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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX - 150/06 OLG Hamm

Leitsatz: Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Rechtsanwalt wegen „besonderen Umfangs“ des Verfahrens eine Pauschgebühr zu gewähren ist, ist nicht schematisch darauf abzustellen, ob dem Rechtsanwalt für die von ihm erbrachten Leistungen ggf. besondere gesetzliche Gebührn zustehen. Vielmehr ist immer auch das „Gesamtgepräge“ des Verfahrens zu berücksichtigen.


Senat: 2

Gegenstand: Pauschgebühr

Stichworte: besonderer UmfanG; Gesamtgepräge des Verfahrens;

Normen: RVG 51

Beschluss:

Strafsache
gegen K.B.

wegen Betruges u.a. (hier: Pauschgebühr für den als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechts-anwalt).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts P: aus B. vom 21. März 2005 auf Bewilligung einer Pausch-gebühr für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandes-gerichts Hamm am 02. 01. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts be-schlossen:

Rechtsanwalt P. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 3.534 € für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten eine Pauschgebühr in Höhe von 5.500 EURO (in Worten: fünftausendfünfhundert EURO) bewilligt.

Gründe:
I.
Der ehemaligen Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren zusammen mit weiteren Mitan-geklagten u.a. Betrugsdelikte zur Last gelegt. Deswegen war bei der Strafkammer des Landge-richts Bielefeld ein Verfahren gegen die ehemalige Angeklagte anhängig. Der Antragsteller war der ehemaligen Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Die Bestellung erfolgte am 26. August 2004. Der Antragsteller beantragt nunmehr für seine für den ehemaligen Angeklagte erbrachten Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschgebühr, die er im Wesentlichen mit folgen-den Tätigkeiten begründet:

Der Antragsteller ist für den ehemaligen Angeklagte bereits im Vorverfahren tätig gewesen. Er hat mehrere Schreiben und Anträge verfasst und Einsicht in die Strafakte genommen, die je-doch zunächst nur rund 200 Seiten stark war. Im Laufe des Verfahrens hat der Umfang der Ak-ten aber erheblich zugenommen. Der Antragsteller hat zudem an einem Haftprüfungstermin teilgenommen. Der Antragsteller musste sich darüber hinaus u.a. mit einem 43-seitigen ge-richtspsychiatrischen und -psychologischen Gutachten. Er hat zudem seine Mandantin mehr-fach in der Justizvollzugsanstalt besucht; nähere zeitliche Angaben liegen allerdings nicht vor.

Der Antragsteller hat an der Hauptverhandlung, die in der Zeit vom 21. Februar bis zum
14. März 2005 an insgesamt 6 Hauptverhandlungstagen statt gefunden hat, teilgenommen. Der Termin am 21. Februar 2005 hat von 9.00 bis 17.00 Uhr gedauert, der Termin am 23. Februar 2005 von 9.00 bis 16.30 Uhr, der Termin am 28. Februar 2005 von 9.00 bis 17.10 Uhr, der Termin am 2. März 2005 von 9.00 bis 17.10 Uhr, der Termin am 7. März 2005 von 9.00 bis 19.40 Uhr und der Termin am 14. März 2005 von 14.00 bis 16.25 Uhr. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine hat somit 7 Stunden 29 Minuten betragen. In der Be-weisaufnahme sind acht Zeugen und drei Sachverständige vernommen worden. Das landge-richtliche Urteil umfasste 77 Seiten.

Der Antragsteller ist für seinen Mandanten auch im Revisionsverfahren tätig gewesen. In die-sem hat er eine 12-seitige Revisionsbegründung und eine 17-seitige Stellungnahme zum An-trag des Generalbundesanwalts sowie weitere Schreiben verfasst.

Wegen des weiteren Umfangs der Inanspruchnahme und der von dem Antragsteller für seine Mandantin erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannt gemachte Stellung-nahme des Leiters des Dezernats 10 vom 09. November 2006 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers betragen 3.534 EURO. Der Vorsitzende der Strafkammer hat das Verfahren als "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen. Er sieht das Verfahren allerdings nicht als „besonders umfangreich“ an.

II.
Dem Antragsteller war nach § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschgebühr zu bewilligen.

1. Entsprechend der Ansicht des Vorsitzenden des Strafkammer war das Verfahren „besonders schwierig“ im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG. "Besonders schwierig" im Sinne des § 51 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (Burhoff/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsa-chen, § 51 Rn. 19 ff. mit weiteren Nachweisen; vgl. dazu auch Burhoff StraFo 1999, 261, 264; Das ist vorliegend nach Einschätzung des Senats schon der Fall. Insoweit schließt sich der Se-nat der Einschätzung des Vorsitzenden der Strafkammer an (vgl. dazu grundlegend dazu Se-nat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56; zur Fortgeltung dieser Rechtsprechung siehe OLG Hamm, Beschl. v. 13. 1. 2006, 2 (s) Sbd. VIII - 239/05, www.burhoff.de). Der Vorsitzende hat seine Auffassung zwar nicht näher begründet, der Senat ist jedoch aufgrund der Vielzahl der bei ihm anhängigen Pauschgebührenverfahren in der Lage, die Schwierigkeit von Verfahren selbst zu beurteilen. Danach ist vorliegend die Einschätzung des Vorsitzenden aufgrund der Vielzahl der zu verlesenden Urkunden und der Gewinnabschöpfungsfragen nicht zu beanstan-den.

