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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 6/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der Anhörung des Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafvollstreckungsverfahren, Anhörung; Anwesenheit des Verteidigers; Verfahrensfehler;

Normen: StPO 453; StGB 57; GG Art. 20

Beschluss:

Strafvollstreckungssache
gegen J.H.
wegen Vergewaltigung u.a.,
hier: Ablehnung der bedingten Entlassung

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11. Dezember 2006 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 30. November 2006 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 01. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 27. Mai 2004 AZ: 21 KLs 36 Js 73/04 I 11/04), rechtskräftig seit dem 17. November 2004, wegen Vergewaltigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Die Hälfte der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe hatte er unter Anrechnung von Unter-suchungshaft am 23. November 2006 verbüßt. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. September 2006 hat der Verurteilte beantragt, die Freiheitsstrafe bereits nach Verbüßung der Hälfte gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen. Die Strafvollstreckungskammer hat eine bedingte Entlassung des Verurteilten jedoch durch Beschluss vom 30. November 2006 abgelehnt. Hiergegen richtet sich dessen sofortige Beschwerde vom 08. Dezember 2006, die er näher begründet hat. Insbesondere rügt er, dass sein Verteidiger nicht an der Anhörung nach § 454 StPO teilgenommen habe.

II.
Die gemäß § 454 Abs.3 StPO, § 57 StGB statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Entgegen dem Beschwerdevorbringen liegt kein Verfahrensfehler vor, der zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen könnte. Insbesondere ist es vorliegend unbeachtlich und beinhaltet keinen Verstoß gegen eine faire Verfahrensgestaltung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, dass der Verteidiger des Verurteilten an der Anhörung nicht teilgenommen hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 04. Januar 2007 Folgendes ausgeführt:

„Soweit der Verurteilte rügt, dass die mündliche Anhörung ohne seinen Verteidiger durchgeführt worden sei, stellt dies keinen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führenden Verfahrensfehler dar. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es dem Verurteilten nach dem Gebot des fairen Verfahrens zu gestatten ist, bei seiner mündlichen Anhörung im Verfahren zur Aussetzung eines Strafrestes einen Rechtsbeistand seines Vertrauens hinzuzuziehen (BverfG NJW 1993, 2301; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 454, Rdnr. 36 m. w. N.). Auch obliegt es dem Gericht im Falle einer kurzfristigen Anberaumung oder Verschiebung des Anhörungstermins, die Benachrichtigung des Verteidigers von sich auch zu veranlassen, wenn dies dem Gefangenen unter Berücksichtigung des Schwierigkeiten, die er bei der Kontaktaufnahme mit Außenstehenden üblicherweise hat, in der verbleibenden Zeit nicht sicher möglich ist (vgl. BverfG a.a.O., S. 2303). Unterbleibt unter solchen Umständen die Benachrichtigung des Verteidigers, so verstößt das Gericht jedoch nur dann gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn es wusste, dass der Gefangene die Anwesenheit eines Beistands im Anhörungstermin wünscht, oder wenn dies dem Gericht unbekannt bleibt, weil es eine entsprechende Mitteilung des Verteidigers oder des Gefangenen auf Grund im Bereich der Justiz liegender Versäumnisse zu spät erhielt (vgl. KG Berlin, 1 AR 1 u. 5/01 – 5 Ws 16 – 17/01).
Im vorliegenden Fall hat die Strafvollstreckungskammer am 21.11.2006 dagegen ausdrücklich eine Terminsnachricht an den Verteidiger des Verurteilten mit Empfangsbekenntnis verfügt (Bl. 42 d.A.). Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf Bl. 42 VH wurde die Terminsnachricht an den Verteidiger mit Empfangsbekenntnis am 23.11.2006 zur Post gegeben. Ein Verfahrensfehler ist insoweit nicht ersichtlich.
Am 30.11. 2006 wurde, obwohl das Empfangsbekenntnis des Verteidigers nicht zum VH gelangt war, der Anhörungstermin in Abwesenheit des Verteidigers durchgeführt. Trotz der Abwesenheit des Verteidigers ist die Anhörung indes nicht als verfahrensfehlerhaft anzusehen. Aus dem Vollstreckungsheft ergab sich nicht, dass sich der Verurteilte im Anhörungstermin eines Verteidigers bedienen wollte. Insbesondere enthielt der Schriftsatz des Verteidigers vom 18.09.2006, mit welchem dieser die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung beantragt hatte, keine Ausführungen zu einer beabsichtigten Teilnahme am Anhörungstermin mitgeteilt, dass er die Anwesenheit seines Verteidigers wünsche (Bl. 43 VH). Unter diesen Umständen verstieß er nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, den Anhörungstermin in Abwesenheit des Verteidigers durchzuführen.

