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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 521/07 OLG Hamm u. 3 OBL 92/07 (45) OLG Hamm

Leitsatz: Bei der Fristberechnung nach §§ 126a Abs. 2 Satz 2, 121 Abs. 1 StPO sind die Vollzugszeiten eines Haft- und eines Unterbringungsbefehls, die in gleicher Sache erlassen wurden, zusammenzurechnen.

Senat: 3

Gegenstand: Haftprüfung durch das OLG

Stichworte: Fristberechnung; Untersuchungshaft; Einstweilige Unterbringung; Zusammenrechnung

Normen: StPO 126; StPO 121

Beschluss:

Strafsache
gegen K.M.
wegen Raubes
hier: Prüfung der Unterbringung durch das Oberlandesgericht gem. §§ 126a Abs. 2 S. 2, 121, 122 StPO

Auf die Vorlage der Akten zur Entscheidung nach §§ 126a Abs. 2 S. 2, 121, 122 StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.09.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht, nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Beschuldigten beschlossen:

Die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung über neun Monate hinaus wird angeordnet.

Die Prüfung der einstweiligen Unterbringung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte wurde am 24.11.2006 vorläufig festgenommen. Er war seit dem 25.11.2006 zunächst in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des AG Bielefeld vom gleichen Tage.

Er wird darin beschuldigt, „in Bielefeld in der Nacht vom 23. auf den 24.11.2006 mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, um sich die Sache rechtswidrig zuzueignen.“ Im Haftbefehl heißt es weiter: „Ihm wird folgendes zur Last gelegt: In der Nacht vom 23. auf den 24.11.2006 in Bielefeld sprach er in der Wertherstraße den Geschädigten S. an und fragte ihn nach dem Weg zur Straßenbahn. Als der Geschädigte mit ihm ein Stück in Richtung Straßenbahn gegangen war, wurde er von dem Beschuldigten auf den Boden geworfen und mehrfach geschlagen. Danach wurde der Geschädigte von dem Beschuldigten an den Haaren gepackt und zur Sparkasse an der Oberstraße gezerrt. Dort sollte der Geschädigte Geld von seinem Konto abheben. Als der Geschädigte erklärte, es sei kein Geld auf dem Konto, schlug der Beschuldigte erneut in das Gesicht des Geschädigten und entriss ihm die Geldbörse aus seiner Hand. Als der Beschuldigte die Geldbörse durchsuchte, gelang es dem Geschädigten, zu entkommen. In der Geldbörse befanden sich 20 €.“

Mit der geschilderten Tat identisch ist die Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 18.12.2006, die das wesentliche Ergebnis zutreffend zusammenfasst und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen wegen des dringenden Tatverdachts verwiesen wird.

Mit Beschluss vom 31.01.2007 hat das AG – Schöffengericht – Bielefeld die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Hauptverhandlung fand am 11.05.2007 statt, nachdem zunächst ein Gutachten zur Schuldfähigkeit und zur Unterbringung nach § 64 StGB eingeholt worden war. Das Schöffengericht hat in der Hauptverhandlung beschlossen, die Sache „gemäß § 74 Abs. 1 GVG in Verbindung mit § 63 StGB an das Landgericht abzugeben“, weil eine „Maßnahme nach § 63 StGB nicht unwahrscheinlich“ sei. Im gleichen Beschluss heißt es:
„Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 25.11.2006 wird gem. § 126a StPO in eine einstweilige Unterbringung umgewandelt. Nach dem Gutachten von Dr. R. war der Angeklagte zur Tatzeit vermindert schuldfähig gemäß § 21 StGB. Seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht unwahrscheinlich. Darüberhinaus erfordert die öffentliche Sicherheit die Unterbringung des Angeklagten.“

Mit Beschluss vom 11.07.2007 beauftragte das Landgericht Bielefeld eine weitere Begutachtung des Angeklagten zur Schuldfähigkeit und zu den Voraussetzungen einer Unterbringung nach den §§ 63, 64 StGB. Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem Datum des 10.08.2007, eingegangen beim Landgericht am 06.09.2007, erstattet. Eine Termin zur Hauptverhandlung ist noch nicht anberaumt.

Mit Beschluss vom 06.08.2007 hat das Landgericht beschlossen, dass die einstweilige Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sei, womit sich der Angeklagte einverstanden erklärt habe. Gleichzeitig hat es die Sache gem. § 121 StPO dem Oberlandesgericht zur Haft- bzw. Unterbringungsprüfung vorgelegt.

