Aktenzeichen: 1 Ss OWi 270/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Zur Rechtsfolgenbemessung bei einem Betroffenen, der schon wiederholt straßenverkehrs-rechtlich in Erscheinung getreten ist. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Geldbuße; Erhöhung; Voreintragungen; Verwertbarkeit; Fahrverbot; Absehen; Gründe |
Normen: BKatv 4 |
Beschluss: Bußgeldsache gegen Y.S. wegen Verkehrsordnungswidrigkeit. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 05. Dezember 2006 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 04. 2007 durch den Richter am Amtsgericht als Einzelrichter gem. § 80 a OWiG auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Betroffenen bzw. dessen Verteidigers beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene. Gründe: I. Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen am 05. Dezember 2006 wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gem. den §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 500,00 verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von 3 Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene durch Schriftsatz seines Ver-teidigers vom 06. Dezember 2006, bei dem Amtsgericht Dortmund eingegangen am 07. Dezember 2006 Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Zustellung des angefochtenen Urteils am 02.02.2007 hat er die Rechtsbeschwerde mit weiterem Schriftsatz vom 01.03.2007, eingegangen beim Amtsgericht Dortmund am 02.03.2007 begründet und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. II. Die Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und frist- und formgerecht begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat u.a. ausgeführt: Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Ur-teils lässt Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen nicht erkennen. Die Fest-stellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO. Sie enthalten insbesondere Angaben zu dem verwandten standardisierten Messverfahren, der gemessenen Geschwindigkeit sowie der in Abzug gebrachten Toleranz. Bei Festsetzung der Geldbuße hat das Amtsgericht den nach der lfd. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 zu Nr. 11 der Anlage zu § 1 BkatV vorgesehenen Regelsatz in Höhe von 375,00 EUR zugrunde gelegt. Diese Regelgeldbuße hat das Gericht unter Berücksichtigung von Voreintragungen um 125,00 EUR erhöht. Zutreffend rügt die Rechtsbeschwerde, dass den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist, ob die unter den Ziffern 1 und 2 genannten Eintragungen im Verkehrszentralregister überhaupt verwertbar waren. Bei der Verwertung von Voreintragungen des Betroffenen sind grundsätzlich das Datum des Erlasses des Bußgeldbescheides und das seiner Rechtskraft anzugeben. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, da das Amtsgericht lediglich das Datum der Entscheidung, nicht jedoch das Rechtskraftdatum mitteilt. Tatsäch-lich war bei den Eintragungen vom 23.05.2001 (Bußgeldbescheid des Kreises Kleve wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 24 km/h rechtskräftig seit 16.06.2001) und vom 05.07.2001 (Bußgeldbescheid des Kreises Borken wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 46 km/h rechtskräftig seit 28.07.2001) im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Tilgungsreife gemäß § 29 Abs. 6 Satz 4 StVG eingetreten mit der Folge, dass diese damit einem gesetzlichen Verwertungsverbot unterlagen. Die Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG steht dem nicht entgegen, da durch sie nur die Löschung der Voreintragung verhindert wird, das Verwertungsverbot in diesem Zeitraum aber bestehen bleibt. In der Überliegefrist von einem Jahr kommt es zwar zu einer Hemmung der Tilgung von verkehrsrechtlichen Vorbelastungen. Dies hat aber lediglich zur Folge, dass in dieser Zeit nachträglich bekannt gewordene neue Ordnungswidrigkeiten der Tilgung alter Voreintragungen entgegenstehen können, es jedoch andererseits während der Überliegefrist bei einem Verwertungsverbot tilgungsreifer Voreintragungen verbleibt (OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2005 3 SsOWi 228/05 -; Beschluss vom 28.03.2006 4 SsOWi 161/06 -). Es kann jedoch ausgeschlossen werden, dass das angefochtene Urteil in Bezug auf die Festsetzung der Geldbuße auf diesem Fehler beruht. Angesichts der übrigen mitgeteilten gravierenden verkehrsrechtlichen Vorbelastungen zwei Verkehrsstraftaten, von denen eine zu einer Fahrerlaubnissperre geführt hat, und drei Geldbußen wegen Telefonierens im PKW sowie der maßgeblich berücksichtigten hohen Fahrlässigkeitsschuld des Betroffenen haben die tilgungsreifen Voreintragungen ersichtlich keinen Einfluss auf die Höhe der verhängten Geldbuße gehabt. Ermessensfehlerfrei hat das Amtsgericht auch von der Möglichkeit, gegen Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen, keinen Gebrauch gemacht. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 BkatV i. V. m. der lfd. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BkatV ist für einen solchen wie von dem Betroffenen begangenen Geschwindigkeitsverstoß in der Regel ein Fahrverbot von drei Monaten festzusetzen. Gründe, aufgrund derer gemäß § 4 Abs. 4 BkatV von der Anordnung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen werden könnte, sind von dem Betroffenen nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes wegen des Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte könnte nur dann geboten sein, wenn durch seine Anordnung die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen gefährdet wäre (BGHSt 38, 125 ff., OLG Hamm, VRS 90, 210; OLG Hamm, DAR 1996, 325; OLG Hamm NZV 1995, 366, 367; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 18 m. w. N.), wobei der Tatrichter eine solche Überzeugung nicht ausschließlich aus einer nicht näher belegten Einlassung des Betroffenen ableiten darf. Auch ist es Aufgabe des Betroffenen, Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Verhängung eines Fahrverbotes für ihn eine unzumutbare Härte sei. Soll nämlich vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, so bedarf es wegen der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer einer besonders eingehenden und sorgfältigen Überprüfung der Einlassung eines Betroffenen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen und auch dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen (OLG Karlsruhe NZV 2004, 211 ff.). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht das Vorliegen von Umständen, die ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes zu recht-fertigen vermögen, rechtsfehlerfrei verneint. Es hat nicht verkannt, dass das Fahrverbot bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen mögli-cherweise vorübergehend zu Schwierigkeiten führen wird. Diese hat der Betrof-fene aber als die mit einem Fahrverbot üblicherweise verbundenen Schwierig-keiten als selbstverschuldet hinzunehmen. Auch hat das Amtsgericht nachvoll-ziehbar dargelegt, dass angesichts der verwandtschaftlichen Beziehungen von Gesellschaftern und Geschäftsführern der F.S. GmbH für den Betroffenen ein Verlust des Arbeitsplatzes schon nicht zu befürchten steht. Andere, dies bele-gende Tatsachen trägt auch die Rechtsbeschwerde nicht vor. Zudem unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und deshalb die Verhängung eines Fahrverbot nicht erfordert, in erster Linie der Würdigung des Tatrichters und ist vom Rechtsbeschwerdegericht im Zweifel bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (OLG Hamm, Beschluss vom 29.01.1998, 2 SsOWi 1527/07). Diesen Ausführungen tritt der Senat bei und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG. |
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