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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 15/07 OLG Hamm

Leitsatz: Ist wegen einer Ausweisungs- und Abschiebungsverfügung der Antritt und die Durchführung einer Therapie nicht gewährleistet, so ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vollstreckungsbehörde aus diesem Grund die Zurückstellung der Strafvollstreckung ablehnt.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zurückstellung; Strafvollstreckung; Ablehnung; Ausländer; Ausweisungsverfügung; Abschiebeverfügung;

Normen: BtMG 35

Beschluss:

Justizverwaltungssache
betreffend S.A.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 12. Februar 2007 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Essen vom 20. November 2006 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 5. Januar 2007, sowie auf seinen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 04. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung und der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe werden als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Betroffenen auferlegt.

Der Geschäftswert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Betroffene ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er wurde am 24. März 2006 vom Landgericht Essen in dem Verfahren 52 KLs 2/06 wegen Raubes in einem minder schweren Fall unter Einbeziehung der Verurteilungen durch das Landgericht Essen vom 20. September 2004 (31 Ns 123/03) und des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 8. Dezember 2004 (30 Ds 240/04) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Entscheidung ist seit dem 1. April 2006 rechtskräftig. Die Strafkammer hat ausgeführt, dass die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat auf seine Betäubungsmittelabhängigkeit zurückzuführen sei. Sie erkläre bereits jetzt ihre Bereitschaft, „einem Verfahren nach § 35 BtMG zuzustimmen.“

Mit eigenhändigem Schreiben vom 6. September 2006 und mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 15. September 2006 beantragte der Betroffene die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG. Auf Anfrage der Staatsanwaltschaft Essen teilte das Ausländeramt der Stadt Gelsenkirchen mit, dass der Betroffene mit Ordnungsverfügung vom 21. September 2005 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und ihm gleichzeitig die Abschiebung nach Marokko angefdroht worden sei. Die Staatsanwaltschaft Essen übersandte daraufhin die Akten dem nach ihrer Auffassung dafür zuständigen Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer mit der Bitte um Zustimmung zur Zurückstellung gemäß § 35 BtMG, wies aber zugleich darauf hin, dass sie im Hinblick auf die ungeklärte ausländerrechtliche Situation des Betroffenen eine Zurückstellung ablehnen werde, sofern ein konkreter Abschiebetermin bekannt werde, der durch eine Zurückstellung verhindert würde.

Mit Beschluss vom 8. November 2006 verweigerte das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer die gemäß § 35 Abs.1 S. 1 BtMG erforderliche Zustimmung zur Zurückstellung , „da das Ausländeramt die Abschiebung des Verurteilten betreibt.“ Unter Bezug-nahme auf diese Entscheidung des Amtsgerichts lehnte auch die Staatsanwaltschaft Essen mit Entschließung vom 20. November 2006 den Antrag des Betroffenen ab.

In seiner dagegen gerichteten Beschwerde hat der Betroffene u.a. ausgeführt, er sei ein privilegierter Ausländer, weil er schon in Deutschland geboren sei. Deshalb unterstehe er dem „besonderen Ausweisungsschutz des § 56 Aufenthaltsgesetz“. Zudem sei er mit einer Deutschen verheiratet gewesen und lebe mit dieser und dem gemeinsamen Kind auch wieder zusammen. Die ungeklärte ausländerrechtliche Situation dürfe deshalb nicht zum Anlaß genommen werden, die Zurückstellung der Strafvollstreckung zu verweigern.

Der Generalstaatsanwalt hat die Beschwerde mit Bescheid vom 5. Januar 2007 verworfen. Er ist der Auffassung, es sei nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft Essen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer nicht angefochten habe. Der Betroffene sei mit Ordnungsverfügung vom
21. September 2005 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei dem ausländerrechtlichen Verfahren des Betroffenen um eine Regelausweisung gemäß § 56 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 53 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz handele, da der Betroffene im vorliegenden Verfahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden sei. Ein Anlass, der ausländerbehördlichen Entscheidung entgegenzutreten, sei nicht ersichtlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG. Er ist der Auffassung, das Abschiebungs-verfahren könne einer Zurückstellung schon deshalb nicht entgegenstehen, weil vollkommen unklar sei, wie dieses Verwaltungsverfahren ausgehen werde. Im Übrigen sei es „unstreitig“, dass die Voraussetzungen des § 35 BtMG vorliegen würden.

