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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 549/06 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen, wenn eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (hier: Kopfstoß) begangen worden sein soll.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Körperverletzung; gefährliche; das Leben gefährdende Behandlung;

Normen: StGB 224

Beschluss:

Strafsache
gegen R.P.
wegen gefährlicher Körperverletzung

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
- Strafrichter - Bielefeld vom 21. September 2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 12. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts
- Strafrichter - Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 21. September 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Nach den Feststellungen war es in der Nacht von Freitag, den 21. Oktober 2005, auf Samstag, den 22. Oktober 2005, in der Gaststätte "B." in der N.straße 52 in Bielefeld anlässlich eines Oktoberfestes zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen R. gekommen. Bei einem weiteren Aufeinandertreffen des Angeklagten und des Zeugen R. bezeichnete dieser die Ehefrau des Angeklagten als "Nutte"; woraufhin es zwischen dem Angeklagten, dem Zeugen R. sowie den Zeugen S. und E. zu einer tätlichen Auseinandersetzung kam, durch die der Zeuge S. und die Zeugin E. geringfügige Verletzungen erlitten. Zum weiteren - engeren - Tatgeschehen hat die Strafrichterin Folgendes festgestellt:

"Nach circa zehn bis fünfzehn Minuten, in denen die Beteiligten sich voneinander entfernten hatten, führte der Angeklagte ein längeres Gespräch mit dem Zeugen S., in dem beide sich aussprachen. Der Angeklagte ging daraufhin mit einer Versöhnungsgeste mit weit ausgebreiteten Händen auf den Zeugen R. zu. Ohne weitere Vorankündigung nahm er den Kopf des Zeugen R. in beide Hände und stieß seine Stirn gegen die Nase des Zeugen R.. Dieser erlitt dadurch eine Nasenbeinfraktur, die längere Zeit behandelt werden mußte. Der Zeuge hatte dadurch nicht unerhebliche Schmerzen, die der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Der Angeklagte war zum Vorfallszeitpunkt alkoholisiert."

Die Kopfnuss des Angeklagten gegen den Zeugen R. hat das Amtsgericht als eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) gewertet und den Angeklagten deshalb unter Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB, jedoch unter Verneinung eines minder schweren Falles zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechtes rügt.

II.
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Bielefeld.
Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht. Ob eine Körperverletzung lebensgefährdend ist, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles, also unter Berücksichtigung der individuellen Schädlichkeit der Einwirkung gegen den Körper des Verletzten beurteilt werden (vgl. OLG Düsseldorf JZ 1995, 908; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., Rdnr. 12, 12 a zu § 224 m.w.N.). Dabei braucht die Behandlung im Einzelfall das Leben nicht konkret gefährdet zu haben; es genügt, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls dazu geeignet ist (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., BGHSt StV 1993, 26; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu Recht weist die Revision unter Bezugnahme auf den vorgenannten Beschluss des OLG Düsseldorf vom 11.08.1995 (JZ 95, 908) darauf hin, dass zwar ein wuchtig gegen den Kopf des Verletzten geführter Kopfstoß lebensgefährdend sein kann, insbesondere wenn er gegen die Schläfe oder so heftig geführt wird, dass es zu einem Schädelbruch oder zu Gehirnblutungen kommen kann. Erforderlich sind jedoch Feststellungen dazu, dass der Kopfstoß von einer entsprechenden Gefährlichkeit gewesen ist, insbesondere im Hinblick auf die Wucht und die genaue Art der eingetretenen Verletzungen. Hierzu sind die seitens des Amtsgerichts getroffenen Feststellungen nicht ausreichend, da sie sich zur Wucht des Kopfstoßes in keiner Weise verhalten und hinsichtlich der verursachten Verletzung offen bleibt, ob diese möglicherweise geeignet war, das Leben des Geschädigten - etwa durch zu befürchtende Gehirnblutungen - zu gefährden. Der dargetane Nasenbeinbruch ist insoweit nicht hinreichend präzisiert, da unklar bleibt, ob der Bruch im Bereich des unteren Nasenbeins erfolgt ist oder direkt am Schädel; letzterenfalls kann die Gefahr des Eintritts von Gehirnblutungen durchaus nahe liegen. Da die Urteilsgründe die entsprechenden näheren Feststellungen vermissen lassen, tragen sie den Schuldausspruch wegen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nicht.
Soweit vorliegend eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Ziffer 3 StGB mittels eines hinterlistigen Überfalls in Betracht kommt, weil der Angeklagte mit einer ausladenden Versöhnungsgeste auf den Zeugen R. zugegangen ist, bevor er diesem den Kopfstoß versetzte, sind die Feststellungen ebenfalls nicht ausreichend, um einen entsprechenden Schuldspruch zu rechtfertigen. Den Feststellungen kann nämlich nicht entnommen werden, ob die Voraussetzungen eines hinterlistigen Überfalls vorgelegen haben. Ein Überfall ist ein Angriff auf den Verletzten, dessen er sich nicht versieht und auf den er sich nicht vorbereiten kann; hinterlistig ist der Überfall, wenn sich die Absicht des Täters, dem anderen die Verteidigungsmöglichkeiten zu erschweren, äußerlich manifestiert, wenn der Täter also planmäßig seine Verletzungsabsicht verbirgt (Tröndle/Fischer, a.a.O. Rdnr. 10 zu § 224 m.w.N.). Entsprechende Feststellungen sind dem angefochtenen Urteil weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht zu entnehmen. Angesichts des Vorgeschehens der Tat, bei der es bereits zu einer verbalen und einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen war, ist es durchaus naheliegend, dass der Zeuge R. nicht ahnungslos war als der Angeklagte sich diesem mit einer Versöhnungsgeste näherte. Angaben des Zeugen R. hierzu sind dem angefochtenen Urteil nicht ausgeführt; auch die im Rahmen der Beweiswürdigung mitgeteilten Angaben der übrigen Zeugen sind hierzu nicht ergiebig.
Bereits aufgrund vorbezeichneter Mängel unterliegt das Urteil der Aufhebung.

Aber auch im Rechtsfolgenausspruch waren die Ausführungen des Amtsgerichts nicht haltbar, worauf der Senat im Hinblick auf die neue Verhandlung und Entscheidung in der Sache vorsorglich hinweist. Soweit das Amtsgericht im Hinblick auf die Alkoholisierung des Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen hat und die Strafe zu mildern beabsichtigte, hat es diese Milderung bei Bemessung der Strafe nicht umgesetzt. Aufgrund der Milderung wäre die Strafe einem Strafrahmen von einem Monat Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis sieben Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe zu entnehmen gewesen (§§ 49 Abs. 1
Nr. 3, 38 Abs. 2 StGB). Das Amtsgericht geht jedoch von einem "Mindest-strafrahmen von sechs Monaten" aus, der der Milderung nach §§ 21, 49 StGB nicht Rechnung trägt.
Unabhängig hiervon ist auch die Erörterung des Nichtvorliegens eines minder schweren Falles unzureichend, da sie sich in keiner Weise mit den dem eigentlichen Tatgeschehen vorangegangenen Streitigkeiten sowohl verbaler als auch tätlicher Art einschließlich der festgestellten Beleidigung der Ehefrau des Angeklagten durch den Geschädigten auseinandersetzt.

Es war mithin wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich zu entscheiden.



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