Aktenzeichen: 3 Ws 44/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Betäubungsmittel haben keinen rechtlich anerkannten Verkehrswert. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Betäubungsmittel; Verkehrswert; Bestimmung; Festsetzung des Gegenstandswertes; |
Normen: RVG 11: RVG 33 |
Beschluss: Strafsache gegen G.C. wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, (hier: Wertfestsetzung bei sichergestellten Drogen). Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Essen vom 24.07.2006 sowie auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen vom 25.07.2006 gegen den Beschluss der I. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 05.07.2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 03. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung sowohl des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm als auch der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Gegenstandswert der bei dem Verurteilten G.C. sichergestellten 130.000 Ecstasy-Tabletten wird im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 0,- festgesetzt. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 S. 2 RVG). Gründe: I. Durch Urteil des Landgerichts Essen vom 23.02.2005 wurde G.C. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der dem Verurteilten in diesem Strafverfahren als Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt S. aus M. beantragte mit Schriftsatz vom 28.03.2006 die Festsetzung einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 1.570,64 einschließlich 16 % Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von 104.000,- . Zur Begründung führte er aus, am 19.07.2004 sei der Inhalt von zwei Taschen des G.S. sichergestellt worden. Dabei habe es sich um insgesamt 130.000 Ecstasy-Tabletten gehandelt, die sämtlich eingezogen worden seien. Das Landgericht Essen habe in seinem Urteil vom 23.02.2005 für die 130.000 Tabletten einen Handelswert von 104.000,- angenommen. Durch Beschluss vom 05.07.2006 setzte die I. Strafkammer des Landgerichts Essen den Gegenstandswert im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 104.000,- fest. Der Bezirksrevisor beim Landgericht Essen legte mit Schreiben vom 24.07.2006, das nach einem - allerdings nicht unterzeichneten - Eingangsvermerk am 25.07.2006 beim Landgericht Bielefeld eingegangen ist, gegen den vorgenannten Beschluss Beschwerde ein mit der Begründung, die Festsetzung des Gegenstandswertes sei abzulehnen. Denn Betäubungsmittel hätten keinen objektiven (legalen) Gegenstandswert. Mit Schreiben vom 25.07.2006, das am selben Tag beim Landgericht Essen einging, legte außerdem die Staatsanwaltschaft Essen Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 05.07.2006 ein. Auch sie vertrat die Auffassung, dass Betäubungsmittel, die unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes in Besitz gehalten würden, regelmäßig keinen objektiven Verkehrswert besäßen, weil für den Besitzer jegliche Form der Veräußerung und der Weitergabe durch die §§ 29 ff. BtMG ausnahmslos verboten und unter Strafe gestellt sei und auch den Strafverfolgungsbehörden nach der Einziehung mangels legaler Verwendbarkeit nur die Vernichtung der Betäubungsmittel bleibe. Der Umstand, dass die Betäubungsmittel für den Besitzer subjektiv einen Wert darstellen könnten, weil er - illegale - Verwertungsmöglichkeiten kenne, sei als ein rein subjektiver Unrechtswert irrelevant. Die Strafkammer hat mit Beschluss vom 30.10.2006 der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss vom 05.07.2006 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vorgelegt. Zur Begründung führte die Strafkammer aus, illegale Drogen hätten einen objektiven Verkehrswert, der sich danach bestimme, welchen Preis einschlägige Kreise zu zahlen bereit seien. Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm schloss sich in seiner Stellungnahme der sowohl von dem Bezirksrevisor als auch von der Staatsanwaltschaft Essen vertretenen Auffassung an und beantragte, den Gegenstandswert im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 0,- festzusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten der vorgenannten Stellungnahme vom 11.01.2007, die sowohl dem Verteidiger des Verurteilten als auch der Generalstaatsanwaltschaft Hamm übersandt worden ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug genommen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Stellungnahme vom 24.01.2007 der Auffassung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm, dass im Ergebnis die Staatskasse, wenn es - wie im vorliegenden Verfahren - ausschließlich um spezielle kostenrechtliche Fragen gehe, durch den Bezirksrevisor vertreten werde, angeschlossen, ist aber