Der Beschwerde ist daher der Erfolg zu versagen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt die einem fairen Verfahren immanente Forderung nach verfahrensmäßiger Selbständigkeit, dem beteiligten Strafgefangenen das Recht zuzubilligen, zur Wahrnehmung der ihm eingeräumten prozessualen Rechte zur mündlichen Anhörung im Entlassungs-verfahren nach § 454 Abs. 1 StPO einen Verteidiger seines Vertrauens hinzuzu-ziehen (vgl.BVerfG, a.a.O.). Allerdings gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren nicht schlechthin einen allgemeinen Anspruch auf Anwesenheit eines Rechtsbeistandes, sondern lediglich in den Grenzen einer am Verhältnismäßigkeits-grundsatz orientierten Abwägung zwischen den Verfahrensrechten des Strafgefangenen und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Verfahrens (BVerfGE 38, 105, 118 = NJW 1975, 103). Grundsätzlich kann es aber nicht Aufgabe des Gerichts sein, den Rechtsanwalt von sich aus von dem Termin zu benachrichtigen. Der Betroffene muss vielmehr selbst Vorsorge dafür treffen, dass sein Rechtsbeistand zur mündlichen Anhörung erscheint und seine Interessen vertritt. Erfolgt die Anhörung jedoch kurzfristig, so hat das Gericht den Verteidiger zu benachrichtigen, da anders der Anspruch auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht einzulösen ist (BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, NJW 1993, 2301, 2303; StV 1994, 552, 553).
Wieviel Zeit zwischen der Benachrichtigung des Verurteilten von der Anhörung und der Anhörung liegen muss, um dem Verurteilten ausreichend Gelegenheit zur Benachrichtigung eines Rechtsbeistands seiner Wahl zu geben, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet und hängt gegebenenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfG, StV 1994, 552, 553). In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird angesichts der Schwierigkeiten, die ein Strafgefangener bei der Kontaktaufnahme mit Außenstehenden habe, eine Frist von drei Tagen als zu gering bemessen angesehen. Der Verurteilte müsse von dem Anhörungstermin mindestens eine Woche vorher erfahren (OLG Zweibrücken, StV 1993, 315, 316; vgl. auch OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2004, 155; NStZ-RR 2001, 348). In der Literatur wird selbst die Wochenfrist als zu knapp befunden (Bringewat, NStZ 1996, 17, 20 Fußnote 22).

Vorstehende Grundsätze sind vorliegend von der Strafvollstreckungskammer beachtet worden, zumal sie den Verteidiger rechtzeitig, d. h. eine Woche vor dem Anhörungstermin unterrichtet hat. Im Übrigen hat der Verurteilte in seinem Halbstrafengesuch nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sein Verteidiger an der mündlichen Anhörung teilnehmen wolle und diese keinesfalls ohne seinen Beistand stattfinden soll.

2. Die Strafvollstreckungskammer hat auch zu Recht die bedingte Entlassung des Verurteilten zum Halbstrafentermin abgelehnt, weil die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs keine besonderen Umstände im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB ergibt. Das beanstandungsfreie Verhalten des Verurteilten im Strafvollzug allein genügt insoweit nicht. Darüber hinausgehende Sozialisierungserfolge, insbesondere auf Grund sozial-therapeutischer Behandlung sind nicht ersichtlich. Die Erwägungen, mit denen die Strafvollstreckungskammer eine günstige Prognose verneint hat, sind nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss wird daher insoweit Bezug genommen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 StPO.



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