Aktenzeichen: 2 Ws 1/06 OLG Hamm |
Leitsatz: Auch der wegen Verdunkelungsgefahr erlassene Haftbefehl kann gegen Leistung einer Kaution außer Vollzug gesetzt werden. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Haftbefehl ; Fluchtgefahr; Verdunkelungsgefahr; Außervollzugsetzung; Kaution |
Normen: StPO 112; StPO 113 |
Beschluss: Strafsache gegen S.K. wegen Steuerhinterziehung (hier: Weitere (Haft-)Beschwerde).Auf die weitere (Haft-)Beschwerde des Beschuldigten vom 02. Januar 2006 - beim Senat eingegangen am 16. Januar 2006 - gegen den Beschluss der 12. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 22. Dezember 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. 01. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Die Haftbeschwerde wird auf Kosten des Beschuldigten mit der folgender Maßgabe verworfen. Der Vollzug des Haftbefehls des Amtsgerichts Bochum vom 18. Oktober 2005 (64 Gs 4708/05) wird unter folgenden Auflagen außer Vollzug gesetzt: Der Beschuldigte hat unter folgender Anschrift Wohnung zu nehmen: und jede Wohnsitzänderung der Staatsanwaltschaft Bochum mitzuteilen. Der Beschuldigte darf bis auf weiteres das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen. Reisen innerhalb Deutschlands, die länger als drei Tage dauern, sind vorher der Staatsanwaltschaft Bochum anzuzeigen. Der Beschuldigte darf bis auf weiteres ggf. beantragte neue Personalpapiere nicht vom Einwohnermeldeamt in Empfang nehmen. Der Beschuldigte hat allen Ladungen von Gerichten und Staatsanwaltschaft Folge zu leisten. Der Beschuldigte hat sich zweimal wöchentlich, und zwar Montags und Donnerstags bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden. Der Beschuldigte hat eine Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 EURO zu erbringen. Die Sicherheitsleistung kann durch unwiderrufliche selbstschuldnerische Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse oder durch Hinterlegung beim Amtsgericht Bochum erbracht werden. Er darf ohne vorherige Zustimmung der Staatsanwaltschaft Bochum oder nach Anklageerhebung der zuständigen Strafkammer zu folgenden Personen weder selbst noch durch Dritte Verbindung aufnehmen sowie keinen persönlichen Kontakt haben: , Sollte eine der genannten Personen versuchen, zu ihm Verbindung aufzunehmen, so hat er dies unverzüglich der Staatsanwaltschaft Bochum oder der zuständigen Strafkammer anzuzeigen und den Kontaktaufnahmeversuch abzubrechen. Vorstehende Einschränkungen gelten nicht für eigenverantwortliche Handlungen seiner Verteidiger. Die Sicherheit verfällt insbesondere auch dann, wenn der Beschuldigte einer der unter Nr. 6 und 7 erteilten Auflagen zuwider handelt. Gründe: Der Beschuldigte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bochum vom 18. Oktober 2005 (64 Gs 4708/05) in Untersuchungshaft. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft Steuerhinterziehung zur Last gelegt. Der Beschuldigte soll in den Jahren 2000 und 2001 als Verantwortlicher der Firma Abbruchunternehmen PPP. Umsatzsteuern in Höhe von rund 58.000 hinterzogen haben. Es wird ihm außerdem vorgeworfen, in den Jahren 2001 und 2004 als Geschäftsführer der Firma OOO. Umsatz- und Lohnsteuern in Höhe von rund 187.000 hinterzogen zu haben. Der Beschuldigte ist am 24. November 2005 festgenommen worden. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Essen. In einem Haftprüfungstermin hat das Amtsgericht am 30. November 2005 den Haftbefehl vom 18. Oktober 2005 aufrecht erhalten. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten hat die Strafkammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich nunmehr noch das weitere Rechtsmittel des Beschuldigten, dem die Strafkammer nicht abgeholfen hat. II. Die weitere (Haft)Beschwerde ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, sondern war aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt sind, zu verwerfen. Zur Begründung seiner Entscheidung macht sich der Senat die eingehende und sorgfältige Begründung des Beschlusses der Strafkammer vom 22. Dezember 2005 zu eigen und tritt dieser bei. Die Stellungnahme des Verteidigers vom 20. Januar 2006 gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin: Insbesondere ist es zutreffend, dass die Strafkammer dringenden Tatverdacht hinsichtlich der dem Beschuldigten zur Last gelegten beiden Taten der Steuerhinterziehung angenommen hat. Die Steuerhinterziehung als Verantwortlicher der Fa. Abbruchunternehmen PPP. hat der Beschuldigte dem Grunde nach eingeräumt. Hinsichtlich der Steuerhinterziehung als Geschäftsführer der Fa. OOO. wird er von dem Mitbeschuldigten Y. belastet. Ein Grund, warum dieser sich und den Beschuldigten zu