II.
Die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft anzuordnen, da ihre Voraussetzungen weiterhin vorliegen (§ 126a Abs. 2 S. 2 StPO i.d.F. des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.07.2007, BGBl. I S. 1327, in Kraft getreten am 20.07.2007, nachfolgend: „Unterbringungssicherungsgesetz“).

1. a) Der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung stand nicht schon entgegen, dass die Akten dem Senat nicht rechtzeitig vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist vorgelegt worden sind. Das Ende der Sechsmonatsfrist lag noch vor Inkrafttreten des Unterbringungssicherungsgesetzes, so dass insoweit noch keine Vorlagepflicht bestand.

Der Sache nach handelt es sich vielmehr – und insoweit sind die Akten dem Senat rechtzeitig vorgelegt worden – um die Überprüfung der Voraussetzungen der Haft- bzw. Unterbringungen durch das Oberlandesgericht nach neun Monaten (§ 122 Abs. 4 S. 2 StPO). Bei der Fristberechnung sind nunmehr die Vollzugszeiten eines Haft- und eines Unterbringungsbefehls, die in gleicher Sache erlassen wurden, zusammenzurechnen. Die zur alten Rechtslage teilweise vertretene Ansicht, dass bei der Berechnung der Fristen nach §§ 121, 122 StPO die Dauer einer einstweiligen Unterbringung außer Betracht bleibe (vgl. OLG München NStZ-RR 2003, 366, 367; OLG Nürnberg NStZ 1982, 297; OLG Schleswig NStZ 2002, 220; aA bereits zur alten Rechtslage: OLG Düsseldorf NStZ 1987, 475), ist durch die gesetzliche Neuregelung überholt. Diese Ansicht beruhte gerade auf dem – nunmehr überholten – Umstand einer fehlenden gesetzlichen Verankerung einer Sechsmonatsprüfung durch das Oberlandesgericht bei der einstweiligen Unterbringung.

b) Auch der Umstand, dass der Umwandlungsbeschluss des Amtsgerichts, der als Erlass eines Unterbringungsbefehls nach § 126a StPO auszulegen ist, für sich genommen nicht den Anforderungen des des § 114 StPO entspricht, führt nicht zur Aufhebung der einstweiligen Unterbringung. In der Rechtsprechung wurde bisher ein solcher Formverstoß meist bei einer fehlenden Konkretisierung des Tatvorwurfs, die eine Überprüfung durch das Oberlandesgericht hindert, oder bei einer fehlenden Verkündung des Haft-/Unterbringungsbefehls, als möglicher Grund für eine Aufhebung angesehen (OLG Celle StV 2005, 513; OLG Oldenburg NStZ 2005, 342; vgl. auch: OLG Hamm NStZ-RR 1998, 277; NStZ-RR 2002, 335). Hier hat das Amtsgericht aber der Sache nach den ursprünglichen Haftbefehl in Bezug genommen, wodurch der Tatvorwurf auch für die Unterbringungsanordnung hinreichend konkretisiert wurde. Der Unterbringungsbefehl wurde auch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht dem Angeklagten verkündet. Im übrigen entsprechen die Angaben im Unterbringungsbefehl noch hinreichend den Anforderungen des § 114 StPO.

2.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Unterbringung, nämlich dass die Voraussetzungen der Anordnung der einstweiligen Unterbringung nach § 126a Abs. 1 StPO weiterhin gegeben sind, liegen hier vor. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 21.08.2007 (3 OBL 86/07) näher ausgeführt hat, ist bei der Prüfung der Unterbringung nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 126a Abs. 2 S. 2 StPO n.F. nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine einstweilige Unterbringung weiterhin gegeben sind. Umstände der hinreichenden Verfahrensbeschleunigung, wie sie bei Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO relevant sind, spielen bei der einstweiligen Unterbringung erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Rolle.


In diesem Sinne liegen die Voraussetzungen für eine einstweilige Unterbringung i.S.d. § 126a Abs. 1 StPO hier weiterhin vor.

Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Tat, die zum Erlass des Unterbringungsbefehls geführt hat, aufgrund der glaubhaften Aussage des Geschädigten und seines Geständnisses dringend verdächtig.

