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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 493/06 OLG Hamm

Leitsatz: Die spätere Ergänzung eines abgekürzten Urteils entsprechend § 77 b Abs. 2 OWiG scheidet aus, wenn wegen irrtümlicher Annahme der Rechtskraft des Urteils von dessen schriftlicher Begründung abgesehen wurde.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Urteil; abgekürzt; Ergänzung; Nachträglich, Zulässigkeit

Normen: OWiG 77b

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen K.P.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 12.04.2006 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 10. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und der Betroffenen bzw. ihres Verteidigers gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 12.04.2006 wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Herford hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 150,- € verurteilt und gegen sie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Gegen das in ihrer Abwesenheit verkündete Urteil vom 12.04.2006 hat die Betroffene mit am 21.04.2006 bei dem Amtsgericht in Herford eingegangenem Schreiben ihres Verteidigers Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Eingang der Rechtsbeschwerde ist vom Amtsgericht übersehen worden. Das Amtsgericht hat daraufhin durch Verfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 08.05.2006 ein abgekürztes und von der Amtsrichterin unterschriebenes Urteil an die Betroffene sowie ihren Verteidiger übersandt. Am 10.05.2006 hat die Geschäftsstelle des Amtsgerichts den Irrtum bemerkt, die Verfahrensbeteiligten entsprechend unterrichtet und die Sache erneut der Amtsrichterin vorgelegt, die mit Eingangsdatum vom 17.05.2006 ein vollständiges Urteil erstellt und zu den Akten gebracht hat. Ausfertigungen des vollständigen Urteils sind dann mit Verfügung der Amtsrichterin vom 06.05.2006 an die Betroffene sowie an ihren Verteidiger zugestellt worden.

Die Betroffene rügt mit ihrer Rechtsbeschwerde, dass das ihr zunächst übersandte Urteil keine Gründe enthält.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat auch in der Sache Erfolg und führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Das angefochtene Urteil ist auf die Sachrüge hin aufzuheben, da es keine Gründe enthält. Maßgebend ist insoweit nämlich das mit Verfügung vom 08.05.2006 der Betroffenen und ihrem Verteidiger übersandte abgekürzte Urteil, während die später innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist erstellte vollständige Urteilsfassung außer Betracht zu bleiben hat. Eine spätere Ergänzung des abgekürzten Urteils entsprechend § 77 b Abs. 2 OWiG scheidet aus, weil § 77 b Abs. 2 OWiG dann nicht entsprechend anwendbar ist, wenn wegen irrtümlicher Annahme der Rechtskraft des Urteils von dessen schriftlicher Begründung abgesehen wurde (BayObLG, NStZ 1992, 136; OLG Celle, NStZ-RR 2000, 180; OLG Jena, NStZ-RR 2003, 273, 274; Senat, Beschluss vom 14.12.2000 - 3 Ss 1185/00 OLG Hamm -; OLG Hamm, 1. Senat, Beschluss vom 23.06.2005 - 1 Ss OWi 427/05 OLG Hamm -; OLG Hamm, 4. Senat, Beschluss vom 06.05.1999 - 4 Ss OWi 442/99 OLG Hamm - und OLG Hamm, 2. Senat, Beschluss vom 30.06.2003, VRS 105, 363).
Entscheidend ist insoweit, ob das unzulässigerweise abgekürzte Urteil den inneren Dienstbereich des Amtsgerichts verlassen hat (vgl. für alle OLG Hamm, VRS 105, 363 und OLG Hamm, 1. Senat, Beschluss vom 23.06.2005, 1 Ss OWi 427/05 OLG Hamm). Den inneren Dienstbereich des Amtsgerichts Herford hatte das abgekürzte Urteil hier aber aufgrund der Verfügung der Geschäftsstelle vom 08.05.2006 bereits verlassen, als die Amtsrichterin das Urteil in der Folgezeit um die Urteilsgründe ergänzte. Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft kommt es dabei nicht darauf an, dass das abgekürzte Urteil den inneren Dienstbereich des Amtsgerichts Herford nicht aufgrund einer Verfügung der zuständigen Amtsrichterin, sondern aufgrund einer Verfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verlassen hatte. Aus der von der Generalstaatsanwaltschaft insoweit zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 07.02.1996 (VRS 91, 286) ergibt sich nichts anderes. Das OLG Düsseldorf hat dort lediglich festgestellt, dass eine von der Geschäftsstelle bewirkte Zustellung - gleiches gilt auch für die formlose Übersendung einer Urteils- bzw. Beschlussabschrift - unwirksam ist und die Frist für die Rechtsmitteleinlegung bzw. Rechtsmittelbegründung nicht in Lauf setzt. Dies ist angesichts der Regelung in § 36 Abs. 1 StPO, die über § 46 Abs. 1 OWiG auch für das Bußgeldverfahren gilt, nur folgerichtig, da danach sowohl die förmliche Zustellung als auch die formlose Mitteilung von Entscheidungen auf Anordnung des Vorsitzenden und gerade nicht der Geschäftsstelle erfolgt. Die Unwirksamkeit der Zustellung führt aber hier nicht zu der Bewertung, dass das abgekürzte Urteil nicht etwa den internen Dienstbereich des Amtsgerichts Herford verlassen hätte. Vielmehr wird der interne Dienstbereich auch dann verlassen, wenn die zugrunde liegende Zustellungsanordnung unwirksam ist. Anderenfalls käme man zu dem eher wenig nachvollziehbaren Ergebnis, dass das Amtsgericht zwar gehindert wäre, im Falle einer wirksamen Zustellungsanordnung ein unzulässig abgekürztes Urteil nachträglich zu ändern, dass es dies aber dann dürfte, wenn es nicht nur unzulässigerweise das Urteil abgekürzt, sondern darüber hinaus die Zustellungsvorschriften nicht beachtet hätte. Dieses Ergebnis überzeugt wenig. Ob etwas anderes dann gelten würde, wenn lediglich ein nicht unterschriebener Urteilsentwurf übersandt oder wenn das Urteil aufgrund eines reinen Versehens aus dem internen Dienstbereich herausgegeben worden ist, braucht nicht entschieden zu werden. Ein solches Versehen lag hier nach Aktenlage nicht vor. Statt dessen hatte sich das Amtsgericht allein über die Rechtskraft seines Urteils geirrt, das Urteil selbst aber willentlich in abgekürzter Form aus dem inneren Dienstbereich herausgegeben.


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