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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 458/06 OLG Hamm

Leitsatz: Für die Annahme eines Beweisantrages im Sinn des § 244 StPO ist nicht ausreichend, wenn nur der Hinweis auf eine Beweismöglichkeit oder aber nur eine Beweisanregung gegeben wird.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Beweisantrag; Inhalt; konkrete Beweisbehaptung; Beweisanregung

Normen: StPO 244

Beschluss:

Strafsache
gegen F.M.
wegen Körperverletzung.

Auf die Revision des Angeklagten vom 23. März 2006 gegen das Urteil des Landge-richts Bochum vom 23. März 2006 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22. 01. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhö-rung des Angeklagten und seines Verteidigers einstimmig gem. § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und in- soweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisions-verfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurück-verwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.


Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bochum hat den Angeklagten durch Urteil vom 29. November 2004 wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bochum mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.
In den umfangreichen tatsächlichen Feststellungen ist das Landgericht unter ande-rem von folgendem Tatgeschehen ausgegangen:

Der Angeklagte und die Nebenklägerin sind seit 1998 geschiedene Eheleute. Grund für die Scheidung war, dass sich die Ehefrau des Angeklagten in einer Kur einem anderen Mann zugewandt hatte. Mit diesem ist die Nebenklägerin seit der Eheschei-dung als ständigem Partner zusammen.

Der Angeklagte hat die Trennung von seiner Ehefrau nicht verwunden. Die gemein-samen Töchter des Angeklagten und der Nebenklägerin lehnen ihre Vater wegen ständiger Belästigungen und Bedrohungen ab. Im Jahr 2000 und im Jahr 2002 kam es zu Körperverletzungstaten des Angeklagten gegenüber seiner ehemaligen Ehe-frau und gegenüber der Tochter K.. Wegen der Körperverletzungshandlung zu Las-ten der Nebenklägerin, die der Angeklagte nach einem Streit mit Faustschlägen ins Gesicht erheblich verletzt hatte, wurde er wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wurde zur Be-währung ausgesetzt.

In der Folgezeit kam es zu einem zivilrechtlichen Klageverfahren, das mit einem Ver-gleich zwischen dem Angeklagten und seiner ehemaligen Ehefrau endete. In diesem verpflichtete der Angeklagte sich u.a., die Nebenklägerin nicht zu verfolgen und ihre Töchter nicht grundlos aufzusuchen oder telefonisch zu belästigen.

Daran hat sich der Angeklagte jedoch nicht gehalten. Vielmehr machte er am 6. Sep-tember 2003 den Wochenendaufenthaltsort der Nebenklägerin in W., an dem sich diese regelmäßig mit dem Zeugen W. aufhielt, ausfindig und suchte sie dort auf. Dies hat bei der Nebenklägerin schon am Tattag unmittelbare körperliche Reaktio-nen hervorgerufen, die namentlich mit einer gesteigerten Verabreichung von Antide-pressiva behandelt werden mussten.

Das Landgericht Bochum hat – wie zuvor bereits das Amtsgericht – auf eine Frei-heitsstrafe in Höhe von drei Monaten erkannt, deren Vollstreckung es nicht zur Be-währung ausgesetzt hat. Die sachverständig beratene Kammer ist von der vermin-derten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen, da seine Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich eingeschränkt gewesen sein soll.

III.
Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch wendet, ist sie weder mit den er-hobenen Verfahrensrügen noch mit der Sachrüge erfolgreich. Es war deshalb inso-weit nach § 349 Abs. 2 StPO zu verfahren. Auszuführen ist über die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft hinaus lediglich Folgendes:

1. Die erhobenen Verfahrensrügen, mit denen u.a. ein Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO geltend gemacht wird, haben keinen Erfolg.

a) Ihnen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Am 16. März 2006 führte die Berufungskammer einen vom Verteidiger verlesenen Schriftsatz der Verteidigung in die Berufungshauptverhandlung ein. In ihm stellte der Verteidiger des Angeklagten Behauptungen zu Indiztatsachen auf, aus denen sich ergeben sollte, dass der Angeklagte am 6. September 2003 ausschließlich in Bad Wünnenberg zugegen gewesen sei, um zu überprüfen, ob am Tatort in Bad Wün-nenberg lediglich – wie er vermutete – eine Scheinadresse des Zeugen W. bestehe. Der Verteidiger benannte in diesem Zusammenhang Zeugen, für die er Hinweise dazu gab, wie diese „zu laden“ seien. Er wies darüber hinaus auf eine „beizuziehen-de Akte der Steuerfahndung“ hin. Einen ausdrücklichen Antrag formulierte er aber nicht. Vielmehr fasste er den gesamten Schriftsatz als Erklärung bzw. Information ab.

