Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 338/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Die Unterlassung einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung ist - ausnahmsweise - anfechtbar, wenn die unterlassene Entscheidung selbst bzw. deren Ablehnung anfechtbar ist und der Unterlassung die Bedeutung einer endgültigen Ablehnung und nicht einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung zukommt. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Strafvollzugssache |
Stichworte: Beschwerde; Untätigkeitsbeschwerde; Zulässigkeit; |
Normen: Art. 6 MRG, StVollzG 109 |
Beschluss: Strafvollzugssache betreffend T.K. wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden, (hier: Untätigkeitsbeschwerde des Betroffenen). Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Betroffenen vom 8. Mai 2007 gegen die Nichtbescheidung eines unter dem 21. August 2006 gestellten Antrages auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVollzG durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 05. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht beschlossen: Die Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen. G r ü n d e : I. Der Betroffene verbüßt zurzeit eine wegen Mordes und versuchten Mordes verhängte lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Remscheid. 15 Jahre der Strafe waren am 1. Oktober 2001 verbüßt. Die Mindestverbüßungsdauer wurde durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn mit Beschluss vom 9. Januar 2001 auf 20 Jahre festgelegt und war am 1. Oktober 2006 verbüßt. Nachdem der Betroffene im März 1998 in den offenen Vollzug in die Justizvollzugsanstalt Euskirchen verlegt worden war, ist er aufgrund einer Weisung des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen im März 2006 in den geschlossenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Remscheid zurückverlegt worden. Hiergegen hat er durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sommer vom 21. August 2006 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVollzG gestellt mit dem Ziel seiner unverzüglichen Rückverlegung in den offenen Strafvollzug. Dieser Antrag ist von der Strafvollstreckungskammer bislang nicht beschieden worden. Gegen diese Nichtbescheidung richtet sich die mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 8. Mai 2007 erhobene Untätigkeitsbeschwerde des Betroffenen. Der Betroffene ist der Ansicht, dass ihm ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar sei. Angesichts der Überschaubarkeit des Sachverhalts und der gravierenden Belastung durch seine Inhaftierung im geschlossenen Strafvollzug erscheine die unterlassene Entscheidung fast neun Monate nach Antragstellung rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbar. Jedes gerichtliche Verfahren sei innerhalb einer angemessenen Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK) abzuschließen. Dies gelte erst recht, wenn die Fortsetzung einer Freiheitsbeschränkung hiervon abhänge. II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Strafprozessordnung, deren Vorschriften auch für das gerichtliche Verfahren in Strafvollzugssachen entsprechend anwendbar sind (§ 120 Abs. 1 StVollzG), ist eine reine Untätigkeitsbeschwerde fremd (BGH NJW 1993 S. 1279 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 304 Rdnr. 3), weil in der bloßen Untätigkeit keine sachliche Entscheidung liegt, nur eine solche aber Gegenstand der Überprüfung durch das Beschwerdegericht sein kann. Zwar ist damit nicht jede gerichtliche Untätigkeit einer Anfechtung entzogen. Denn die Unterlassung einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung ist dann - ausnahmsweise - anfechtbar, wenn die unterlassene Entscheidung selbst bzw. deren Ablehnung anfechtbar ist und der Unterlassung die Bedeutung einer endgültigen Ablehnung und nicht einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung zukommt (BGH a.a.O.; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, S. 188, 189; OLG Dresden NJW 2005, 2791). So verhält es sich im vorliegenden Fall jedoch ersichtlich nicht. Aus den von dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen mit der Beschwerdeschrift vorgelegten Unterlagen ergibt sich folgender Verfahrensablauf: Auf den mit Schriftsatz vom 21. August 2006 angebrachten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer ganz offensichtlich zeitnah eine Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Euskirchen eingeholt. Dies ergibt sich aus dem am 21. September 2006 bei der Strafvollstreckungskammer eingegangenen Schreiben des Leiters der Justizvollzugsanstalt Euskirchen vom 18.09.2006, in welchem dieser sowohl zur Frage der Zulässigkeit des Antrages, die verneint wird, wie auch hilfsweise zur - ebenfalls verneinten - Frage der Begründetheit Stellung nimmt. Eine ergänzende, am 23. November 2006 bei der Strafvollstreckungskammer eingegangene, Stellungnahme hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt Euskirchen auf Veranlassung der Strafvollstreckungskammer sodann mit Schreiben vom 15. November 2006 abgegeben. Ferner ist auf Anforderung der Strafvollstreckungskammer von Ende November 2006 mit Schreiben des Leiters der Justizvollzugsanstalt Euskirchen vom 15. Dezember 2006 ein Gutachten des Psychologischen Fachdezernenten des Justizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2006 sowie eine Stellungnahme des Psychologischen Dienstes der Justizvollzugsanstalt Remscheid vom 7. Juli 2006 an das Landgericht Bonn übersandt worden. Schließlich hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt Euskirchen mit Schreiben vom 28. Februar 2007, das am 2. März 2007 bei der Strafvollstreckungskammer auf deren Anforderung eingegangen ist, zur Frage einer allen Strafgefangenen allgemein erteilten Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich des Verfahrens bei Beschwerden, die von Gefangenen gegen Bedienstete der Justizvollzugsanstalt, den Anstaltsleiter oder den Präsidenten des Justizvollzugsamtes gerichtet werden, und für die Vorgehensweise bei Anträgen auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVollzG, Stellung genommen und in diesem Zusammenhang die derzeit gültige Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Euskirchen in Verbindung mit Nr. 22 der Informationen zum Strafvollzugsgesetz und den hierzu für den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Ergänzungen überreicht. Angesichts dieser Umstände kann die Untätigkeitsbeschwerde des Betroffenen keinen Erfolg haben, denn die von ihm behauptete Untätigkeit des Gerichts liegt, wie den von ihm seiner Antragsschrift beigefügten Unterlagen zu entnehmen ist, gerade nicht vor. Selbst wenn aber seine Beanstandung zu Recht erfolgt wäre, träte keine Verfahrenslage ein, der eine Ablehnung der gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidung gleichzustellen wäre. Es kann vielmehr auch jetzt noch über Zulässigkeit und Begründetheit seines Antrages entschieden werden, ohne dass ein negatives Ergebnis zu seinen Lasten bereits feststeht. Die Untätigkeitsbeschwerde war somit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass der Senat zu klären hatte, worauf die Verzögerung der Sachentscheidung, soweit eine solche überhaupt vorliegt, im Einzelnen beruht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. 473 Abs. 1 StPO. |
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