unklarheit über die telefonische Benachrichtigung des Landgerichts am Terminstag letztlich nicht glaubhaft gemacht, dass er am 31. März 2006 tatsächlich verhandlungsunfähig war oder er - selbst wenn dies möglicherweise objektiv nicht der Fall war – zumindest subjektiv auf eine entsprechende Erklärung des Arztes nach vorangegangener ärztlicher Untersuchung vertrauen durfte (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 1998 in 2 Ws 579/98 = VRS 96, 439).

2. Das Schreiben des Angeklagten vom 27. Juni 2006 ist zugleich auch als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO anzusehen (§ 300 StPO), soweit durch den Beschluss vom 8. Juni 2006 - allerdings bereits vor Rechtskraft der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - zugleich auch die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist.

Dieser Antrag war aus den insoweit zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verwerfen, da eine formgerechte Begründung der Revision weder innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO noch bis heute zu den Akten gelangt ist.

Mit der vorstehenden Entscheidung ist somit das Berufungsurteil des Landgerichts Hagen vom 31. März 2006 und damit auch das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 20. Januar 2006 rechtskräftig.


Regul Mosler Lange



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