Unrecht belasten sollte, ist für den Senat nicht erkennbar. Der Senat sieht auch - entgegen der Auffassung des Verteidigers - hinsichtlich der Angaben des Mitbeschuldigten kein sich aus § 136a StPO ergebendes Beweisverwertungsverbot. Dieses soll sich nach Auffassung des Verteidigers unter Hinweis auf BGHSt 20, 268 daraus ergeben, dass Y. von der Staatsanwaltschaft für den Fall eines Geständnisses die Haftentlassung zugesagt worden sei. Das ist für den Senat nicht erkennbar. Es erschließt sich auch nicht aus den beiden in Fotokopie beigefügten Faxschreiben des Mitbeschuldigten vom 20. und. 22. November 2005. Diesen kann zwar entnommen werden, dass offenbar ein Termin zur Besprechung einer Absprache zwischen Y. und der Staatsanwaltschaft statt gefunden hat, über den Inhalt der Absprache, insbesondere über die Kombination Geständnis gegen Haftentlassung enthalten die Faxschreiben jedoch keine Angaben. Der Senat tritt der Strafkammer auch hinsichtlich der Annahme von Flucht- und Verdunkelungsgefahr als Haftgründe im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO bei. Zwar ist der angerichtete Steuerschaden mit rund 245.000 nicht so hoch wie in vergleichbaren anderen Verfahren mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Beschuldigte bereits zweimal strafrechtlich, und zwar auch einschlägig, in Erscheinung getreten und er zuletzt am 14. Januar 2001 wegen Steuerhinterziehung in 12 Fällen zu eine Gesamtgeldstrafe von 450 Tagessätzen verurteilt worden ist. Das lässt eine nicht unerhebliche Freiheitsstrafe erwarten, die erfahrungsgemäß einen nicht unerheblichen Fluchtanreiz darstellt. Ob dieser durch ausreichende persönliche Bindungen des Beschuldigten beseitigt wird. kann letztlich dahinstehen. Denn zumindest ist die Annahme von Verdunkelungsgefahr im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO berechtigt. In dem Zusammenhang weist der Senat allerdings darauf hin, dass diese nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht (allein) damit begründet werden kann, dass bereits die Taten des Beschuldigten von vornherein auf Verdunkelung angelegt waren (vgl. dazu Senat in StV 2002, 205 = wistra 2002, 236 mit weiteren Nachweisen). Die übrigen von der Strafkammer im Beschluss vom 22. Dezember 2005 dargelegten Umstände rechtfertigen jedoch den Verdacht, dass der Beschuldigte durch Handlungen auf persönliche Beweismittel einwirken und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschweren werden wird. Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Schreiben der potenziellen Zeugen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dass die Schreiben in Anwesenheit der aufgeführten Verfasser geschrieben worden sein sollen, schließt eine Beeinflussung durch den Beschuldigten hinsichtlich des Inhalts nicht aus. Der Senat ist allerdings nach Abwägung aller Umstände der Auffassung, dass vorliegend sowohl der bestehende Fluchtanreiz und die damit grundsätzlich gegebene Fluchtgefahr als auch die Verdunkelungsgefahr durch die im Tenor angeführten Maßnahmen und Einschränkungen so erheblich gemindert werden kann, dass es des weiteren Vollzuges der Untersuchungshaft nicht mehr bedarf (§ 116 Abs. 2 StPO). Dabei erschien es dem Senat jedoch erforderlich, dem angeordneten Kontaktverbot mit den genannten Zeugen bzw. Mitbeschuldigten dadurch besonderen Nachdruck zu verleihen, dass der neben einer erneuten Inhaftierung dann drohende Verfall der Sicherheitsleistung den Beschuldigten von einem Verstoß gegen die Auflagen abhalten wird. Angesichts der sich aus den Akten ergebenden persönlichen Umstände des Beschuldigten erschien der insoweit festgesetzte Betrag von 100.000,- zum Erreichen dieses Ziels und zur ausreichenden Minderung der Verdunkelungsgefahr unbedingt erforderlich. Die Maßnahme ist im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch zulässig (vgl. Senat im Beschluss vom 3. September 2001 in 2 BL 152/01, StraFo 2001, 397 = StV 2001, 688 unter Hinweis auf OLG Hamburg MDR 1974, 595 sowie NJW 1966, 1329; KK-Boujong, StPO, 4. Aufl., § 116 Rdnr. 19 m.w.N.; Hohlweck NStZ 1998, 600 ff.). Nach Auffassung des Senats besteht kein Anlass zu der vom Verteidiger mit Schreiben vom 23. Januar 2005 angeregten persönlichen Rücksprache . Abgesehen davon, dass eine solche Verfahrensweise in der StPO nicht vorgesehen ist, hat der Senat den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt und hat damit dem Anliegen des Beschuldigten und dem seines Verteidigers auch dieser hatte eine Außervollzugsetzung angeregt - weitgehend entgegengekommen.] |
zur Startseite "Rechtsprechung"
zum SuchformularDie Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".