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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 340/06 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Anwendungsbereich des § 57 WaffG n.F.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Kriegswaffenkontrollgesetz; Sturmgewehr; funktionsfähig; Verstoß gegen das Waffengesetz;

Normen: WaffG 57

Beschluss:

Strafsache
gegen T.P.
wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 05.05.2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 11. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

G r ü n d e :
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 08.08.2005 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Tateinheit mit Verstoß gegen § 2 Abs. 2 WaffG (angewendete Vorschriften: §§ 2 Abs. 2, 52 Abs. 3 Nr. 2 a WaffG; 22 a Abs. 1 Nr. 6 a KWKG, 52 StGB) zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt worden. Hiergegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Die Strafkammer hat mit dem angefochtenen Urteil das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 08.08.2005 im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt wird.

Nach den Feststellungen zum Tatgeschehen in dem angefochtenen Urteil begab sich der Angeklagte anlässlich einer Feier in seiner Wohnung in der Silvesternacht 2003/2004 kurz nach Mitternacht in einem erheblich alkoholisierten Zustand mit seinem Sturmgewehr Typ G 3 auf den Balkon seiner Wohnung, die sich im Parterre des Hauses befindet. Das Sturmgewehr hatte der Angeklagte nach seinen eigenen Angaben vor einiger Zeit auf einer Waffenbörse erworben. Er war weder im Besitz einer Erlaubnis im Sinne des Waffengesetzes noch einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Zum selben Zeitpunkt wurde der Zeuge W., der sich mit seinem Sohn in der Nähe des Balkons des Angeklagten befand, um dort Knallkörper abzubrennen, von einem Metallgeschoss am linken Oberschenkel getroffen und verletzt. Die Zeugen E. und F. begaben sich daraufhin zu dem Balkon des Angeklagten, um ihn zur Rede zu stellen, da sie annahmen, dass das Geschoss von ihm stamme, was jedoch in Wirklichkeit nicht der Fall war. Als der Angeklagte die Zeugen auf den Balkon zulaufen sah, nahm er sein Gewehr in Anschlag, zielte auf den Zeugen F. und drückte ab. Ein Schuss wurde jedoch nicht ausgelöst, weil aufgrund von Veränderungen am Gewehr Patronenhülsen zwar gezündet, jedoch nicht in den Lauf getrieben werden konnten. In einem von dem Landeskriminalamt später erstellten Gutachten wurde festgestellt, dass aufgrund der technischen Veränderungen an dem Gewehr Patronen zwar gezündet, jedoch nicht scharf abgeschossen werden können. Dem Angeklagten wurde um 02.55 Uhr eine Blutprobe entnommen, die eine Blutalkoholkonzentration von 2,26 o/oo ergab.

Im Anschluss an diese Feststellungen heißt es in dem angefochtenen Urteil:

"Nach dem vom Amtsgericht festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gem. § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a sowie tateinheitlich wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gem. §§ 2 Abs. 2, 52 Abs. 3 Nr. 2 a Waffengesetz strafbar gemacht.

Zwar ist das Sturmgewehr Typ G 3 nicht mehr funktionsfähig, jedoch sind Teile der Waffe noch gebrauchsfähig. Dazu gehört der Verschluss. Damit ist die Waffe gemäß Nr. 35 der Kriegswaffenliste eine Kriegswaffe und unterfällt damit dem Kriegswaffenkontrollgesetz."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Essen.

Zweifelhaft ist bereits, ob das Landgericht überhaupt eine eigene Entscheidung über den Schuldausspruch getroffen hat. Nach dem Tenor des angefochtenen Urteils ist das amtsgerichtliche Urteil vom 08.08.2005 nur im Rechtsfolgenausspruch abgeändert worden, eine teilweise Zurückweisung der Berufung im Übrigen ist nicht erfolgt. Ohne eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch hätte die Strafkammer aber auch eine eigene Entscheidung darüber treffen müssen, ob der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Straftat schuldig ist. Von einer Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch ist die Strafkammer nach den Urteilsgründen nicht ausgegangen. Dort heißt es lediglich, Ziel der Berufung des Angeklagten sei es, zu einer geringeren Geldstrafe verurteilt zu werden. Der Angeklagte hat die Berufung mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15.08.2005 gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 08.08.2005 ohne Einschränkung eingelegt. Auch aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 05.05.2006 ergibt sich keine ausdrückliche Beschränkung des Rechtsmittels des Angeklagten. Der darin aufgeführte Antrag des Verteidigers des Angeklagten, das Urteil erster Instanz aufzuheben und in eine angemessene Geldstrafe abzuändern, lässt mit hinreichender Sicherheit den Rückschluss auf eine Beschränkung der Berufung nicht zu, abgesehen davon, dass eine solche nachträgliche Beschränkung als Teilrücknahme auszulegen wäre, die, da sie nach Beginn der Hauptverhandlung erfolgt wäre, gemäß § 303 StPO zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedurft hätte, die im Hauptverhandlungsprotokoll aber nicht vermerkt ist.

