Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 871/06 OLG Hamm |
Leitsatz: Die Strafvollstreckungskammer muss in Strafvollzugssachen das Begehren des Gefangenen, den Sachverhalt und die entscheidungserheblichen Tatsachen so vollständig wiedergeben, dass anhand dieser Feststellungen eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht möglich ist. Daran hat sich durch die Neufassung des § 115 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz durch das am 01. April 2005 in Kraft getretene 7. Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 23. März 2005 im Grundsatz nichts geändert. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Strafvollzugssache |
Stichworte: Strafvollzugssache; Entscheidung der Strafvollstreckungskammer; Anforderungen an die Begründung der Entscheidung; |
Normen: StVollzG 115 |
Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den Strafgefangenen F.O., wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden (hier: Verhängung von Disziplinarmaßnahmen) Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 29. November 2006 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 17. November 2006 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 01. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen einstimmig beschlossen: Der angefochtene Beschluss wird bezüglich der verhängten Einkaufssperre ( Anträge zu Ziff. 1 und 2 a ) aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Entscheidung , auch über Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen. Gründe: I. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Anträge des Betroffenen vom 04. April 2006 und 11. April 2006 zurückgewiesen, mit denen er sich gegen Disziplinarmaßnahmen wendet, die gegen ihn aufgrund einer ihm vorgeworfenen Urkundenfälschung verhängt worden sind. Im Einzelnen hat der Betroffene beantragt: "1. Die Entscheidung des Leiters der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen vom 02. Februar 2006 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der Verfügung festzustellen, 2. den Leiter der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen zu verpflichten: a) die verhängte Disziplinarstrafe aufzuheben und den zu diesem Zweck gesperrten Einkaufsbetrag von 50,00 wieder dem Eigengeldkonto des Verurteilten zuzufügen, b) die Ablösung des Verurteilten von der Schulausbildung vom 11. Januar 2006 bis zum 02. Februar 2006 als unver- hältnismäßig und rechtswidrig festzustellen und den Leiter der Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, ergangene Aus- bildungsbezüge nachzuentrichten und Freistellungstage anzurechnen." Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrem Beschluss folgenden Sachverhalt festgestellt: "Entsprechend der Stellungnahme des Leiters der Justiz- vollzugsanstalt Gelsenkirchen vom 26. Oktober 2006 wurde der Betroffene aufgrund eines am 11. Januar 2006 eingeleiteten Disziplinarverfahrens am gleichen Tage von seiner Tätigkeit als GMV-Sprecher und als Schüler der Schulabteilung (Aufschlussabteilung) vorläufig abgelöst. Im zitierten Schreiben hat der Leiter der Justizvollzugsan- stalt Gelsenkirchen ausgeführt, dass es sich dabei um eine vorläufige Maßnahme bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts gehandelt habe. Am darauffolgenden Tag, dem 12. Januar 2006, wurde der Betroffene sodann zur stationären Behandlung in das Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg verlegt und kehrte von dort am 27. Januar 2006 in die Justizvollzugs- anstalt Gelsenkirchen zurück. Am 02. Februar 2006 wurde dem Betroffenen durch den zuständigen Abteilungsleiter die Disziplinarentscheidung vom gleichen Tag - es war eine Einkaufssperre in Höhe von 50,00 verhängt worden - eröffnet. Dem Betroffenen wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass die vorläufige Ablösung vom Schulbetrieb aufgehoben ist und er folglich am Unterricht und am Aufschluss der Schulabteilung fortan wieder teilnehmen kann. Von seiner Tätigkeit als GMV-Sprecher blieb der Betroffe- ne weiterhin vorläufig abgelöst. Dies hatte seine Ursache darin, dass dem Abteilungsleiter zu dieser Problematik eine Entscheidung des Anstaltsleiters angezeigt erschien. Dies mit Rücksicht darauf, dass der GMV-Sprecher als Bindeglied zwischen den Insassen und der Anstaltsleitung fungiert und ihm in dieser Funktion Verantwortung zuge- wiesen ist. