Aktenzeichen: 1 VAs 22/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Ebenso wie Wissensvermerken von Behörden und Akten oder Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft zu Vollzugslockerungen eines Strafgefangenen oder Einstufungen von Gefangenen hinsichtlich des Grades ihrer kriminellen Gefährdung kein eigenständiger Regelungscharakter zuerkannt werden kann, stellen Meinungs-, Ansichts- und Inhaltswiedergaben von Erkenntnissen der Justizbehörden keine Justizverwaltungsakte dar. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Justizverwaltungssache |
Stichworte: Aktenvermerk; Entfernung; Antrag auf gerichtliche Entscheidung; |
Normen: EGGVG 23 |
Beschluss: Justizverwaltungssache betreffend 1. M.W. und 2. R.W. wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Antrag auf Entfernung eines Vermerks aus den Akten). Auf den Antrag der Betroffenen vom 21.11.2006 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.11.2006 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Der Antrag wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des Verfahrens werden bei einem Gegenstandswert von 2.500,- den Betroffenen auferlegt. G r ü n d e : I. Gegen die Betroffenen wurde bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal unter dem Aktenzeichen 20 Js 894/04 ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung geführt und am 21.07.2004 zur Anklage gebracht. Durch Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 4. März 2005 wurde der Betroffene wegen Einkommenssteuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100,- und die Betroffene wegen Einkommenssteuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,- verurteilt. Aufgrund der von den Betroffenen eingelegten Berufung stellte das Landgericht Wuppertal am 30.08.2005 das Verfahren gegen sie wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 260 Abs. 3 StPO durch Urteil ein. Der Vorsitzende der zuständigen 16. kleinen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal nahm unter dem 01. September 2005 einen Vermerk zu den Akten, in welchem er zum Ausdruck brachte, dass nach seiner Auffassung die Tatvorwürfe aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wuppertal inhaltlich zutreffend gewesen seien. Diesem Vermerk waren zahlreiche Anlagen, insbesondere in Form von Kontenübersichten, beigefügt. Auf Antrag des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal vom 23.11.2005 übersandte die Staatsanwaltschaft Wuppertal am 02.02.2006 die Akten an diese Behörde. In dem zwischen den Betroffenen und dem Finanzamt vor dem Finanzgericht Düsseldorf geführten Verfahren legte das Finanzamt Wuppertal im Termin vom 02.03.2006 u.a. den Vermerk des Vorsitzenden Richters am Landgericht vom 01.09.2005 vor. Mit Antrag vom 06.11.2006 beantragten die Betroffenen bei dem Amtsgericht Wuppertal, die Staatsanwaltschaft Wuppertal zu verpflichten, den Vermerk des Vorsitzenden Richters des Landgerichts Wuppertal vom 01.09.2005 nebst Anlagen aus den Akten zu entfernen, hilfsweise festzustellen, dass die Aufnahme des Vermerks sowie dessen Weitergabe an das Finanzamt für Steuerstrafsachen rechtswidrig war. Zur Begründung haben die Betroffenen im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich nach ihrer Auffassung nicht um einen Vermerk, sondern tatsächlich um ein Gutachten des Vorsitzenden handele. Durch dessen Aufnahme in die Akten würden die Betroffenen fortdauernd diskriminiert, da hierdurch ein sie entlastendes Prozessurteil des Landgerichts Wuppertal in ein belastendes Sachurteil umgewandelt werden würde. Ferner sei der Vermerk auch geeignet, Auswirkungen auf das vor dem Finanzgericht Düsseldorf geführte Klageverfahren zu nehmen und die Betroffenen somit wirtschaftlich zu schädigen. Schließlich sei der Vermerk auch geeignet, negative Auswirkungen auf ein bevorstehendes Einstellungsverfahren der Betroffenen als Lehrerin zu nehmen. Mit Beschluss vom 16.11.2006 hat das Amtsgericht Wuppertal die Anträge als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt, dass das Amtsgericht für diese Anträge nicht zuständig sei, da nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens aktenführende Behörde die Staatsanwaltschaft sei. Im Übrigen könne der Vermerk als Aktenbestandteil nicht aus den Akten entfernt werden. Ferner fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis der Betroffenen, da dem Vermerk keine strafrechtliche Bedeutung oder Bindungswirkung im finanzgerichtlichen Verfahren zukomme. Gegen diesen Beschluss haben die Betroffenen am 21.11.2006 unter Berufung auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 EGGVG Beschwerde eingelegt und zudem hilfsweise die Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges gemäß § 17 a Abs. 2 GVG beantragt. Nachdem das Amtsgericht Wuppertal der Beschwerde nicht abgeholfen hatte, hat das Landgericht Wuppertal mit der Entscheidung vom 27. Dezember 2006 den Beschluss aufgehoben und das Verfahren analog § 17 a Abs. 2 GVG an das Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung verwiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass zumindest in der Beschwerdeschrift ein Antrag der Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG zu sehen sei. Mit Beschluss vom 20. Februar 2007 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Sache zur Entscheidung an den zuständigen Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm verwiesen, da die Verweisung des Landgerichts Wuppertal hinsichtlich des Rechtsweges zwar bindend, für Entscheidungen nach den §§ 23 EGGVG in Nordrhein-Westfalen jedoch das Oberlandesgericht in Hamm zuständig sei. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag als unzulässig zu verwerfen. II. 1. Der Senat ist zur Entscheidung über den Antrag berufen, nachdem sich das Landgericht Wuppertal für unzuständig erklärt und die Rechtsstreitigkeit an das Oberlandesgericht bindend gemäß § 17 a Abs. 2 GVG verwiesen hat. Zu Recht hat das zunächst mit den Anträgen befasste Oberlandesgericht Düsseldorf die Sache an das Oberlandesgericht in Hamm verwiesen, da dieses gemäß §§ 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. § 1 des Gesetzes betreffend die Übertragung von Entscheidungen über Anträge nach §§ 23 - 30 EGGVG auf dem Gebiet der Strafrechtspflege und des Vollzuges in Nordrhein-Westfalen zuständig ist. 2. Der Antrag der Betroffenen erweist sich jedoch auch in dem Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG als unzulässig. Die Bindungswirkung der Verweisung steht dem nicht entgegen, denn damit ist lediglich der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet, sie begründet aber nicht die Zulässigkeit des Antrags entsprechend den speziellen Voraussetzungen der genannten Bestimmungen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 27. Januar 1995 - 1 VAs 53/93 -; Beschluss vom 23. November 2000 - 1 VAs 47/00 -; Beschluss vom 23. April 2002 - 1 VAs 86 - 90/01 und 1 VAs 23 - 40/02 -). Im Rahmen des Verfahrens nach §§ 23 ff. EGGVG sind nur Justizverwaltungsakte der Prüfung durch den Senat zugänglich. Begrifflich handelt es sich dabei um hoheitliche Maßnahmen einer Justizbehörde mit unmittelbarer Außenwirkung zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen. Auch schlicht hoheitliches Handeln kann diese Voraussetzungen erfüllen (OLG Hamm, NJW 1972, S. 2145; BVerwG, NJW 1989, S. 412, 413; Löwe-Rosenberg-Böttcher, StPO, § 23 EGGVG, Randnummern 44 u. 45 m.w.N.). Voraussetzung ist aber jedenfalls, dass von der behördlichen Maßnahme unmittelbare rechtliche Wirkungen ausgehen und in die Lebens- und Rechtsverhältnisse des Betroffenen bestimmend und gestaltend eingegriffen wird (OLG Hamm, NJW 1972, S. 2145). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien handelt es sich bei dem von den Betroffenen beanstandeten Vermerk nicht um einen Justizverwaltungsakt. Ebenso wie Wissensvermerken von Behörden und Akten (Senatsentscheidung vom 11. Mai 1998 - 1 VAs 15/98 -) oder Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft zu Vollzugslockerungen eines Strafgefangenen (Senatsentscheidung vom 26. April 1984 - 1 VAs 115/84 -) oder Einstufungen von Gefangenen hinsichtlich des Grades ihrer kriminellen Gefährdung (Senatsentscheidung vom 28. November 1989 - 1 Vollz (Ws) 157/89 -; NStZ 1990, S. 151) kein eigenständiger Regelungscharakter zuerkannt werden kann, stellen Meinungs-, Ansichts- und Inhaltswiedergaben von Erkenntnissen der Justizbehörden keine Justizverwaltungsakte dar (Senatsbeschluss vom 29. November 1994 - 1 VAs 56/94 -). Dem Vermerk kommt insofern keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen zu. Etwas anderes gilt auch nicht für die Weiterleitung des Vermerks durch die Staatsanwaltschaft an das Finanzamt für Steuerstrafsachen, so dass sich auch der von den Betroffenen hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Handlung ebenfalls als unzulässig erweist. Auch bei der Erteilung von Auskünften an andere Behörden bzw. der Überlassung von Unterlagen an diese fehlt es an der unmittelbaren Rechtswirkung nach außen zumindest dann, wenn es sich bei beteiligten Behörden - wie im vorliegenden Fall - um solche des gleichen Hoheitsträgers handelt. Durch die überlassenen Unterlagen wird der Kenntnis nehmenden Behörde lediglich eine Tatsachengrundlage zur Vorbereitung eventuell notwendig werdender neuerlicher eigener Entscheidungen gewährt. Die Mitteilung solcher Erkenntnisse kann daher nicht selbst zum Gegenstand eines eigenen Prüfungsverfahrens gemacht werden. Gleichwohl werden die Betroffenen jedoch nicht rechtlos gestellt. Vielmehr können sie die aufgrund dieser Mitteilung erfolgten Maßnahmen selbstständig in den dafür vorgesehenen Verfahrensordnungen überprüfen lassen. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO. |
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