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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ss OWi 814/06 OLG Hamm

Leitsatz: Zur ausreichenden Begründung der Rechtsbeschwerde, mit der geltend gemacht wird, der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt, dass ein Ablehnungsantrag des Betroffene in rechtswidriger Weise verworfen worden sei.

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Rechtsbeschwerde; Begründung; rechtliches Gehör; Verletzung; Ablehnungsantrag;

Normen: StPO 344; OWiG 80

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen T.W.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 29. September 2006 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 25. September 2006 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 01. 2007 durch den Richter am Amtsgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund hat mit Bußgeldbescheid vom 8. Februar 2006 gegen den Betroffenen wegen verbotswidrigen Benutzens eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer eine Geldbuße von 60,- € festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Dortmund mit Urteil vom
25. September 2006 verworfen. In den Urteilsgründen wird hierzu ausgeführt:

"Der Betroffene ist in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben.
Dem Verteidiger war eingeräumt worden, dass das Gericht bis um 13:30 Uhr wartet. Weder der Betroffene noch der Verteidiger waren bis zum 13.47 Uhr erschienen.
Der Einspruch ist daher nach § 74 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verworfen worden."

Aus der Akte ergibt sich hierzu Folgendes:
Das Amtsgericht hat auf den Einspruch des Betroffenen Termin zur Hauptverhandlung auf den 25. September 2006 anberaumt. In einem Telefonat vom 22.09.2006 zwischen dem Verteidiger und dem Vorsitzenden teilte der Vorsitzende mit, dass einer der geladenen Zeugen zu dem Termin nicht erscheinen werde. Aufgrund dieses Umstandes wurde die Möglichkeit einer Terminsverschiebung erörtert, welche jedoch vom Vorsitzenden abgelehnt wurde. Ferner empfahl der Vorsitzende dem Verteidiger, den Einspruch zurückzunehmen, da dieser aufgrund der gezielten Überwachung durch die Polizei chancenlos sei.
Daraufhin lehnte der Betroffene durch seinen Verteidiger den Vorsitzenden mit Schriftsatz vom 22. September 2006 - beim Amtsgericht Dortmund eingegangen am 25. September 2006 um 08.16 Uhr - wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Er begründete diesen Antrag im Wesentlichen mit dem Gesprächsinhalt des Telefonats vom 22. September 2006 und der dort vom Vorsitzenden getätigten Äußerung, dass der Einspruch "zu 99 % keine Chance" habe. Zugleich beantragte er, vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters zur Verfügung gestellt zu bekommen und den Hauptverhandlungstermin vom gleichen Tag bis zur Entscheidung über den Befangenheitsantrag aufzuheben. Noch am gleichen Tag verfasste der Vorsitzende eine dienstliche Äußerung, in welcher er die Angaben des Betroffenen aus dem Ablehnungsgesuch im Wesentlichen bestätigte. Mit Beschluss vom 25. September 2006 wurde der Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden als unbegründet zurückgewiesen, da keiner der vorgebrachten Gründe in irgendeiner Weise eine Befangenheit erkennen lassen würden und der Antrag offensichtlich nur der Verhinderung der Durchführung des Hauptverhandlungstermins vom gleichen Tage dienen solle. Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger des Betroffenen taggleich um 11:36 Uhr per Fax übermittelt, woraufhin dieser den Vorsitzenden Richter erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnte und darauf hinwies, dass ihm dessen dienstliche Stellungnahme bislang noch nicht zugegangen sei. Dieser Schriftsatz ging beim Amtsgericht Dortmund erst nach dem Hauptverhandlungstermin am 25. September 2006 um 14.17 Uhr ein. Aufgrund weiterer Verfügung vom 29. September 2006 wurde sodann die Übersendung der zuvor gefertigten dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden am 02.10.2006 ausgeführt.
Im Hauptverhandlungstermin vom 25. September 2006, zu dem weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen verworfen.
Gegen dieses, dem Betroffenen am 28.09.2006 zugestellte Verwerfungsurteil hat der Betroffene mit Schreiben seines Verteidigers vom 29. September 2006, eingegangen am 2. Oktober 2006, Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Diesen Antrag hat der Verteidiger mit weiterem Schriftsatz vom 3. November 2006 begründet. Er rügt Verfahrensfehler, die er insbesondere darin sieht, dass das Amtsgericht ihm vor der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch die dienstliche Äußerung des Vorsitzenden nicht hat zukommen lassen. Ferner erhebt er die Sachrüge in allgemeiner Form.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war als unbegründet zu verwerfen, da die Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise erhoben und die Sachrüge nicht begründet ist.

