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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX - 117/06 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Verhandeln im Sinne der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG liegt nicht vor, wenn der inhaftierte Beschuldigte dem zuständigen Richter zur Bekanntgabe eines Haftbefehls vorgeführt wird mit der bloßen Möglichkeit, sich zur Sache und zur Haftfrage zu äußern, hiervon aber - auf Anraten seines Verteidigers - keinen Gebrauch macht. Ein Verhandeln ist auch nicht gegeben, wenn der Verteidiger auf seinen Antrag als Pflichtverteidiger beigeordnet wird.



Senat: 2

Gegenstand: Pauschgebühr

Stichworte: Vernehmungsterminsgebühr; Begriff des Verhandelns; keine Einlassung zur Sache;

Normen: VV RVG Nr. 4102

Beschluss:

Strafsache
gegen J.R.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a., (hier: Pauschgebühr für den bestellten Verteidiger gemäß § 51 RVG).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts B. in Dortmund vom 3. Januar 2006 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Pflichtverteidigung des früheren Angeklagten Romanovskij hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht (als Einzelrichter gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S. 1 RVG) nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 1.347,- € eine Pauschgebühr von 2.000,- € (i.W.: zweitausend Euro) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

Gründe:
Der Antragsteller begehrt mit näherer Begründung, auf die Bezug genommen wird, für seine Tätigkeit im vorliegenden Verfahren sowohl wegen der besonderen Schwierigkeit als auch wegen des besonderen Umfangs eine Pauschgebühr, die er mit 2.600,- € beziffert hat.

Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse unter dem 6. September 2006 dem Grunde nach befürwortend Stellung genommen.

Mit dem jetzigen Strafkammervorsitzenden, der mit den früher mit dem Verfahren befassten Strafkammermitgliedern Rücksprache gehalten hat, erachtet auch der Senat das Verfahren für bereits besonders schwierig und auch für besonders umfangreich, was der Vertreter der Staatskasse in seiner dem Antragsteller bekannten Stellungnahme, auf die im Übrigen vollinhaltlich Bezug genommen wird, zutreffend dargelegt hat.

Insbesondere im Hinblick auf den Aktenumfang erscheinen die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers zumindest in einer Gesamtschau auch nicht mehr zumutbar i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG, so dass dem Grunde nach eine Pauschgebühr zu bewilligen war.

Zutreffend ist der Vertreter der Staatskasse in seiner Stellungnahme auch von gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 1.347,- € ausgegangen.
Entgegen der insoweit erfolgten Festsetzung der Pflichtverteidigergebühr ist für die Teilnahme des Antragstellers an den Terminen zur Verkündung eines Haftbefehls am 22. Juli 2005 vor dem Bezirksjugendgericht in Essen und am 28. September 2005 vor der Strafkammer in Essen die Gebühr nach Nr. 4103 VV RVG in Höhe von jeweils 137,- € nicht entstanden.

Nach dem jeweiligen Protokoll dieser Verkündungstermine ist in diesen nicht über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft im Sinne der Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG verhandelt worden.
Im Termin vor dem Amtsgericht Essen hat der frühere Angeklagte zu den Taten des Haftbefehls und auch zu seiner Person keine Angaben machen wollen. Nachdem der frühere Haftbefehl aufgehoben und durch den zuvor verkündeten neuen Haftbefehl ersetzt worden war, hat der Antragsteller allerdings seine Beiordnung als Pflicht-verteidiger angeregt, worauf diese sodann auch erfolgt ist.
Auch im Termin vor dem Landgericht Essen am 28. September 2005 hat der Angeklagte nach Verkündung des Haftbefehls erklärt, heute keine Angaben machen zu wollen. Weitere Anträge zur Haft sind laut Protokoll ausdrücklich nicht gestellt worden.

Bei dieser Sachlage handelt es sich jeweils um einen reinen Verkündungstermin,
für den eine Gebühr nach der genannten Vorschrift nicht entsteht (vgl. Senatsbeschluss vom 28. April 2006 in 2 (s) Sbd. IX - 31/06 unter Bezugnahme auf
Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2005 in 2 (s) Sbd. VIII - 224/05 =
RPfleger 2006, 226 = AGS 2006, 122 = JurBüro 2006, 136).

