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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 411/06 OLG Hamm

Leitsatz: Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das BtM-Gesetz kann das Revisionsgericht ohne Angaben zu der betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmenge des Rauschgifts nicht prüfen, inwieweit die verhängte Strafe rechtsfehlerfrei bemessen ist, da die Wirkstoffmenge einen wesentlichen Umstand für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Bestimmung des Schuldumfangs darstellt.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafzumessung; Verstoß gegen das BTM-Gesetz; Wirkstoffmenge; Angabe; Überprüfbarkeit des tatrichterlichen Urteils;

Normen: StPO 267

Beschluss:

Strafsache
gegen T.H.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 14.06.2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 12. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft bzw. auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 14.06.2006 wegen unerlaubten Erwerbs von Amphetamin zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,- € verurteilt worden.

Nach den Urteilsfeststellungen, die auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten beruhen, erwarb dieser am 11.10.2005 in Gelsenkirchen ca. 4 g Amphetamin zum Preis von 50,- €, das zum Eigenverbrauch des Angeklagten bestimmt war. Anlässlich einer polizeilichen Kontrolle am 13.10.2005 in Bochum konnten 1,64 g des erworbenen Amphetamins sichergestellt werden.

Nach den weiteren Urteilsausführungen ist aufgrund der geringen Menge des Betäubungsmittels eine Mengenbestimmung der Wirkstoffmenge nicht erfolgt.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht u.a. wie folgt begründet:

"Strafmildernd war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zur Aufklärung des Sachverhaltes durch Benennung des Verkäufers beigetragen hat. Aufgrund der Gesamtumstände besteht jedoch keine Veranlassung, gemäß § 31 BtMG von einer Bestrafung abzusehen. Die erworbene Menge war nicht ganz unerheblich und auch nicht "gering" im Sinne von § 29 Absatz fünf BtMG. Der Angeklagte ist darüberhinaus bereits einmal strafrechtlich wegen einer vorsätzlichen Straftat in Erscheinung getreten. Unter Abwägung der für und gegen ihn sprechenden Gesichtspunkte hat das Gericht daher auf eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 25 € erkannt."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Revision hat in der Sache zumindest teilweise vorläufig Erfolg. Sie führt zur einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und im Umfang der Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Gelsenkirchen.

1. Die materiell-rechtliche Überprüfung des Schuldausspruches hat einen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht ergeben. Insoweit war daher die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

Der Amtsrichter hat keine Feststellungen zur Qualität und zur Wirkstoffmenge des Amphetamins getroffen, das der Angeklagte erworben hat. Damit hat der Tatrichter einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand außer Betracht gelassen. Ohne Angaben zu der betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmenge des Rauschgifts vermag das Revisionsgericht nicht zu prüfen, inwieweit die verhängte Strafe rechtsfehlerfrei bemessen ist, da die Wirkstoffmenge einen wesentlichen Umstand für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Bestimmung des Schuldumfangs darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.12.2005 - 5 StR 439/05 -, veröffentlicht in www.hrr-strafrecht.de). Entsprechende Feststellungen wären hier wohl auch möglich gewesen, da ein Teil der von dem Angeklagten erworbenen Drogen sichergestellt worden ist.

Ohne eine Bestimmung des Wirkstoffgehalts der von dem Angeklagten zum Eigenverbrauch erworbenen Drogen konnte auch keine Prüfung dahingehend erfolgen, ob es sich bei den 4 g Amphetamin um eine geringe Menge i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG gehandelt hat. Denn auch die „geringe Menge“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist nicht mit der Gewichtsmenge, sondern mit der Wirkstoffmenge der vorgefundenen Drogen zu bestimmen (vgl. BGH NStZ 1991, 591).

Auch die Ausführungen des Amtsrichters bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang dem Angeklagten eine Anwendung des § 31 BtMG zugute kommen könnte, erweisen sich insoweit als fehlerhaft, als der Tatrichter maßgebend darauf abgestellt hat, dass es sich bei dem von dem Angeklagten erworbenen Amphetamin nicht um eine "geringe Menge" i.S.d. § 29 Abs. 5 StGB gehandelt habe, ohne aber Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der hier in Rede stehenden Drogen getroffen zu haben. Darüber hinaus werden der Aufklärungsbeitrag des Angeklagten sowie ein dadurch verursachter Aufklärungserfolg in den Urteilsgründen nur unzureichend dargelegt mit der Folge, dass dem Senat keine Überprüfung dahingehend möglich ist, ob das Amtsgericht hier im Ergebnis ermessensfehlerfrei zu der Entscheidung gelangt ist, dass für ein Absehen einer Bestrafung des Angeklagten nach § 31 Abs. 1 BtMG keine Veranlassung bestehe.

Im Rahmen der Strafzumessung hätte außerdem zugunsten des Angeklagten mildernd berücksichtigt werden müssen, dass er die Drogen ausschließlich zum Eigenbedarf erworben und ein Teil von ihnen bereits nach nur kurzer Besitzzeit des Angeklagten sichergestellt worden ist.

Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils konnte daher keinen Bestand haben.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass Feststellungen zu dem Wirkstoffgehalt der von dem Angeklagten erworbenen Drogen - unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes - mit hinreichender Genauigkeit auch dann möglich sind, wenn, wovon auszugehen ist, die sichergestellten Betäubungsmittel hier nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Tatrichter muss dann unter Berücksichtigung anderer hinreichend feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis und Beurteilung der Betäubungsmittel durch Tatbeteiligte und letztlich unter Anwendung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" feststellen, von welchem Wirkstoffgehalt und damit von welcher Qualität des Betäubungsmittels (mindestens) auszugehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.05.2001 - 3 StR 36/01 - sowie Beschluss vom 29.07.2000 - 4 StR 202/00 -; BayObLG NStZ 2000, 210).



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