Aktenzeichen: 3 (s) Sbd. I 8/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Zur Frage der Anwendung des § 14 StPO bei einem Streit zwischen zwei Rechtspflegern. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Zuständigkeitsbestimmung |
Stichworte: Zuständigkeitsbestimmung; Zuständigkeitsstreit; Rechtspfleger; |
Normen: StPO 14 |
Beschluss: Strafvollzugssache betreffend (hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 14 StPO). Auf die Vorlage der Akten durch das Landgericht Bochum Rechtspfleger - zur Bestimmung des zuständigen Gerichts hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 07. 2007 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Der Senat lehnt eine Entscheidung ab. Gründe: I. Der Betroffene hat einen Antrag auf Vorführung zur Aufnahme einer Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt und diesen an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum gerichtet. Der Rechtspfleger des Landgerichts Bochum hat die Akten dem Amtsgericht Bochum zur Aufnahme der Rechtsbeschwerde übermittelt, und zwar unter Hinweis auf §§ 116 Abs. 4, 118 Abs. 3 StVollzG, § 299 StPO. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Bochum hat Aufnahme des Protokolls mangels Zuständigkeit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, nach § 306 Abs. 1 StPO sei die Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum einzulegen. Die Ausnahmevorschrift des § 299 StPO greife ihrem Sinn und Zweck nach nicht ein, wenn sich sowohl Amtsgericht als auch Landgericht am Ort der Haftanstalt befänden. Durch Beschluss vom 17.07.2007 hat der Rechtspfleger des Landgerichts Bochum die Sache gemäß § 14 StPO, §§ 4, 24 RPflG dem Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 14 StPO sind nicht gegeben, weil kein Streit zwischen mehreren Gerichten über die Zuständigkeit vorliegt. Nach § 14 StPO bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht bei einem Streit über die Zuständigkeit zwischen mehreren Gerichten das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat. Diese Vorschrift gilt sowohl beim positiven als auch beim negativen örtlichen Kompetenzkonflikt und bei einem Kompetenzkonflikt in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit, und zwar vom Ermittlungsverfahren bis zum Vollstreckungsverfahren (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 14, Rdnr. 1, 3; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 14, Rdnr. 1, 2; Rotsch in Anwaltskommentar StPO, § 14, Rdnr. 2; Rudolphi in SK StPO, § 14, Rdnr. 1; Pfeiffer in Karlsruher Kommentar zur StPO, § 14, Rdnr. 1). § 14 StPO gilt ebenfalls im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG und der dagegen zulässigen Rechtsbeschwerde (vgl. BGH, Beschluß vom 07.09.2005, 2 ARs 313/05, bei Becker, NStZ-RR 2007, 129). Der Streit muß zwischen mehreren Gerichten bestehen, also eine gesetzlich geregelte Zuständigkeitsfrage bezüglich einer richterlichen Tätigkeit im Rahmen der Rechtsprechung zum Gegenstand haben (vgl. BGH, Beschluß vom 04.12.1981, 2 ARs 328/01). § 14 StPO gilt daher nicht, wenn die Zuständigkeit für Justizverwaltungsaufgaben im Streit ist, wie beispielsweise die Festsetzung und Anweisung von Kosten und Gebühren (vgl. OLG Oldenburg, Rpfleger 90, 408), die förmliche Einleitung der Vollstreckung durch den Jugendrichter (BGH, Beschluß vom 26.10.1994, bei Kusch, NStZ 95, 218), oder die Übernahme einer Führungsaufsicht (OLG Zweibrücken, NStZ 02, 279). Die Frage, ob § 14 StPO bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Rechtspflegern verschiedener Gerichte ebenfalls anzuwenden ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 30.05.1990 (BGH, Rpfleger 1990, 347) unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 RPflG a.F. ausgeführt, die Zuständigkeit des Rechtspflegers zur Kostenfestsetzung (§§ 464 b StPO, §§ 103 ff ZPO, §§ 3 Nr. 3, 21 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) erstrecke sich nicht auf einen Antrag zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 14 StPO, weil die Sache in einem solchen Fall dem Richter gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 RPflG a.F. vorzulegen gewesen wäre. Aus den gleichen Gründen wurde eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG durch einen Rechtspfleger vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig angesehen (BVerfGE 61, 75). Das OLG Celle hat in einem - dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren - Fall eine Vorlage gemäß § 14 StPO durch den Rechtspfleger für zulässig erachtet, weil eine Vorlage durch den Richter gemäß § 5 RPflG ausschied (OLG Celle, Beschluß vom 10.01.91, Rpfleger 91, 240). In der Literatur wird die Frage der Zulässigkeit einer Vorlage durch den Rechtspfleger unterschiedlich bewertet (ablehnend: Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 14, Rdnr. 3; Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 14, Rdnr. 2; Pfeiffer in Karlsruher Kommentar zur StPO, § 14, Rdnr. 2; befürwortend: Herrmann in Arnold/Meyer-Stolte, RPflG, 6. Auflage, § 9 Rdnr. 60 und § 4 Rdnr. 4; Meyer-Stolte, Rpfleger 1990, 347 und Rpfleger 1991, 240). Nach Auffassung des Senats gilt § 14 StPO bei einem Streit zwischen zwei Rechtspflegern jedenfalls dann nicht, wenn der Rechtspfleger wie vorliegend gemäß §§ 116, 118 Abs. 3 StVollzG - die ihm nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. a RPflG übertragenen Geschäfte wahrnimmt. Die Formulierung Gerichte in § 14 StPO, ebenso in §§ 15 und 16 StPO, legt nahe, daß der Zuständigkeitsstreit eine richterliche Aufgabe betreffen muß. In der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit, zu der der Strafprozeß gehört, ist damit in erster Linie der Richter gemeint, der gemäß Art. 97 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen ist. Der Rechtspfleger trifft im Strafverfahren lediglich die ihm aus dem Richterbereich übertragenen Entscheidungen (§ 22 RPflG). Die Aufnahme von Erklärungen, Anträgen oder Rechtsmitteln ist dagegen grundsätzlich Aufgabe der Geschäftsstelle, die nach § 153 Abs. 1 GVG eingerichtet und mit Urkundsbeamten besetzt werden muß. Durch das am 01.07.1970 in Kraft getretene Rechtspflegergesetz sind einzelne Aufgaben aus dem Aufgabenbereich des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dem Rechtspfleger übertragen worden. Dazu gehört nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 RPflG die Aufnahme von Erklärungen über die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde, der weiteren Beschwerde und der Revision in Strafsachen. Insoweit handelt der Rechtspfleger als ein besonders qualifiziertes Organ der Geschäftsstelle (so HansOLG Hamburg, Rpfleger 1983, 257, 258), und nicht im Rahmen der ihm aus dem Richterbereich übertragenen Geschäfte. Die Aufnahme der in § 24 Abs. 1 Nr. 1 RPflG näher bezeichneten Erklärungen liegt ausnahmslos außerhalb der funktionellen Zuständigkeit des Richters, der sich der Protokollierung solcher Erklärungen enthalten soll (BGHSt 31, 109 m.w.N.). Weiter ist durch § 24 Abs. 3 RPflG gewährleistet, daß das dem Rechtspfleger übertragene Geschäft der Aufnahme von Erklärungen nicht dem Richter vorgelegt werden kann. Denn § 5 RPflG ist insoweit nicht anzuwenden. Sofern der Richter aus den vorstehenden ausgeführten Gründen von der Wahrnehmung eines Geschäfts ausgeschlossen ist, handelt es sich nicht um ein richterliches Geschäft, das bei einem Zuständigkeitsstreit eine Vorlage und Entscheidung nach § 14 StPO ermöglicht. Der Senat verkennt dabei nicht, daß die Einholung einer Zuständigkeitsbestimmung des gemeinsamen Obergerichts durch den Rechtspfleger u.a. im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit anders beurteilt wird; dort übt der Rechtspfleger in weiten Bereichen eine gerichtliche Tätigkeit aus. Soweit ersichtlich, handelte es sich in den jeweils entschiedenen Fällen jedoch nicht Geschäfte im Sinne von § 24 Abs. 1 RPflG. Eine analoge Anwendung des § 14 StPO auf die dem Rechtspfleger gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 RPflG übertragenen Geschäfte kommt nicht in Betracht. Die Weigerung des Rechtspflegers, eine Rechtsbeschwerde gemäß §§ 116, 118 Abs. 3 StVollzG zu Protokoll der Geschäftsstelle aufzunehmen, und die damit verbundene Zuständigkeitsfrage ist einer anderweitigen Überprüfung zugänglich. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Dienstaufsichtsbeschwerde (so HansOLG Hamburg, Rpfleger 1983, 257, 258) und / oder eine befristete Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG der geeignete Rechtsbehelf ist. |
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