Die Berufungskammer hat diesen Schriftsatz nicht als Beweisantrag angesehen. Demgegenüber ist sie aber aufgrund eines weiteren am 21. März 2006 verlesenen gleichfalls nur informierenden Schriftsatzes in eine Beweisaufnahme eingetreten und hat die im Schriftsatz als Zeugin benannte Nebenklägerin vernommen.

b) Die zulässig erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO ist unbegründet. Die Strafkammer war an die Voraussetzungen des § 244 StPO nicht gebunden, da ein Beweisantrag im Sinne des § 244 StPO nicht vorgelegen hat.

Ein Beweisantrag ist das ernsthafte Verlangen eines Prozessbeteiligten, über eine die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffende Behauptung durch bestimmte, nach der StPO zulässige Beweismittel Beweis zu erheben (BGHSt 1, 29, 31; 6, 128, 129; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 244 Rn. 18). Ein Antrag ist aber nur ein „Beweis-antrag“ im Sinne des § 244 StGB, wenn dieses Verlangen deutlich geworden ist. Die Beweiserhebung darf also nicht in das gerichtliche Ermessen gestellt bleiben (Meyer-Goßner, a.a.O., § 244 Rn. 19; Herdegen in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 244 Rn. 56; Widmaier/Widmaier, Münchner Handbuch der Strafverteidigung, § 9 Rn. 20 f., 40 f.). Nicht ausreichend ist deshalb der Hinweis auf eine Beweismöglich-keit oder aber nur eine Beweisanregung, deren Übergehen lediglich zu einer Verlet-zung der Aufklärungspflicht führen kann (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 244 Rn. 18, 23 ff.; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 5. Aufl., 2006, Rn. 253).

Letzteres ist vorliegend gegeben. Der Schriftsatz des Verteidigers ist, worauf die Ge-neralstaatsanwaltschaft zutreffend verweist, gerade nicht als Beweisantrag in dem vorstehend dargestellten Sinn aufzufassen. Er enthält keine konkreten Behauptun-gen, über die durch bestimmte Beweismittel Beweis erhoben werden soll, sondern nur Informationen an die Berufungskammer über einige vorherige Geschehnisse im Verhältnis des Angeklagten zu seiner ehemaligen Ehefrau und versucht zudem, das Verhalten des Angeklagten zu erläutern. Insoweit übersieht der Senat nicht, dass zwar auch (Beweis-)Anträge der Auslegung zugänglich sind (vgl. dazu nur BGH NStZ-RR 2005, 78; Meyer-Goßner, a.a.O., 244 Rn. 39) und zur Qualifizierung eines Begehrens als Antrag nicht zwingend die Verwendung des Wortes „Antrag“ erforder-lich ist. Entscheidend für die Qualifizierung als Beweisantrag ist jedoch das bestimm-te Verlangen des Antragstellers, dass über eine bestimmte Behauptung Beweis er-hoben werden soll. Das lässt sich dem Schriftsatz vom 16. März 2006 aber gerade nicht entnehmen.

Soweit die Revision darauf verweist, dass die Berufungskammer auf den späteren, ähnlich gefassten „Antrag“ vom 21. März 2006 mit einer Beweisaufnahme reagiert habe, greift dieser Hinweis nicht durch. Über welche konkreten Tatsachen das Ge-richt ergänzend Beweis erhoben hat und ob diese mit angeführten Tatsachen des Schreibens vom 16. März 2006 übereinstimmen, teilt die Revision nicht mit. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Strafkammer nach einer (weiteren) Beweisanre-gung des Verteidigers in die Beweisaufnahme eingetreten ist, um ihrer sich aus
§ 244 Abs. 2 ergebenden Aufklärungspflicht zu entsprechen. Zudem kann das späte-re Verhalten der Strafkammer keine Indizwirkung dafür entfalten, ob gerade der strei-tige Schriftsatz vom 16. März 2006 als ernsthaftes Verlangen nach einer Beweiser-hebung verstanden werden musste. Der Charakter als Beweisantrag kann diesem Schriftsatz nicht gleichsam nachträglich zuwachsen. Vielmehr muss sich schon im Zeitpunkt der Antragstellung ergeben, dass ein Antrag und insbesondere das ernst-hafte Verlangen zu einer Beweiserhebung vorliegt.