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Gelsen- kirchen hat in seiner Stellungnahme hierzu ausgeführt, dass der GMV-Sprecher das Vertrauen der Anstaltsleitung besitzen muss und dass dieses Vertrauen nur dann ent- gegengebracht werden kann, wenn sich der Sprecher korrekt und loyal verhält und sich auch im Übrigen an die Regeln der Justizvollzugsanstalt hält. Dadurch, dass der Betroffene in den Verdacht geraten war, eine Urkunde gefälscht zu haben, stand seine Bereit- schaft, sich korrekt zu verhalten, zumindest in Frage. Vor diesem Hintergrund ist es keinesfalls zu beanstanden, wenn der Abteilungsleiter gleichwohl eine endgültige Ablö- sung des Betroffenen für nicht angezeigt hielt und gegen- über dem Anstaltsleiter allein die Anregung erfolgte, den Betroffenen zu ermahnen, ihn aber die Funktion des GMV- Sprechers weiter ausüben zu lassen. Diesem Vorschlag ist der Anstaltsleiter gemäß seiner Stellungnahme vom 26. Oktober 2006 gefolgt. Er hat nach seinem am 14. Februar 2006 mit dem Betroffenen geführten Gespräch verfügt, dass dieser weiterhin seine Funktion als GMV-Sprecher ausüben könne. Damit waren - worauf der Leiter der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen zu Recht hinweist - sämtliche vorläufig an- geordneten Maßnahmen aufgehoben." Zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen habe den Widerspruch des Betroffenen als unbegründet zurückgewiesen, da angesichts der Tatsache, dass der Gefangene schuldhaft gegen seine Pflichten verstoßen habe, die Verhängung einer Einkaufssperre nicht zu beanstanden sei. Diese Argumentation begegne insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Disziplinarmaßnahmen lediglich vorläufigen Charakter gehabt hätten, keinen Bedenken. Ergänzend weist die Strafvollstreckungskammer darauf hin, dass sie bei ihrer Entscheidung nicht davon ausgegangen sei, dass der Betroffene tatsächlich eine Urkundenfälschung begangen habe. Die Disziplinarmaßnahmen seien schon deshalb geboten gewesen, weil der Betroffene in den Verdacht geraten sei, eine entsprechende Straftat begangen zu haben. Nach Klärung des Sachverhalts seien die zu Recht angeordneten vorläufigen Maßnahmen umgehend wieder aufgehoben worden. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde vom 29. November 2006, mit der er u. a. rügt, dass der Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben sei, da er weder den Sachverhalt und die vorgetragenen Beweismittel sowie die Anträge nicht vollständig wiedergäbe und damit einer rechtlichen Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen sei. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass angesichts der Tatsache, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass sie nicht davon ausgegangen sei, dass er den vorgeworfenen Disziplinarverstoß tatsächlich begangen habe, diese die Disziplinarmaßnahme hätte aufheben müssen. II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde, die der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat, hat in der Sache erneut - zumindest vorläufig einen Teilerfolg. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer leidet wiederum, wie auch bereits der Beschluss vom 14. Juni 2006, an einem durchgreifenden Mangel. Die Entscheidungsgründe lassen nicht in der gebotenen Weise erkennen, welchen Sachverhalt das Gericht seiner Entscheidung bezüglich der Anträge des Betroffenen zu Ziffer 1) und 2) a) zugrundegelegt hat. Wie der Senat bereits in der vorliegenden Sache mit Beschluss vom 31. August 2006 unter Hinweis auf die Besonderheiten des revisionsrechtlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahrens in Strafvollzugssachen ausgeführt hat, muss die Strafvollstreckungskammer das Begehren des Gefangenen, den Sachverhalt und die entscheidungserheblichen Tatsachen so vollständig wiedergeben, dass anhand dieser Feststellungen eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht möglich ist. Daran hat sich durch die Neufassung des § 115 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz durch das am 01. April 2005 in Kraft getretene 7. Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 23. März 2005 im Grundsatz nichts geändert. Nach wie vor muss unmissverständlich klargestellt werden, von welchen Feststellungen das Gericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist und welchen Parteivortrag es für relevant gehalten hat; die Entscheidungsgründe müssen dabei die Gründe wiedergeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung zum Sachverhalt und für dessen rechtliche Beurteilung im Einzelnen maßgebend gewesen sind. Diesen Anforderungen genügt, obwohl die Strafvollstreckungskammer in dem oben angeführten Senatsbeschluss auf diese bereits hingewiesen worden ist, der angefochtene Beschluss bezüglich der Anträge zu 1) und 2) a) erneut nicht. Dem angefochtenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, mit welcher rechtlichen Begründung die Strafvollstreckungskammer diese Anträge als unbegründet verworfen hat. Wie sich aus der Sachverhaltsschilderung ergibt, ist am 02. Februar 2006 gegen den Betroffenen eine Disziplinarmaßnahme dahingehend getroffen worden, dass eine Einkaufssperre in Höhe von 50,00 verhängt worden ist. Die Strafvollstreckungskammer führt sodann weiter aus, dass der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen habe, weil die verhängte Einkaufssperre nicht zu beanstanden sei. Dieser Argumentation schließt die Strafvollstreckungskammer sich an, da die Disziplinarmaßnahme lediglich vorläufigen Charakter gehabt habe. Den Entscheidungsgründen ist allerdings in keiner Weise zu entnehmen, wie die Strafvollstreckungskammer zu dieser Feststellung, die Maßnahme habe nur vorläufigen Charakter gehabt, gekommen ist. Um vorläufige Maßnahmen handelte es sich bei der Ablösung als GMV-Sprecher und als Schüler der Schulabteilung. Die Einkaufssperre ist dagegen als Disziplinarmaßnahme verhängt worden. Es ist nicht ersichtlich, dass diese ebenfalls nur vorläufigen Charakter hatte, jedenfalls ist dies den Beschlussgründen nicht zu entnehmen. Handelt es sich hierbei aber um eine endgültige Maßnahme, so hätte die Strafvollstreckungskammer über deren Rechtmäßigkeit entscheiden müssen, was hier indes nicht geschehen ist. In keiner Weise nachvollziehbar ist, wie die Strafvollstreckungskammer zu der Feststellung gekommen ist, es sei nicht davon auszugehen, dass der Betroffene tatsächlich eine Urkundenfälschung begangen habe. Insoweit ist dem Beschluss nicht zu entnehmen, welche Feststellungen die Strafvollstreckungskammer insoweit ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Aus der Sachverhaltsschilderung ergibt sich noch, dass gegen den Betroffenen ein Disziplinarverfahren geführt worden ist. Zu welchen Erkenntnissen dieses geführt hat, ist indes nicht mitgeteilt. Bereits der dem Betroffenen gemachte Vorwurf der Urkundenfälschung ist nicht dargestellt worden. Demnach kann der Senat nicht überprüfen, ob dieser Ausgangspunkt der Strafvollstreckungskammer zutreffend ist. Im Übrigen hätte die Strafvollstreckungskammer, wie der Betroffene in der Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend ausgeführt hat, bei dieser Sachlage die Disziplinarmaßnahme vom 02. Februar 2006 angesichts der Tatsache, dass diese dann möglicherweise rechtswidrig gewesen wäre, u. U. aufheben müssen. Denn bei dieser Maßnahme handelte es sich, wie bereits ausgeführt, eben nicht nur um eine vorläufige Maßnahme. Diese ist auch nicht, entgegen den Ausführungen der Strafvollstreckungskammer, nach Klärung des Sachverhalts wieder aufgehoben worden. Angesichts dieser lückenhaften Begründung kann der Senat eine rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses bezüglich der Anträge zu 1) und 2) a) nicht vornehmen und keine eigene Sachentscheidung treffen. Die insoweit unzureichenden Beschlussgründe führen daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in dem genannten Umfang und zur Zurückverweisung insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung der Sache durch die Strafvollstreckungskammer. Hinsichtlich der Ablösung des Verurteilten von der Schulausbildung ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, da die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung insoweit weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. |
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