Abgesehen davon wäre hier eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch auch nicht wirksam gewesen, da das amtsgerichtliche Urteil ausreichende Feststellungen zum subjektiven Tatbestand der dem Angeklagten zur Last gelegten Verstöße gegen das Waffenrecht vermissen lässt. Hierin wird nämlich lediglich ausgeführt, dass der Angeklagte sich angesichts der technischen Veränderungen des Gewehrs nicht bewusst gewesen sei, dass dieses dem Waffengesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliege, er insoweit also nur fahrlässig gehandelt habe, ohne dass dieser Fahrlässigkeitsvorwurf näher begründet wird. Das Landgericht hätte daher eigene Feststellungen zur Sache treffen müssen. Nach dem Inhalt der Urteilsgründe ist aber zumindest zweifelhaft, ob dies durch die Strafkammer geschehen ist. Denn diese stützt sich in den Urteilsgründen auf den vom Amtsgericht festgestellten Sachverhalt. Zudem stimmt der in dem angefochtenen Urteil wiedergegebene Sachverhalt wörtlich mit den Feststellungen des Amtsgerichts zur Sache überein, ohne dass zusätzlich ausgeführt ist, dass das Landgericht zur Sache dieselben Feststellungen getroffen habe, wie seinerseits das Amtsgericht. Es ist daher davon auszugehen, dass das Landgericht eigene Feststellungen zu der dem Angeklagten vorgeworfenen Straftat nicht getroffen hat. Bereits aufgrund dieses Mangels konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Auch die Bewertung der Strafkammer, der Angeklagte habe sich durch das in den Urteilsgründen wiedergegebene Tatgeschehen wegen eines Verstoßes gemäß § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a KWKG sowie tateinheitlich wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz strafbar gemacht, hält einer rechtlichen Prüfung nicht Stand. Die Strafkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem – funktionsfähigen – Verschluss des Sturmgewehrs gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) i. V. m. Teil B Nr. 35 der Kriegswaffenliste um eine Kriegswaffe im Sinne des vorgenannten Gesetzes handelt. Gemäß § 57 Abs. 1 WaffG gilt das Waffengesetz aber für Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen nicht. Dies gilt auch für militärische Handfeuerwaffen, die Kriegswaffen im Sinne des KWKG sind (Teil B Nr. 29 Kriegswaffenliste). Nach früherem Recht (§ 6 Abs. 3 des Waffengesetzes in der ab dem 1. Juli 1976 geltenden Fassung) fand (noch) eine größere Anzahl der Erlaubnis- und Überprüfungsvorschriften des Waffengesetzes auf militärische Handfeuerwaffen Anwendung. Ein Bedürfnis hierfür ist aber entfallen, seitdem durch das Gesetz zur Änderung des Waffenrechts vom 31. Mai 1978 (BGBl. I, S. 641) das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen um Bestimmungen erweitert wurde, die den Interessen der öffentlichen Sicherheit dienen (Strafbarkeit des unbefugten Besitzes, Einziehungsmöglichkeit bei Unzuverlässigkeit) (vgl. BT-Drucks. 14/7758, S. 85; Apel in Apel/Bushart, Waffenrecht, Band 2 Waffengesetz, § 57 Rdnr. 5). Die Vorschrift des § 57 Abs. 1 S. 2 WaffG n. F. reduziert daher die Anwendbarkeit des Waffengesetzes hinsichtlich Kriegsschusswaffen nur auf wenige Überwachungsvorschriften. Darüber hinaus ist die Strafvorschrift des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG auf Zuwiderhandlungen von Personen anzuwenden, die ihre Kriegsschusswaffen entgegen dem Waffengesetz in der vor dem 1. Juli 1976 geltenden Fassung und dem Waffengesetz a. F. nicht angemeldet oder entgegen § 58 WaffG in der vorgenannten Fassung keinen Antrag gestellt haben (vgl. dazu Apel, a.a.O.). Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte gegen diese Vorschriften verstoßen hat.