c) Soweit die Revision hilfsweise eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO rügt und damit eine Aufklärungsrüge erhebt, ist diese Rüge bereits nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht zulässig erhoben. Nach den von der Rechtsprechung verlangten Anforderungen an eine zulässige Aufklärungsrüge muss die Revision auch angeben, welche Umstände das Gericht zu einer weiteren Beweiserhebung gedrängt hätten (vgl. BGH NStZ 1999, 45 mit weiteren Nachweisen; KK-Herdegen, a.a.O., § 244 Rn. 36, 37; Meyer-Goßner, a.a.O., § 244 Rn. 81 mit weiteren Nachwei-sen).

Schon hieran fehlt es. Die Revision wiederholt allein den eingereichten Schriftsatz, den sie in der Revisionsbegründungsschrift nur auf die Rüge der Nichtbescheidung von Beweisanträgen ausgerichtet auswertet. Bezüglich der Aufklärungsrüge ergänzt sie lediglich, dass auch § 244 Abs. 2 StPO gerügt werde. Dies reicht aber nicht aus, weil sich aus dem angeführten Schriftsatz nichts dafür ergibt, dass sich das Landge-richt vor dem – nicht mitgeteilten Hintergrund der übrigen Beweiserhebung – zur Be-weiserhebung durch die Zeugen - nur diese wird nach der Begründungsschrift auch mit § 244 Abs. 2 StPO angegriffen - hätte gedrängt sehen müssen. Es findet keine Auseinandersetzung mit den bisherigen Beweisaufnahmen statt, sondern es werden lediglich bestimmte Behauptungen aufgestellt und diesen mögliche Beweismittel zu-geordnet.

d) Ergänzend rügt die Revision eine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht bzw. des Rechts auf ein faires Strafverfahren dadurch, dass die Strafkammer keinen Hin-weis darauf gegeben hat, dass sie den Schriftsatz und das in ihm enthaltene Begeh-ren nicht als Beweisantrag im Sinne von § 244 StPO ansehen, sondern nur als Be-weisanregung. Auch dies führt indes nicht zum Erfolg der Verfahrensrüge.

Zwar ist das Gericht gemäß § 244 Abs. 2 StPO und nach dem Recht auf ein faires Strafverfahren (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verpflichtet, die Verfahrensbeteiligten zur Stellung sachdienlicher Anträge zu veranlassen und diese bei der Stellung ihrer Be-weisanträge zu unterstützen (vgl. BGHSt 22, 118, 122; Meyer-Goßner, a.a.O., § 244 Rn. 35). Erkennbare Missverständnisse sind durch entsprechende Hinweise auszu-räumen (vgl. BGH NStZ 1993, 228; 1994, 483; Meyer-Goßner, a.a.O., § 244 Rn. 35). Nach diesen Maßstäben hat der Richter indes nicht bei jeder Beweisanregung nach-zufragen, ob diese nicht auch als Beweisantrag gestellt werden sollte. Eine so weit gehende Hinweispflicht ist weder praktikabel noch geboten. Abgesehen davon, dass die Verteidigung frei ist, zwischen dem Mittel der Beweisanregung und des Beweis-antrages zu wählen und allzu weitgehenden Eingriffs- und Reaktionspflichten des Gerichts auf die Wahrnehmung von Verfahrensrechten durch die Verteidigung letzt-lich entgegen steht, dass die Verteidigung prozessrechtlich eigenverantwortlich han-delt, ist entscheidend für die Bejahung einer Hinweispflicht des Gerichts, ob ein er-kennbares Missverständnis über die Beurteilung des Schriftsatzes vorlag, welches die Strafkammer hätte aufklären müssen. Hier war aber der Schriftsatz in Form einer Information abgefasst. Soweit überhaupt sprachlich ein Ansatz zu einer Verpflichtung des Gerichts gesehen werden könnte - es wird formuliert „beizuziehenden“ - ist der so zu verstehen, dass – wie bei der Beweisanregung allgemein der Fall – die Aufklä-rungspflicht des Gerichts angesprochen war. Zudem bezog er sich nicht auch auf die vermeintlich beantragten Zeugenvernehmungen.

