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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 106/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Revisionsverfahren

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Pflichtverteidiger; Beirodnung; Revisionsverfahren, Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage

Normen: StPO 140

Beschluss:

Strafsache
gegen K.S.
wegen Körperverletzung u. a.
Auf die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss der kleinen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 08. Februar 2007, durch den der Antrag der Angeklagten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen worden ist, hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 04. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Angeklagten verworfen.

Gründe:
Gegen die Angeklagte ist ein Strafverfahren anhängig, in dem sie zunächst durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 25. September 2006 wegen vorsätzlicher Köperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt worden ist. Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht die Berufung mit der Maßgabe verworfen, dass der Schuldspruch auf Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung lautet. Gegen dieses Urteil vom 20. November 2006 hat die Angeklagte, vertreten durch ihren Verteidiger, Revision eingelegt. Diese ist inzwischen mit Schriftsatz vom 29.12.2006 mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden. Die formelle Rüge ist nicht näher ausgeführt.

Mit Schriftsatz vom 28. September 2006 hat der Verteidiger der Angeklagten beantragt, ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen. Diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluss/Verfügung vom 08. Februar 2007 zurückgewiesen, „da weder die Schwere der Tat noch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen lassen - § 140 II StPO –„. Hiergegen richtet sich nunmehr die Beschwerde der Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Verwerfungsantrag wie folgt begründet:

„Den Antrag auf Beiordnung eines Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger hat das Landgericht rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Zwar scheitert die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht bereits daran, dass der Verurteilte einen Wahlverteidiger hat, denn dem Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers liegt in der Regel die Erklärung zu Grunde, dass die Wahlverteidigung spätestens mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger enden soll. Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine hier allein in Betracht zu ziehende Beiordnung nach § 140 Abs. 2 StPO nicht vor. Danach ist einem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn dies wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Schwere der Tat beurteilt sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung, so dass eine Beiordnung unter diesem Gesichtspunkt dann in Betracht kommt, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ohne Strafaussetzung zur Bewährung zu erwarten ist (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 140 Rdnr. 23 m. w. N.). Vorliegend hat das Landgericht Bochum die Berufung des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil zwar verworfen. Auf Grund des in der Revisionsinstanz zu beachtenden Verschlechterungsverbotes dürfen ungünstige Rechtsfolgen nicht verhängt werden mit der Folge, dass das Gewicht der zu erwartenden Rechtsfolgen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedenfalls nicht gebietet. Zu einer abweichenden Beurteilung besteht vorliegend auch unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage kein Anlass. Der dem Angeklagten zur Last gelegte Sachverhalt als Grundlage der sachlich-rechtlichen Beurteilung stellt in der Revisionsinstanz keinen Aspekt dar, der als „schwierig“ zu bewerten wäre, weil er in dem angefochtenen Urteil für das Revisionsgericht bindend festgestellt ist. Soweit in dem anstehenden Revisionsverfahren der Frage etwaiger Verfahrensrügen und bzw. dem Vorliegen ihrer tatsächlichen Voraussetzungen nachzugehen sein sollte, ist nicht ersichtlich und auch nicht dargetan, dass die Sach- und Rechtslage als schwierig gelagert anzusehen ist. Hinreichende Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, dass die Angeklagte ohne einen Pflichtverteidiger nicht in der Lage ist, ihre Verteidigung sachgerecht wahrzunehmen, bestehen ebenfalls nicht.“

Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei. Danach hat das Landgericht zu Recht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt. Es kann dahinstehen, inwieweit unterschiedliche Rechtsansichten dazu führen, dass die Rechtslage als schwierig einzustufen ist (vgl. BayObLG NStZ 1990, 124; vgl. auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 4. Aufl., 2006, Rn. 609 m. w. N.). Vorliegend besteht nämlich die Besonderheit, dass der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt für das Revisionsgericht bindend ist und es damit auf die Frage, ob unterschiedliche Rechtsauffassungen bestanden haben, nicht mehr ankommt. Entscheidend für die Beiordnung als Pflichtverteidiger ist nicht, ob das Verfahren „schwierig gewesen ist“, sondern ob es im Zeitpunkt der Entscheidung über den Beiordnungsantrag „schwierig ist“ oder aus sonstigen Gründen dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss. Das ist vorliegend aus den von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend dargelegten Gründen jedoch nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.



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