1. Auch bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten i.S.d. § 80 Abs. 2 OWiG kann der Zulassungsantrag auf die Versagung des rechtlichen Gehörs gestützt werden, da dieser Zulassungsgrund gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG durch die Vorschrift des
§ 80 Abs. 2 OWiG nicht eingeschränkt wird (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1992, 43; OLG Köln NStZ 1988, 31; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rdnr. 16 i).
Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzwidrigkeit der Verwerfung seines Ablehnungsgesuches geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht jedoch nicht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (Göhler, a.a.O., § 79 Rdnr. 27 d). Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gibt einen Anspruch darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen und dem Betroffenen nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (OLG Köln, NZV 1999, 64; 1992, 419). Da der Anspruch auf rechtliches Gehör aber nur dann verletzt ist, wenn die erlassene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Partei hat (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811), müssen in der Begründungsschrift konkret die Tatsachen dargelegt werden, anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann (vgl. BGHSt 30, 331; OLG Köln NZV 1992, 419). Für die Ablehnungsrüge folgt hieraus, dass im Rahmen der Revisionsbegründung neben dem Wortlaut des Ablehnungsantrages und des verwerfenden bzw. des zurückweisenden Beschlusses, auch der Inhalt der dienstlichen Äußerung nach § 26 Abs. 3 StPO mitgeteilt werden muss (Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 28 Rdnr. 6 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Betroffenen in mehrfacher Hinsicht nicht.
Die Antragsschrift beschränkt sich darauf, lediglich den Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden vom 22.09.2006 wiederzugeben. Eine Wiedergabe der für diesen Antrag maßgeblichen und vorgetragenen Gründe erfolgt weder wörtlich noch seinem wesentlichen Inhalt nach. Dieser Mangel des Rechtsbeschwerdevorbringens wird auch nicht durch die wörtliche Wiedergabe des weiteren Ablehnungsgesuches vom 25.09.2006 geheilt. Dieser Antrag wurde durch den Betroffenen erst nach durchgeführter Hauptverhandlung und Verkündung des Urteils beim Amtsgericht Dortmund angebracht. Er kann daher für die Frage, ob eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor Urteilsverkündung stattgefunden hat, ersichtlich keine Rolle mehr spielen.
Darüber hinaus lässt das Antragsvorbringen auch die Wiedergabe der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden gemäß § 26 Abs. 3 StPO vermissen. Das war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Betroffene der Auffassung ist, eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters sei nicht eingeholt worden. Dies entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der abgelehnte Richter hatte sich am 25.09.2006 zum Ablehnungsgesuch geäußert. Der Inhalt der dienstlichen Äußerung ist dem Verteidiger des Betroffenen - wenn auch erst nach Urteilsverkündung - am 02.10.2006 übermittelt worden. Vor diesem Hintergrund bedarf es eines näheren Eingehens auf die Frage, ob in der unterbliebenen Unterrichtung über den Inhalt der dienstlichen Äußerung vor der Beschlussfassung über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sehen wäre, nicht. Dies dürfte zudem in der Regel dann zu verneinen sein, wenn die dienstliche Äußerung keine von dem Ablehnungsgesuch abweichende Tatsachen enthält, die der Entscheidung über das Ersuchen zugrunde gelegt wurden (Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 26 Rdnr. 8; Beschluss des OLG Köln vom 18.09.1972, JMBl NRW 1973, 63, 64). Solche inhaltlichen Abweichungen sind jedoch nicht ersichtlich.


2.
Die vom Betroffenen in zulässiger Weise erhobene Sachrüge hat in der Sache keinen Erfolg. Bei einer Einspruchsverwerfung gemäß § 74 Abs. 2 OWiG führt die Sachrüge lediglich zur Prüfung des Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung bzw. des Vorliegens von Verfahrenshindernissen (Göhler, a.a.O., § 74 Rdnr. 48 b). Beides ist jedoch nicht ersichtlich. Eine weitergehende Überprüfung des Urteils in materiell-rechtlicher findet nicht statt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.



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