Schließlich lässt das angefochtene Urteil auch ausreichende Ausführungen zur inneren Tatseite vermissen. Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen heißt es, dass die Kammer bedacht habe, dass der Angeklagte aufgrund der Stilllegung der Waffe im Übrigen davon ausgegangen sei, sie sei insgesamt nicht funktionsfähig. Gemeint ist ersichtlich, dass der Angeklagte davon ausgegangen sei, die Waffe sei insgesamt funktionsunfähig, da der vorgenannte Gesichtspunkt offensichtlich zugunsten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt worden ist. Fahrlässig hat der Angeklagte unter diesen Umständen nur dann gehandelt, wenn er bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die von ihm erworbene Waffe noch einen ordnungsgemäß funktionierenden Verschluss aufweist. Tatsächliche Feststellungen, aus denen sich eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung sowie eine Vorhersehbarkeit eines Verstoßes gegen § 22 a Nr. 6 a KWKG für den Angeklagten ergibt, hat die Strafkammer nicht getroffen. Nach der in den Urteilsgründen enthaltenen Sachverhaltsschilderung hat der Angeklagte allerdings, als er die Waffe auf die beiden auf ihn zukommenden Bekannten des Zeugen W. richtete, das Gewehr in Anschlag genommen und abgedrückt. Ob zu diesem Zeitpunkt das Sturmgewehr mit Platzpatronen bestückt war und infolge dessen auch eine Platzpatrone gezündet worden ist, wird in der Sachverhaltsschilderung in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt. Sollte allerdings Letzteres der Fall gewesen sein und ist die Waffe durch den Angeklagten geladen worden, hätte dieser erkennen können und müssen, dass das von ihm erworbene Sturmgewehr noch in wesentlichen Teilen funktionsfähig war, und er hätte sich angesichts dessen danach erkundigen müssen, ob er für den Besitz dieser Waffe einer Genehmigung oder einer Erlaubnis bedarf. Eine Fallgestaltung, wie oben erörtert, ist hier zwar naheliegend, der in den Urteilsgründen wiedergegebene Sachverhalt kann aber nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden, da - wie bereits oben dargelegt - zweifelhaft ist, ob das in den Urteilsgründen wiedergegebene Tatgeschehen auf Feststellungen beruht, die durch die Strafkammer selbst getroffen worden sind. Weitere Ausführungen zur Auslegung des in den Urteilsgründen geschilderten Sachverhalt erübrigen sich daher.

Schließlich ist anzumerken, dass die im Rahmen der Strafzumessung erfolgte Erwägung der Strafkammer, zu Lasten des Angeklagten falle ins Gewicht, dass er durch seine Verhaltensweise die Zeugen F. und E. erheblich in Angst und Schrecken versetzt habe, insoweit Bedenken bestehen, als der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in einem ganz erheblichen Maße alkoholisiert war. Nach der Schilderung des Tatgeschehens in den Urteilsgründen hat der Angeklagte die Waffe gegen Mitternacht auf die beiden Bekannten des Zeugen W. gerichtet. Die Entnahme der Blutprobe erfolgte gegen 02.55 Uhr. Bei Zugrundelegung eines maximalen stündlichen Abbauwertes von 0,2 o/oo zuzüglich eines einmaligen Sicherheitsabschlages von 02, o/oo (vgl. Lackner/Kühn, StGB, 25. Aufl., § 20 Rdnr. 23 a m.w.N.) ergibt sich eine Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zu dem Zeitpunkt, als er das Sturmgewehr in Anschlag nahm, von 3,06 o/oo. Bei einer derart wesentlichen alkoholbedingten Beeinträchtigung ist zwar noch nicht zwangsläufig von Schuldunfähigkeit, wohl aber von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten auszugehen. Diesen Gesichtspunkt hat die Strafkammer im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen nicht berücksichtigt.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Essen zurückzuverweisen.



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