2. Die materielle Rüge des Angeklagten hat hinsichtlich des Schuldspruchs ebenfalls keinen Erfolg. Dazu ist zusätzlich zu den Ausführungen der Generalstaatsanwalt-schaft anzumerken:

Entgegen der Auffassung der Revision ist weder die tatrichterliche Beweiswürdigung noch die Anwendung des § 223 StGB auf den festgestellten Sachverhalt zu bean-standen.

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt (vgl. § 337 StPO). Ein sachlich-rechtlicher Fehler liegt dann vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungs-sätze verstößt. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsa-chen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweis-würdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweg-geht, ist ebenso rechtsfehlerhaft wie eine solche, die gewichtige Umstände nicht mit in Betracht zieht, welche die Überzeugung des Tatrichters von der Täterschaft des Angeklagten in Frage zu stellen geeignet sind. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 16, 24, Überzeugungsbildung 30; BGH NStZ 2000, 48; vgl. auch Senat im Urteil vom 15. September 2004, 2 Ss 243/2004, www.burhoff.de). Die Schlussfolgerungen des Tatrichters brauchen allerdings nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Eine erschöpfende Erörterung sämtlicher Erwägungen zur Beweiswürdigung erfordert § 261 StPO ebenfalls nicht (vgl. zuletzt u.a. BGH, Urteil vom 25. Januar 2006, 2 StR 68/05). Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, ver-standesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist (vgl. u.a. BGHSt 29, 18, 20; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; Überzeugungsbildung 26; Senat im Beschluss vom 29. August 2001, 2 Ss 488/01; siehe auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 261 Rn. 2; Nack StV 2002, 510, 513).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. In Ergänzung zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft ist lediglich Folgendes zu bemerken:

Soweit die Revision mangelnde Feststellungen zu „den ständigen Beobachtungen“ des Opfers durch den Angeklagten rügt, kann - die mangelnden Feststellungen un-terstellt - der Schuldspruch hierauf nicht beruhen. Die festgestellten körperlichen Be-einträchtigungen der Nebenklägerin sind nicht durch „ständige Beobachtungen“ her-beigeführt, sondern durch einen konkreten Besuch am 6. September 2003.

Auch bei der Würdigung der Aussage der Zeugin H. ist kein Rechtsfehler zu erkennen. Die Strafkammer widerlegt die Einlassung des Angeklagten, indem es die positive Überzeugungskraft insbesondere der Zeugenaussage H. gegen mögliche Zweifel aufzeigt. Dass sich das Landgericht nicht vermehrt auf die Aussage selbst konzentriert, macht die Beweiswürdigung noch nicht für sich genommen rechtsfehlerhaft. Zwar gelten bei der hinsichtlich des früheren Aufenthalts gegebenen Situation, in der Aussage gegen Aussage steht, besondere Maßstäbe (vgl. nur Wid-maier/Nack, Münchner Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 33 Rn. 43 ff., m.w.N.). Diese sind hier aber noch gewahrt, da die Strafkammer die Zeugenaussage einge-hend darstellt und diese hinsichtlich persönlicher und speziell aussagebezogener Glaubhaftigkeitskriterien näher behandelt.

Auch der Umstand, dass die Strafkammer die Überzeugung der Zeugin von ihrer eigenen Aussage mit erwähnt, gefährdet die Beweiswürdigung insgesamt nicht. Es handelt sich hier erkennbar nur um eine dokumentierende Angabe des Gerichts und weniger um eine Begründung dafür, warum es der Zeugin gefolgt ist. Wenn auch die Bekundung der Sicherheit der eigenen Erinnerung ein gegen die Glaubhaftigkeit sprechendes Indiz sein kann (vgl. Widmaier/Nack, a.a.O., § 33 Rn. 15), ist es den-noch nicht untersagt, diesen Umstand festzustellen (vgl. Widmaier/Nack, a.a.O., § 33 Rn. 7). Dies gilt um so mehr , als das Gericht zuvor zahlreiche Erinnerungsträ-ger aufgewiesen hat und erst dann abrundend die sichere Erinnerung feststellt.

Soweit der Angeklagte die mangelhafte und für das Revisionsgericht nicht überprüf-bare Darlegung und rechtliche Behandlung des Sachverständigengutachtens rügt, auf welche das Gericht die Anwendung des § 21 StGB gestützt hat, übersieht die Revision, dass hierin – wenn überhaupt - ein den Angeklagten nicht beschwerender Rechtsfehler vorliegt. Für die Annahme des § 20 StGB bestehen keine Anhaltspunk-te.

b) Auch die Anwendung des § 223 StGB auf die getroffenen Feststellungen ist rechtsfehlerfrei.