gleichwohl vorsorglich der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen beigetreten. II. Der Gegenstandswert der 130.000 Ecstasy-Tabletten war im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 0,- festzusetzen. Dabei konnte es dahingestellt bleiben, ob die Staatsanwaltschaft Essen, die in einem Einziehungsverfahren betreffend die hier in Rede stehenden Drogen für die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig wäre, oder ob der Bezirksrevisor beim Landgericht Essen, der die Staatskasse in speziell kostenrechtlichen Fragen in der Regel vertritt, hier zur Einlegung der Beschwerde berechtigt war, da beide Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts vom 05.07.2006 eingelegt haben, wobei die Rechtsmitteleinlegung jeweils rechtzeitig erfolgte. Gemäß § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird. Eine förmliche Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Bezirksrevisor beim Landgericht Essen ist weder verfügt worden noch erfolgt, so dass ihm gegenüber die zweiwöchige Beschwerdefrist überhaupt noch nicht in Gang gesetzt worden ist. Auch im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft Essen fehlt es an einer Zustellungsverfügung von Seiten der Strafkammer hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses. Aber selbst wenn man die am 05.07.2006 erfolgte Verfügung Geschäftsgang als ausreichend ansehen würde, wäre das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Essen rechtzeitig, da die Akten dort durch Vorlage von Seiten des Bezirksrevisors am 11.07.2006 eingegangen sind und die Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft Essen am 25.07.2006 beim Landgericht Essen eingegangen ist. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 11.01.2007 ist auch der Senat der Auffassung, dass die beiden eingelegten Beschwerden letztlich nur als ein einziges Rechtsmittel für das am Verfahren beteiligte Land Nordrhein-Westfalen aufzufassen ist. Dieses Rechtsmittel ist auch begründet. Die sichergestellten 130.000 Ecstasy-Tabletten haben keinen Gegenstandswert. Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm hat dazu u.a. Folgendes ausgeführt: Maßgebend hierfür ist der objektive Wert; das subjektive Interesse des Betroffenen ist ohne Belang. Der objektive Verkehrswert ist normativ zu bestimmen; der Unrechtswert, der im Großhandels- oder Straßenverkaufswert des Rauschgiftes liegt, gilt nur subjektiv zwischen Straftätern und bleibt außer Betracht. Zum Beispiel hat Falschgeld keinen rechtlich anerkannten Verkehrswert. Dasselbe gilt für Betäubungsmittel. Dass ihnen die Rechtsordnung keinen messbaren Wert zuschreibt, erschließt sich aus folgender Überlegung: Betäubungsmittel unterliegen als Beziehungsgegenstände der Einziehung. Verfall des Wertersatzes ist ausgeschlossen, weil nicht ihr Besitz, sondern erst ein möglicher Unrechtserlös einen dem Verfall ausgesetzten Wert repräsentieren könnte (vgl. u. a. OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.11.2006 - 2 Ws 137 OLG - bei www.burhoff.de; KG Beschluss vom 18.07.2005, 5 Ws 256/05, JurBüro 2005, 531 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.12.2005, 2 Ws 834/05, JurBüro 2006, 255; BGH, Beschluss vom 03.04.2002, 3 StR 85/02, NStZ-RR 2002, 208 f.; Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17. Auflage, Nr. 4142 VV, RdNr. 9; Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Auflage, § 2 RdNr. 9). Dieser Auffassung, die der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur entspricht (vgl. neben den vorgenannten Zitaten Mayer-Kroiß, RVG, 2. Aufl., Nummern 4142 - 4147 VV, Rdnr. 17 (S. 1215); Uher in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 2. Aufl., Nummern 4141 - 4442 VV, Rdnr. 127 (S. 1242); Hartung in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Nr. 4142 VV, Rdnr. 14 (S. 966), schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an. Die von Madert im Rahmen einer Anmerkung (vgl. AGS 2006, 76) vertretene Ansicht, es gebe einen objektiven Verkehrswert für Heroin, der sich danach bestimme, welchen Betrag der Verkehr in den einschlägigen Kreisen beim - illegalen - Kauf oder Verkauf von Heroin zu zahlen bereit sei, vermag entgegen der Auffassung des ehemaligen Pflichtverteidigers des Verurteilten G.S. nicht zu überzeugen. Denn diese Mindermeinung lässt unberücksichtigt, dass der objektive Verkehrswert, wie von der herrschenden Meinung zutreffend angenommen wird, normativ zu bestimmen ist. Der Verkehrswert für die 130.000 Ecstasy-Tabletten, die bei dem Verurteilten G.S. sichergestellt worden sind, war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auf 0,- festzusetzen. |
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