Bereits im Senatsbeschluss vom 28. April 2006 ist darauf hingewiesen worden, dass der Senat die entgegenstehende Auffassung des Landgerichts Bielefeld (StV 2006, 198), wonach ein Verhandeln im Sinne der genannten Vorschrift bereits dann vorliegt, wenn der inhaftierte Beschuldigte dem zuständigen Richter zur Bekanntgabe eines Haftbefehls vorgeführt wird mit der bloßen Möglichkeit, sich zur Sache und zur Haftfrage zu äußern, hiervon aber - auf Anraten seines Verteidigers - keinen Gebrauch macht, nicht zu teilen vermag.
Insbesondere betrifft das vom Landgericht Bielefeld herangezogene Beispiel, dem Verteidiger stehe ja auch dann eine Terminsgebühr (nach Nrn. 4108, 4109 oder 4114, 4115 oder 4120, 4121 VV RVG) zu, wenn nach Beginn einer - mehrtägigen - Hauptverhandlung und Verlesung der Anklage der Angeklagte nach Belehrung von seinem Schweigerecht Gebrauch mache und die Verhandlung nach nur kurzer Dauer unterbrochen werde, einen in keiner Weise vergleichbaren Sachverhalt. Nicht nur nach dem Begriff des Wortes wird an jedem Terminstag einer Hauptverhandlung auch bei nur sehr kurzer Dauer immer verhandelt.
Die Gebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG soll aber nur dann für eine Verhandlung außerhalb der Hauptverhandlung entstehen, wenn mehr geschieht als nur die bloße Verkündung eines Haftbefehls.
Dies ergibt im Übrigen auch ein Vergleich mit den Nummern 1, 2, 4 und 5 dieser Vorschrift.

Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht daraus, dass im Anschluss an die Verkündung des Haftbefehls am 22. Juli 2005 der Antragsteller als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist und dass möglicherweise im Anschluss an die Verkündung des Haftbefehls am 28. September 2005 die Möglichkeit einer verfahrensverkürzenden Absprache mit der Strafkammer erörtert worden ist. Abgesehen davon, dass dies dem Protokoll über den Verkündungstermin nicht entnommen werden kann, würde es sich dabei auch nicht um ein Verhandeln im Sinne der genannten Vorschrift handeln.
Dies hat der Vertreter der Staatskasse in seiner genannten Stellungnahme, der der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, auch zutreffend dargelegt.

Andererseits konnte bei der Bemessung der Höhe der zu bewilligenden Pauschgebühr berücksichtigt werden, dass der Antragsteller neben den Besuchen des inhaftierten Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt auch an zwei Haftbefehlsverkündungsterminen in Essen teilgenommen hat.
Unter Berücksichtigung auch aller weiteren Umstände des Einzelfalles hält der Senat daher insgesamt anstelle der gesetzlichen Gebühren von 1.347,- € die bewilligte Pauschgebühr in Höhe von 2.000,- € für angemessen aber auch ausreichend.
Dieser Betrag übersteigt die sogenannte Mittelgebühr eines Wahlverteidigers noch ganz erheblich und ist insbesondere in dieser Höhe nur deshalb gerechtfertigt, weil aufgrund auch der Mitwirkung des Antragstellers das zunächst auf 11 Hauptverhandlungstage terminierte Verfahren nach bereits drei Hauptverhandlungstagen beendet werden konnte. Im Interesse einer effektiven, zeit- und kostensparenden Rechtspflege hat der Senat dies entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung auch im Rahmen des § 51 RVG berücksichtigt.

Der weitergehende Antrag war hingegen abzulehnen.

Da sich weder der Antrag des Antragstellers noch die erfolgte Bewilligung der Pauschgebühr auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkt, sind auch nicht die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, im Einzelnen zu bezeichnen, was sich aus § 51 Abs. 1 S. 3 RVG ergibt. Es war eine Pauschgebühr für das gesamte Verfahren zu bewilligen.



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