Die Körperverletzung in Form der Gesundheitsschädigung ist auch durch das Stei-gern eines pathologischen Zustands möglich (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 223 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen; Paeffgen, in: NK-StGB, 2. Aufl., § 223 Rn. 14). Die von dem Angeklagten ausgelöste behandlungsbedürftige Depression mit Krankheitswert hat schon am Tattag unmittelbare körperliche Reaktionen (Zittern am ganzen Körper, ständiges Weinen, Angstzustände) hervorgerufen, die insbesondere mit einer gesteigerten Verabreichung von Antidepressiva behandelt werden mussten. Dies ist noch als somatisch objektivierbarer und in jedem Fall als pathologischer Zu-stand zu begreifen.

Entgegen der Auffassung der Revision ist das Tatgericht auch nicht von einem fal-schen Vorsatzbegriff ausgegangen. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind zu-dem ausreichend. Den tatrichterlichen Ausführungen kann die Prüfung und Beja-hung des kognitiven und des voluntativen Vorsatzelements entnommen werden. So-weit die Revision darlegt, dass der Angeklagte aus dem ihm aus den früheren Ver-fahren bekannten „reaktiv ängstlich-depressiven Syndrom“ nach dem ärztlichen Schreiben vom 14. Dezember 2000 keine Kenntnis über die möglichen Folgen einer direkten Konfrontation mit der Nebenklägerin erlangt hatte, verkennt sie, dass das kognitive Element des Vorsatzes kein sicheres Wissen um den tatbestandlichen Er-folg voraussetzt, sondern vielmehr die erkannte Möglichkeit seines Eintritts genügen lässt (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 15 Rn. 9, 13). Von dieser Möglichkeitskenntnis des Angeklagten ist aber nach den Feststellungen auszugehen, denn das reaktive Syndrom mit Krankheitswert bezog sich gerade auf die Anwesenheit des Angeklag-ten, der die Nebenklägerin früher durch Faustschläge am Körper verletzt hatte. Der zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin geschlossene Vergleich beinhal-tet überwiegend Verpflichtungen, die gerade Kontakt zu und damit Reaktionen der Geschädigten auf den Angeklagten vermeiden sollen. Zu dem ärztlichen Schreiben kamen überdies die gesamten festgestellten gerichtlichen Auseinandersetzungen als kenntnisauslösende Faktoren hinzu.

IV.
Keinen Bestand haben konnte dagegen der Strafausspruch. Die Ausführungen zu § 47 StGB sind nämlich nicht frei von Rechtsfehlern.

Die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe ist nach § 47 StGB nur zulässig, wenn sie auf Grund einer Gesamtwürdigung zur Einwirkung auf den Täter unerläss-lich ist bzw. auf sie nicht verzichtet werden kann (vgl. BGHR § 47 Abs. 1 StGB Um-stände 6; BGH StV 2003, 485; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 47 Rn. 10 m.w.N.). Einer kurzfristigen Freiheitsstrafe bedarf es dann nicht, wenn eine Freiheitsstrafe mit ver-tretbarer Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich ist, um den Täter von weiteren Strafta-ten abzuhalten, was auch bei einschlägigen Vorstrafen der Fall sein kann (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 47 Rn. 10 m.w.N.).

Die Revision rügt in dem Zusammenhang zu recht, dass das angefochtene Urteil besorgen lässt, der Tatrichter habe die nach § 47 StGB gebotene Gesamtwürdigung nicht angestellt. Zwar hat das Gericht „besondere Umstände“ auf Grund der Tat und der Täterpersönlichkeit angenommen. Ebenso hat es mit der Wendung „unbedingt erforderlich“ verdeutlicht, dass es vom zutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Die Unerlässlichkeit selbst begründet es indes aber allein mit einem Verweis auf die Un-einsichtigkeit des Angeklagten in das eigene Krankheitsbild, der nicht näher belegt wird.

Dass das Gericht eine Gesamtwürdigung vorgenommen hat, ist auch mit Blick auf den Gesamtzusammenhang des Urteils nicht festzustellen. Das Gericht bezieht we-der die Vortaten des Angeklagten ein noch berücksichtigt es den Umstand, dass den Angeklagten – geht man von einer vorliegenden Krankheit aus – die ihm vorgehalte-ne Krankheit über zweieinhalb Jahre so beherrschte, dass keine weiteren Straftaten aufgetreten sind. De lege lata ist nach § 47 StGB keine allgemeine „Stalking-Prävention“ durchsetzbar, sondern lediglich die Legalbewährung des Angeklagten ausschlaggebend. Ebenso zieht das Landgericht hier nicht in Erwägung, dass sich die Begehungsweise der erneuten deutlich von der Vortat unterschied: Es lag eine ohne körperliche Berührung ausgeführte Körperverletzung vor.