2. Das Verfahren war für den Antragsteller auch schon "besonders umfangreich" im Sinne des § 51 Abs. 1 RVG. In dem Zusammenhang kann dahinstehen, ob (auch schon) der Verfahrens-abschnitt „Grundgebühr“, „Vorbereitendes Verfahren“ und „gerichtliches Verfahren“ jeweils für sich „besonders umfangreich“ waren, was vom Vertreter der Staatskasse verneint wird. Denn jedenfalls führt die auf der zweiten Stufe durchzuführende Gesamtbetrachtung (vgl. insoweit Senat in AGS 2005, 112 f.) dazu, vorliegend den „besonderen Umfang“ zu bejahen.

Das ist im Wesentlichen auf die sechs Hauptverhandlungstermine zurück zu führen, von denen einer mehr als sieben, drei mehr als acht und einer sogar mehr als zehn Stunden gedauert hat. Nur ein Termin hat unter drei Stunden gedauert, ist dafür aber in den Nachmittagsstunden durchgeführt worden. Insoweit übersieht der Senat nicht, dass dem Antragsteller für fünf von diesen Terminen Zuschlagsgebühren nach Nr. 4116 VV RVG bzw. 4117 Verteidiger zustehen, was, worauf der Senat in ständiger Rechtsprechung zum RVG bereits mehrfach hingewiesen hat, in der Regel dazu führen wird, dass diese Termine nicht oder nicht mehr vollständig bei der Beurteilung des „besonderen Umfangs“ herangezogen werden können (vgl. dazu Senat in Stra-Fo 2005, 263; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 420 = Rpfleger 2005, 694; vgl. im Übrigen Burhoff/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 RVG Rn. 11). Allerdings kann davon nicht schematisch ausgegangen werden, sondern ist immer auch das „Gesamtgepräge“ des Verfahrens zu berücksichtigen. Das Verfahren erhält hier aber im gerichtlichen Verfahren sein Gepräge vor allem dadurch, dass der Antragsteller an fünf zeitlich verhältnismäßig dicht aufein-ander folgenden Hauptverhandlungsterminen teilgenommen hat, von denen drei mehr als acht Stunden, einer mehr als sieben und einer sogar fast 11 Stunden gedauert hat. Die dadurch entstandene zeitliche Belastung - die HV hat fast 45 Stunden gedauert, die auf nur sechs Tage verteilt waren - ist nach Auffassung des Senats nicht mehr durch die entstandenen Zuschlags-gebühren abgegolten (so auch Burhoff/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 93).

Diese zeitliche Belastung des Antragstellers wird auch nicht etwa durch geringere Belastung in anderen Verfahrensabschnitte kompensiert, so dass die grundsätzliche Frage, inwieweit eine Kompensation innerhalb des Anwendungsbereichs des § 51 RVG überhaupt (noch) zulässig ist, dahinstehen kann. Denn der Antragsteller ist darüber hinaus umfangreich auch sonst für seine Mandantin tätig gewesen, wobei nicht zu verkennen ist, dass ihm dafür aber teilweise eigenständige gesetzliche Gebühren zustehen (vgl. dazu Senat in StraFo 2005, 263). Auch war die Tätigkeit des Antragstellers im Revisionsverfahren, worauf der Vertreter der Staatskasse zutreffend hinweist, überdurchschnittlich. Es war zudem auch noch die lange Zeitdauer zu be-rücksichtigen, die seit der Antragstellung bis zur nunmehrigen Bewilligung der Pauschgebühr durch den Senat verstrichen ist (vgl. dazu Senat in AGS 2001, 154).







3.

Unter Berücksichtigung dieser und aller weiteren Umstände des Einzelfalls war dem Antragstel-ler damit die vom Senat als angemessen angesehene Pauschgebühr von 5.500 EURO zu ge-währen. Eine Pauschgebühr in dieser Höhe ist angemessen . Die dem Antragsteller zustehen-den gesetzlichen Gebühren sind im Hinblick auf den Umfang der erbrachten Tätigkeiten, insbe-sondere die lange durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine auch „unzumutbar“ i.S. von § 51 Abs. 1 RVG. Der Senat hat in der Vergangenheit bereits darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen der "Unzumutbarkeit" i.S. des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG zumindest immer dann zu bejahen sind, wenn das Verfahren bzw. der Verfahrensabschnitt sowohl als "beson-ders schwierig" als auch als "besonders umfangreich" anzusehen ist (StraFo 2005, 173 = AGS 2005, 112). Daran hält der Senat fest (vgl. zuletzt Beschluss des Senats in 2 (s) Sbd. IX - 116/06, www.burhoff.de). Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass auch die Entschei-dung des OLG Frankfurt in NJW 2006, 457 keinen Anlass gibt, diese Rechtsprechung auf-zugeben.


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