Aufgrund der überzeugenden Ausführungen im Gutachten des vom Amtsgericht beauftragten Sachverständigen Dr. Reker lag bei dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt eine massive Alkoholabhängigkeit mit Abstinenzunfähigkeit bei gleichzeitig bestehender Psychose mit intoxikationstypischer Symptomatologie vor, die seine Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt als erheblich vermindert erscheinen lässt. Diese Einschätzung wird durch das vom Landgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. Prüter bestätigt, der eine chronische Alkoholabhängigkeitserkrankung mit Persönlichkeitsdepravation, die eine schwere andere seelische Abartigkeit darstelle, und für den Tatzeitpunkt eine Intoxikation bejaht hat, die dem Eingansmerkmal einer krankhaften seelischen Störung zuzuordnen sei. Diese Ausführungen decken sich schließlich mit den Angaben des Angeklagten, dass er vor der Tat ca. zwei Kisten Bier getrunken hat.

Es ist weiter zu erwarten, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet werden wird. Nach den Ausführungen der Sachverständigen, die sich mit den übrigen Erkenntnissen nach Aktenlage decken, ist zu erwarten, dass er – sofern er nicht ausreichend langfristig und umfassend behandelt wird – auch zukünftig erhebliche Straftaten begehen wird. In der Vergangenheit hat sich dies bereits daran gezeigt, dass der Angeklagte seit 1997 in erheblichem Umfang und mit hoher Frequenz strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und die Straftaten jedenfalls z. T. in Zusammenhang mit seiner Alkoholerkrankung standen. So war er u. a. am 23.07.2002 durch das AG Bielefeld wegen Räuberischen Diebstahls, Raubes etc. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt und seine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet worden. Erst am 29.06.2006 war er zuletzt aus der Haft in anderer Sache entlassen worden. Nach Ansicht der Sachverständigen hat eine Maßnahme nach § 64 StGB hinreichende Aussicht auf Erfolg, zumal der Angeklagte therapiewillig ist und seinen weiteren Abstieg vermeiden will.

Angesichts der geschilderten Umstände erfordert die öffentliche Sicherheit die Unterbringung, da die von dem Beschuldigten ausgehende erhebliche Gefahr für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit sowie das Eigentum Dritter bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht anders abwendbar ist.

Die einstweilige Unterbringung des Beschuldigten ist – auch im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens - verhältnismäßig. Wie dargestellt ist sie geeignet und erforderlich, der vom Beschuldigten ausgehende Gefahr zu begegnen.

Die weitere einstweilige Unterbringung des Beschuldigten ist auch angemessen. Von dem Beschuldigten geht – wie die oben dargestellte Tat und Ergebnisse der Sachverständigenbegutachtung zeigen - eine erhebliche Gefahr für höchste Rechtsgüter, nämlich insbesondere die körperliche Unversehrtheit Dritter, aus.

Zwar ist es inzwischen zu nicht unerheblichen Verfahrensverzögerungen gekommen. So ist der Zeitraum zwischen der Eröffnung des Hauptverfahrens und der Hauptverhandlung auch in Anbetracht der notwendigen Begutachtung, bei der es sich aber um eine problemlose Standardbegutachtung handelte, als zu lang anzusehen. Auch die Aktenversendung zwischen Landgericht und Amtsgericht im Rahmen einer Auseinandersetzung über die Ordnungsmäßigkeit des Abgabebeschlusses und die notwendige Aktenzurücksendung zwecks Unterzeichnung des Hauptverhandlungsprotokolls führten zu Verzögerungen. Angesichts der dargestellten Gefahr begründen diese Verzögerungen hier jedenfalls noch nicht die Unangemessenheit des weiteren Vollzugs der einstweiligen Unterbringung. Dabei geht der Senat aber davon aus, dass nunmehr – nachdem das weitere Sachverständigengutachten eingetroffen ist – wie im Vorlagebeschluss des Landgerichts angekündigt, umgehend eine Terminierung stattfindet und die Hauptverhandlung noch bevor die Haft- bzw. Unterbringungsdauer ein Jahr erreicht, durchgeführt ist. Sollte dies nicht geschehen, wäre möglicherweise die Angemessenheitsabwägung mit anderem Ergebnis zu stellen. Denn die lange Verfahrensdauer führt zusammen mit der grundsätzlich gesetzlich vorgesehenen Anrechnung der erlittenen Freiheitsentziehung (§ 51 Abs. 1 StGB) zum Nachteil des Angeklagten dazu, dass er bis zum Urteilserlass lediglich verwahrt, aber nicht oder nicht wesentlich therapiert wird, während andererseits im Falle der Verurteilung und Unterbringung aufgrund der Anrechnung die noch mögliche Therapiezeit verkürzt wird.

III.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.




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