Soweit die Strafkammer in ihre Abwägung auch die mangelnde Behandlungseinsicht des Angeklagten in eine dringend behandlungsbedürftige eigene Krankheit einbe-zieht, leidet das angefochtene Urteil an dem durchgreifenden Rechtsfehler, dass die behandlungsbedürftige Krankheit, auf die sich die Kammer bezieht, nicht in einer die Prüfung des Revisionsgerichts ermöglichenden Art und Weise festgestellt worden ist. Das Tatgericht teilt nur mit, dass die Behandlungsbedürftigkeit aus dem Gutachten des Sachverständigen folge und das Gericht an diesem keine Zweifel habe. Hält der Tatrichter aber die Zuziehung eines Sachverständigen für erforderlich, so hat er des-sen Ausführungen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Dar-stellung unter Mitteilung der zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiederzugeben, um dem Revisionsgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen. Erforderlich ist eine verständliche, in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zu Grunde liegenden Anknüpfungstat-sachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachli-chen Begründung (BGHR StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1, Beweisergebnis 2 = StV 1987, 516; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 16. Juni 2000, 2 Ss OWi 537/00, StraFo 2000, 310 = StV 2000, 547, und vom 12. Februar 2004, 1 Ss 24/04).

Der Senat konnte nicht nach § 354 Abs. 1a StPO verfahren, weil es an Feststellun-gen für die Gesamtwürdigung nach § 47 Abs. 1 StGB fehlt.

V.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Auch die Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung leidet derzeit an einem durchgreifenden Rechtsmangel.

Die bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung vom Tatgericht nach § 56 Abs. 1 StGB anzustellende Sozialprognose ist ausschließlich zukunftsori-entiert und unter einer individuellen Gesamtwürdigung aller Umstände zu treffen (vgl. BGH StV 1995, 414; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 Rn. 3 f. und 11). Für eine dem Täter günstige Prognose ist ausreichend, wenn die Wahrscheinlichkeit künftig straf-freien Verhaltens größer ist als diejenige neuer Straftaten (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 38; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 Rn. 4a). Umstände, auf welche die Verneinung ei-ner günstigen Sozialprognose gestützt werden soll, müssen rechtsfehlerfrei festge-stellt werden (vgl. m.w.N. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 Rn. 4a). Liegen einschlägige und gewichtige Vorstrafen vor, die noch nicht lange zurück liegen, bedarf eine positi-ve Prognose besonders eingehender Darlegung (vgl. BGH NStE § 56 StGB Nr. 34; BayObLG NStZ-RR 2003, 105 f.; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 Rn 6). Gleiches gilt, wenn frühere Bewährungsfristen nicht bestandet wurden oder die neue Tat während des Laufs einer Bewährungsfrist begangen wurde (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 Rn. 6). Freilich schließt ein Bewährungsbruch eine erneute Aussetzung nicht ohne weiteres und nicht schon allein aus diesem Grund aus (BGH NStZ-RR 2005, 38 m.w.N.; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 Rn. 6).

Vor diesem Hintergrund überzeugen die Ausführungen des Landgerichts derzeit nicht. Zum einen hat auch hier der Rechtsfehler, dass die tragende Argumentation über die festgestellte Krankheit des Angeklagten nicht auf ein hinreichend dargeleg-tes Sachverständigengutachten abgestützt worden ist, Auswirkungen. Zum anderen bezieht das Landgericht bei seinen Erwägungen nicht im erforderlichen Maße ein, dass weitere Verurteilungen oder Ermittlungsverfahren nach den Urteilsfeststellun-gen über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren ausgeblieben sind. Schließlich stellt das Nachtatverhalten ein benanntes Prüfmerkmal der Gesamtbetrachtung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB dar (vgl. BGH StV 1995, 414) sowie auch zu berücksichtigen war, dass die Tatintensität im Vergleich zum erstmaligen Körperverletzungsdelikt abgenommen hat. Immerhin stellt die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewäh-rung bei der kurzen Freiheitsstrafe die gesetzgeberische Regelentscheidung dar.



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