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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ss OWi 148/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Unterbrechung der Verjährung durch Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger.

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Zustellung; Zustellungsvollmacht; Verteidiger; Unterbrechung der Verjährung;

Normen: OWiFG 33; OWiG 51

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen H.G.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 4. Januar 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 22.12.2006 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 03. 2007 durch den Richter am Amtsgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe verworfen, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hamm hat den Betroffenen durch den angefochtenen Beschluss vom 22.12.2006 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 100,- € verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn verhängt.
Dem Betroffenen wird zur Last gelegt, am 14.02.2006 gegen 11.51 Uhr in Hamm auf der BAB 1 in Fahrtrichtung Köln die durch entsprechende Verkehrszeichen festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 28 km/h überschritten zu haben. Die Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Betroffenen wurde mittels eines Radargeräts der Marke Multanova VR 6 F gemessen. Die Stadt Hamm hat gegen den Betroffenen unter dem 20.03.2006 durch Übersendung eines Anhörungsbogens ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Mit Schriftsatz vom 24.03.2006 hat Rechtsanwalt H.D. angezeigt, dass er mit der anwaltlichen Beratung und Vertretung des Betroffenen beauftragt sei. Diesem Schriftsatz hatte er folgende Vollmachtskopie beigefügt:

„Vollmacht
Rechtsanwalt
H.D.
In der Bußgeldangelegenheit gegen H.G. anlässlich Vorfall vom 14.02.2006
Bußgeldbehörde: Stadt Hamm
Aktenzeichen:30.3.05-4003.0517.924.6

Diese Vollmacht erstreckt sich insbesondere auf folgende Befugnisse:
1. zu außergerichtlichen Verhandlungen aller Art, zum Abschluss eines Vergleiches, zur Vermeidung eines Rechtsstreites;
2. in Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer;
3. zur Entgegennahme von Zahlungen, Wertsachen und Urkunden;
4. Zustellung von Strafanträgen sowie deren Rücknahme, zur Vertretung als Nebenkläger in einem Strafverfahren;
5. zur Akteneinsicht;
6. zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen) im Zusammenhang mit der vorliegenden Angelegenheit.“

Der Bußgeldbescheid der Stadt Hamm vom 03.05.2006 ist sodann nicht dem Betroffenen selbst, sondern dem Rechtsanwalt D. am 5. Mai 2006 zugestellt worden.
Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung hat das Amtsgericht Hamm den Betroffenen durch Beschluss gemäß § 72 Abs. 1 OWiG verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und zudem die Auffassung vertritt, dass das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung vorläge, da die Zustellung des Bußgeldbescheids an ihn nicht wirksam gewesen sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe zu verwerfen, dass hinsichtlich des angeordneten Fahrverbotes die Vorschrift des § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG zur Anwendung zu gelangen habe.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache nur hinsichtlich der Anwendung des § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu der Rechtsbeschwerde u.a. wie folgt Stellung genommen:

„Ein zur Einstellung des Verfahrens Anlass gebendes Verfahrenshindernis wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung liegt nicht vor. Die erstmals durch die Anhörung des Betroffenen am 20.03.2006 unterbrochene Verjährung wurde durch Zustellung des Bußgeldbescheides vom 03.05.2006 an den Verteidiger Rechtsanwalt D. am 05.05.2006 gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG erneut unterbrochen. Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet als ermächtigt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen. Entgegen dem Rechtsbeschwerdevorbringen ermächtigte die durch den Verteidiger Rechtsanwalt D. zu den Akten gereichte Vollmacht vom 24.03.2006 diesen zur Entgegennahme von an den Betroffenen gerichteten Zustellungen. Eine Beschränkung dahingehend, dass der Verteidiger zur Entgegen-nahme von Zustellungen nicht ermächtigt gewesen sein soll, ist dem Text der Vollmacht nicht zu entnehmen. Die Vollmacht ist ausweislich ihres Wortlauts unbeschränkt erteilt worden und insbesondere nicht - wie in dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 27.11.2003 - 2 SsOWi 647/03 - entschiedenen und von der Rechtsbeschwerde angeführten Fall - auf eine außergerichtliche Tätigkeit des Bevollmächtigten beschränkt worden. Eine Beschränkung der Vollmacht kann auch dem Umstand, dass in dem nachfolgenden Text der Vollmacht spezielle Befugnisse des Vollmachtnehmers im Einzelnen aufgeführt sind, nicht entnommen werden. Vielmehr indiziert die Verwendung der Formulierung „insbesondere“ dass dem Vollmachtnehmer über die dort aufgeführten Befugnisse hinaus auch weitergehende Befugnisse zustehen sollen. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Schriftsatz des Verteidigers, durch den dieser die Vertretung des Betroffenen angezeigt hat.

Die Feststellungen des angefochtenen Beschlusses tragen im Übrigen die Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Gegen die Höhe der verhängten Geldbuße sowie gegen die Dauer des verhängten Fahrverbots ist nichts zu erinnern.
Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht indes von der Anwendung des § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG abgesehen. Da den Feststellungen nicht entnommen werden kann, dass gegen den Betroffenen in den zwei Jahren vor Begehung der Ordnungswidrigkeit bzw. bis zur Bußgeldentscheidung am 22.12.2006 bereits ein Fahrverbot verhängt worden war, hätte das Amtsgericht abweichend von § 25 Abs. 2 S. 1 StVG anordnen müssen, dass das Fahrverbot nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung erst wirksam wird, wenn der Führerschein des Betroffenen nach Rechtskraft der Bußgeldbescheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung aufgrund dieses Rechtsfehlers bedarf es indes nicht. Da weitere Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG nicht zu treffen sind, kann die Anordnung durch das Beschwerdegericht getroffen werden (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 OWiG Rdnr. 45 b ff.).“
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.



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