Der Generalstaatsanwalt ist dem Antrag entgegengetreten. Er ist der Auffassung, dass wegen der gegen den Betroffenen bestehenden Ausweisungs- und Abschiebungsverfügung nicht gewährleistet sei, dass dieser die Therapie antreten und bis zu ihrem Ende durchlaufen könne. Mit einer umgehenden Abschiebung des Betroffenen sei zu rechnen. Selbst wenn der Betroffene sich mit Rechtsmitteln gegen die Abschiebung wehren sollte, sei nicht zu erwarten, dass er die bereits jetzt drohende Abschiebung für die gesamte Dauer der Therapie verhindern könne. Die Staatsanwaltschaft habe deshalb zu Recht die Zurückstellung abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien.

II.
Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Bei der Entscheidung, ob einem Betroffenen Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zum Zwecke einer stationären Entzugstherapie zu bewilligen ist, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG ist eine solche Ermessensentscheidung der Strafvollstreckungsbehörde für den Senat nur daraufhin überprüfbar, ob die Staatsanwaltschaft die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist
und die Vollstreckungsbehörde den maßgeblichen Sachverhalt in dem gebotenen Umfang unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (vgl. OLG Hamm, NStZ 1982, S. 483; Senatsbeschluss vom 20. Juli 2004 - 1 VAs 24 u. 42/04). Gemessen an diesen Maßstäben ist die von der Vollstreckungsbehörde getroffene Entscheidung, die von dem Verurteilten beantragte Zurückstellung der Strafvollstreckung abzulehnen, nicht zu beanstanden.

Zwar ist das von der Staatsanwaltschaft Essen angerufene Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer nicht das für die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung berufene erstinstanzliche Gericht im Sinne des § 35 BtMG. Verfahrensbeteiligt ist insoweit nur das Landgericht Essen, das den Betroffenen am 24. März 2006 erstinstanzlich zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt hat. Soweit in dieser Entscheidung weitere Urteile des Landgerichts Essen und des Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer einbezogen wurden, haben diese (früheren) Entscheidungen mit ihrer Einbeziehung in das Urteil vom 24. März 2006 ihre Selbständigkeit verloren. Das Landgericht Essen hat aber in den Gründen dieses Urteils bereits unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass es die Zurückstellung der Strafvollstreckung unterstützt. Insofern steht deshalb die Verweigerung der Zustimmung durch das (unzuständige) Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer einer Maßnahme nach § 35 BtMG nicht entgegen.

Gleichwohl sind die Erwägungen der Vollstreckungsbehörde, die Zurückstellung der Strafvollstreckung auch unabhängig von der ablehnenden Entscheidung des Amtsgerichts schon wegen der Ausweisungsverfügung des Ausländeramtes abzulehnen, nicht zu beanstanden. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass im Zurückstellungsverfahren nach § 35 BtMG stets zu prüfen ist, ob der Therapieantritt gesichert ist und ob der ordnungsgemäßen Abwicklung der Therapie bis zu deren Abschluß Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen. Ist das der Fall, so ist der Zweck der Zurückstellung nicht erreichbar oder jedenfalls zweifelhaft. Ein solches Hindernis kann sich aus konkret bevorstehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Ausländerbehörde ergeben. Zwar soll grundsätzlich auch ausländischen drogenabhängigen Verurteilten „Therapie statt Strafe“ gewährt werden. Ist aber wegen einer Ausweisungs- und Abschiebungsverfügung (die gegen den Betroffenen am 8. Juni 2007 vollzogen werden soll) der Antritt und die Durchführung einer Therapie gerade nicht gewährleistet, so ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vollstreckungsbehörde aus diesem Grund die Zurückstellung der Strafvollstreckung ablehnt (Senatsbeschluss vom 8. April 1999 – 1 VAs 8/99, NStZ 1999, S. 591; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2000, S. 152).

Die Erfolgsaussicht eines möglicherweise von dem Betroffenen im Verwaltungsrechtswege gegen seine Abschiebung eingelegten Rechtsmittels vermag der Senat nicht zu beurteilen. In diesem Fall bleibt es dem Betroffenen aber unbenommen, nach erfolgreichem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erneut einen Antrag nach § 35 BtMG zu stellen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war deshalb als unbegründet zu verwerfen.

III.
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts war mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Antrags auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.



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